„Karamba, Karacho, ein Altbier“, besang Schlagersänger Heino das 165-Jahr-Jubiläum der Düsseldorfer Altbier-Brauerei. Foto: dpa

In Düsseldorf ist das malzbraune Altbier zu Hause. Eine Tour durch die Hausbrauereien erfordert einiges an Trink- und Stehvermögen.

An der „längsten Theke der Welt“, wie die Düsseldorfer Altstadt gerne auch genannt wird, geht es an diesem Abend feucht zu: Es regnet ohne Unterlass. Die Dame mit dem scharf geschnittenen Profil hatte sich vorgestellt als „Ich bin die Gudrun - für euch: det Judrun. Im Rheinischen sprechen wir jedes ,G‘ als ,J‘. Und beim Altbier sind wir per Du.“ Jetzt sammelt sie die zwölf Schwaben um sich, die die Geheimnisse des Düsseldorfer Leib- und Magengetränks erkunden wollen. „Warum heißt unser Bier Altbier?“, fragt det Judrun im zugigen Hof des Kunstmuseums K 20. „Weil es schon lange abgelaufen ist“, rät einer. „Weil du dir alt vorkommst am nächsten Morgen“, schätzt sein Nachbar. „Dat Altbier heißt so“, erklärt det Judrun, „weil es nach der alten, der traditionellen Methode gebraut wird.“ Altbier ist ein obergäriges Bier. Es wird bei 18 bis 24 Grad Celsius gebraut. Untergäriges wie Pils oder Export benötigt dagegen eine Temperatur unter 14 Grad - weshalb man es erst nach der Erfindung der Kühlmaschine das ganze Jahr über herstellen konnte. Altbier ist dunkel, weil es einen höheren Anteil Malz enthält. Und es wird vor allem am Niederrhein getrunken. „Und was ist Kölsch?“, fragt ein ganz Vorwitziger, der die alte Städtefehde offenbar neu anfachen will. „Kölsch ist auch etwas Oberjäriges. Es passt zu der Stadt mit K. Doch wir reden hier von Bier“, bescheidet ihn det Judrun hoheitsvoll.

Die Kneipentour durch Düsseldorf beginnt

Und befiehlt „Abmarsch!“. Hinein in den Dschungel der Düsseldorfer Altstadt, wo sich auf einem Quadratkilometer Boden Respekt gebietende 260 Kneipen aneinanderreihen. Nach einem kurzen Fußweg landet die Gruppe „Nassaberfröhlich“ im Füchschen. Ein Summen wie im Bienenkorb ertönt beim Eintritt in die Schwemme. Halb Düsseldorf ist hier, gefühlt, zu Gast. Menschen sitzen auf Stühlen, stehen an Fässern, lümmeln sich in Ecken, füllen die Gänge und nehmen es erstaunlicherweise mit größter Gelassenheit, wenn ein zusätzliches Dutzend Männer in Schwarz sich dazwischen quetscht. Det Judrun erklärt ein paar Grundregeln des Kostens: „Schauen. Riechen. Hören. Schmecken.“ Alsdann: Das Glas ist leicht beschlagen, das Bier hat mit acht bis zehn Grad die ideale Trinktemperatur. Der weißliche Schaum steht wie Sahne, die Farbe der Flüssigkeit darunter erinnert an dunkles Kupfer. Und wie schmeckt es nun, das hausgebraute Alt? Zufriedenes Gluckern, nachdenkliches Schmatzen. „Malzig, ein wenig süßlich und doch auch bitter“, antwortet brav einer der Schwaben. Geht durch, befindet det Judrun.

„Abmarsch!“ In der Ratinger Straße erzählt die Führerin von dem legendären Ratinger Hof, der einst an dieser Stelle stand. Von hier aus eroberten Anfang der 80er Jahre Punk und Pogo Deutschland, hier starteten die Toten Hosen ihre Karriere. Und die viel frühere Geschichte, wie Napoleon die Straße zur „Retematäng“ (rheinisch), zur Rue de Matin (französisch), also zur „Straße des Morgens“ erklärt hatte, weil in aller Frühe schon alle Kneipen offenstanden - jene Geschichte passt auch noch trefflich dazu. Vier verschiedene Kneipen, vier Sorten Alt stehen während der nächsten Stunden auf dem Programm. Im Kreuzherreneck trafen sich Joseph Beuys, Jörg Immendorff, Sigmar Polke und andere Studenten der nahen Kunstakademie. Glasfenster zur Straße hin zeigen verschiedene Flaschen und Gläser als Kunstwerk. Im Kürzer sitzen, ganz wie Gudrun versprochen hatte, jede Menge „lecker Mädsche“, und der Geschäftsführer zeigt stolz seine fünf Edelstahltanks, die per Kran in die zwei umgebauten alten Häuser gehievt worden waren. Im Schumacher, seit 1838 am Start und damit Düsseldorfs älteste Hausbrauerei, ist das Publikum eher gesetzteren Alters. „Die kleine Kneipe“ klingt beschwingt durch den Raum, und eine freundliche, ältere Dame verrät den Neuankömmlingen das Geheimnis der Eingeweihten: „Trinkt ja nichts Blondes nach dem Alt. Dann jeht dat jut aus morjen früh.“

Das Abschlussquiz kann nicht mehr gelöst werden

Jetzt steht ein Fußweg bevor. Vor dem Uerige erinnert das Denkmal eines Radschlägers an die Schlacht von Worringen 1288, in der Graf Adolf den Erzbischof von Köln besiegte. Hinterher, hieß es, hätten Kinder vor Freude ebenjene Räder vorgeführt. Vor dem Eintritt in die letzte der Traditionsbrauereien gilt es noch vereint ein weiteres Bier-Geheimnis zu lösen. „Woher kommt das Wort Köbes?“, will det Judrun wissen. „Kürbis“ rät einer. „Jakob“, erwidert sie augenrollend. Angeblich vermochten Pilger, die vom Jakobsweg zurückkamen, so spannend von ihren Abenteuern zu erzählen, dass sie in den Bierstuben als Kellner und Unterhalter angestellt wurden. Die Köbesse im Uerige haben keine Zeit zum Plaudern. Sämtliche Plätze in den Räumen der Brauerei sind belegt. Selbst draußen im Regen leeren Menschen Gläschen um Gläschen. Det Judrun müht sich bis zuletzt, etwas Altbierwissen in Schwabenhirnen zu verankern. Noch einmal lässt sie rückblickend all die Waldhonig-, Nussnougat- oder moorwasserbraunen Bierchen der letzten vier Stunden Revue passieren und bittet zum Abschlussquiz. Aber zwölf inzwischen höchst beseelte Schwaben erinnern sich „ums Verrecka“ nicht mehr, ob Altbier 7, 56 oder 650 Aromastoffe hat, ob es vom Hahn oder vom Fass gezapft oder gar aus dem Eimer geschöpft wird und ob ihnen die Tour „sehr gut“, „gut“ oder „geht so“ gefallen hat. Ach, Judrun - Kollege Sisyphos lässt jrüßen.