Advent in Zarrentin. Foto: Lerchenmüller

Klein, aber fein: Auf dem norddeutsch-weihnachtlichen Klostermarkt in Zarrentin am Schaalsee trifft man manches Mecklenburger Original.

Zarrentin - Ein kalter Wind weht vom See hoch und fegt zwischen der Klostermauer und den Ständen mit gebrannten Mandeln, Filzhüten und Gartendekoration hindurch. Schwarz und wie ausgeschnitten säumen Binsen das Ufer, Stege und Bootsschuppen tragen weiße Schneehauben. Der Platz hier in Zarrentin, direkt am Ufer des Schaalsees, scheint wie geschaffen, um einen zweiten Advent zu begehen. Ein paar Dutzend Stände sind rund um Kirche und Kloster aufgereiht. Das Kettenkarussell rasselt, die Bratwurst brutzelt, und der Glühwein dampft - alles ist da, was einen Weihnachtsmarkt in Deutschland so ausmacht. Aber es kommt noch einiges hinzu, was den Besucher daran erinnert, dass er sich auf einem Weihnachtsmarkt in Mecklenburg befindet. Man hört Platt, klar - und jeder, der nicht in der Gegend aufgewachsen ist, versucht zu erraten, was gerade Sache ist. „Het di lang nich seen, Jens. Pott Punsch för di?“ Die Schaalseefischer verkaufen geräucherte Maränen und Forellen. Schräg gegenüber hat Uwe Antes Klartext angeschlagen: „Lasst euch nicht von Banken linken, kauft euch lieber Wurst und Schinken“. In Kisten und Körben hat der „dichtende Metzger“ seine Spezialitäten vor sich ausgebreitet: Grütz-, Lungen- und Blasenwurst mit Senfkörnern.

„Fiek’n hätt schräb’n ut Hagenow“ 

Und natürlich gibt es bei dem Mann mit dem schwarzen Filzhut eine Portion Hausmacherlyrik gratis dazu - auch zur Hanfsalami, der sogenannten Kifferwurst: „Naturhanf bei uns längst bekannt, macht die Wurst recht interessant. Denn sie schmeckt nussig, würzig, fein, das soll bei dieser Wurst so sein.“ Über allem wacht die Kirche mit ihrem Sockel aus Feldsteinbrocken und dem Aufbau aus Backstein-Fachwerk. Im nahen Restaurant Vier Linden, das heute „Mecklenburger Lammbraten mit Grünkohl und Tüften“ für sieben Euro serviert, führen Kinder ein Märchenspiel auf, und die in Ehren unter ihren Schiffermützen ergrauten Schaalseejungs sorgen mit Shantys für eine norddeutsch-weihnachtlich-maritime Note. Viel getragener ist die Atmosphäre im benachbarten Kloster - dem noch verbliebenen Ostflügel des Zisterzienserinnenklosters aus dem 15. Jahrhundert, um genau zu sein. Durch die hohen Eisenfenster mit den Spitzbögen geht der Blick hinaus auf den See. Glücklich dürfen die Ausstellerinnen sich schätzen, die gleich daneben, im Refektorium, einen Stand ergattert haben. Das gotische Kreuzrippengewölbe mit den schmalen Säulen birgt 750 Jahre Geschichte in sich. Ein wenig von dieser Aura der Erhabenheit scheint selbst auf die angebotenen Porzellanschalen, Ohrringe und Kerzen abzustrahlen. Am Ende des Kreuzgangs warnt eine Aufschrift auf einer Tafel: „Ahn Fiek’ns Breif iss Wiehnachten half so schön“ - und Kuno Karls, ehemaliger Augenoptiker aus Hagenow mit Rundbrille, erklärt nur allzugern, was es damit auf sich hat. „Fiek’n hätt schräb’n ut Hagenow“ heißt die Schriftenreihe, die er seit 1982 herausbringt: „Sophie hat aus Hagenow geschrieben“.

Es sind die gesammelten Erinnerungen vieler Menschen an das Leben früher, an Gastwirtschaften, Märkte und Krankenhäuser, die Nachkriegszeit und die Wende - eine umfassende Geschichte von unten. Zehn Bände mit 2200 Seiten sind es mittlerweile geworden, je zwischen fünf und zehn Euro teuer, und ihr Herausgeber bringt sie so charmant wie beredt an Mann und Frau. Fast immer ist er dicht umlagert, wird befragt und bestaunt ob seiner Leistung: In über 40 Jahren bei über 1000 Zeitzeugen rund 3000 Histörchen zu sammeln - so etwas schafft nur ein unbeirrbarer, um nicht zu sagen: sturer Mecklenburger. Ein Original eben - von denen es auch hier auf dem Klostermarkt in Zarrentin immer noch so einige gibt.