Kleidung und Accessoires mit Botschaften made in Hamburg sind die Spezialität vom „Elternhaus“ im Karoviertel. Foto: Erne

Wer in Hamburg auf Shopping-Tour geht, füllt nicht nur seine Tüten, sondern lernt kreative Leute und eigenwillige Namensschöpfungen kennen. Spaziergang mit einer Insiderin.

Hamburg - Die Hamburger sind erfinderische Leute. Sie melden bundesweit die meisten Marken an und denken sich nützliche Dinge wie Schwimmflügel, Schnuller, Kreuzfahrten und Wundpflaster aus. Kein Wunder, dass in der Hansestadt nicht nur die mondänen Modemacher in edel gestylten Läden zu finden sind, sondern auch viele Designer und Handwerker, die Kleidung, Schuhe, Alltagsgegenstände und Möbel selbst entwerfen, anfertigen und verkaufen.

Ein weiteres Markenzeichen Hamburgs sind die 105 Stadtteile, die alle ein anderes Gesicht und eine andere Atmosphäre zu bieten haben: elegant und großbürgerlich geprägt wie Eppendorf oder das Grindel, skandinavisch-gemütlich wie Ottensen, hip und schräg wie St. Georg, bunt und ein wenig schmuddelig wie die Schanze und St. Pauli, kreativ-familiär wie das Karolinenviertel und noch weitgehend unerkannt, die Neustadt rund um den Michel. Überall kann man sich einfach treiben lassen oder sich einer Expertin wie Mara Burmeister anvertrauen, die diese Stadt, vor allem aber ihren Kiez, das Karo und die Schanze, zu schätzen weiß.

Krimskrams-Laden „Bagu“ mit originellem Ramsch

Die Stadtführerin wohnt mittendrin und kennt hier jeden Laden. Ihre Gäste trifft sie an der S-Bahn-Station Sternschanze, wo der gleichnamige alte Stadtwall stand, der auch dem Viertel seinen Namen gab. Gehandelt wurde hier schon immer, erzählt Mara Burmeister beim Flanieren: nach dem Krieg auf dem Schwarzmarkt, später mit Fleisch auf dem Großmarkt, heute mit feinen Waren wie im „Scarpovino“ in der Susannenstraße, wo sie gerne nach Schuhen Ausschau hält oder „die besten Weine der Stadt“ findet. Wie multikulti das Viertel trotz steigender Mieten und Verdrängung der ehemaligen Bewohner ist, wird an den vielen verschiedenen Restaurantküchen und Waren deutlich, die im Schanzenviertel in aller Herren Länder entführen. Da handelt der türkische Krimskrams-Laden „Bagu“ mit originellem Ramsch, während man sich beim Betreten von „addiwan“ im Vorderen Orient und in Indien wähnt oder beim „Fräuleinwunder“ angesagte Mode zu moderaten Preisen ersteht.

Richtig hanseatisch geht es bei „Stüdemann“ zu, einem duftenden Pralinen- und Teegeschäft alter Art, in dem zwei Schwestern hingebungsvoll „süße Grüße aus Hamburg“ und für jede Tageszeit das passende Getränk empfehlen. Mara Burmeister lenkt in die Schanzenhöfe, wo einst Rinder an Galgen ausbluteten und heute die Hamburger durch Galerien und Werkstätten schlendern. Durch eine Passage in der Alten Rinderschlachthalle, die sogenannte Karodiele, geht es ins Karolinenviertel. Direkt auf die Marktstraße, dem Epizentrum des etwas anderen Einkaufserlebnisses. Wie originell und eigenwillig sie sind, drücken die neuen Kaufleute der Hansestadt mit dem Namen und der Einrichtung ihrer Werkstatt-Geschäfte oder mit der Verpackung aus. Da werden Einkaufstüten mit Stempeln bedruckt, mit Bonbons und Wimpeln beklebt oder mit rotem Faden zugenäht.

Diese Beutestücke sind Unikate made in Hamburg, die es sonst nirgendwo gibt. Selbst entworfen und hergestellt in Hamburg wird im Karolinenviertel ernst genommen, und so rattern in einigen Geschäften bis abends die Nähmaschinen. Etwa bei „M 39“, wo seit 14 Jahren ein Stammpublikum den Designerinnen um Sabine Ortland Jacken, Röcke und Täschchen mit Begeisterung abnimmt. Die drei Damen produzieren nur selbst, alle Stücke sind limitiert. Reich wird man so nicht, aber unverwechselbar. Auch im „Sium“ sind die auffälligen Schnitte und Stoffe vor den Augen der Kundinnen aufgebaut, die Kollektion schwebt scheinbar schwerelos im Raum. Mara Burmeister kauft hier gerne ein, aber auch im „Wild one“, wo es selbst geschneiderte Klamotten aus Stretch-Material gibt, oder im „Marmeladenbrot“, wo mehrere Designer „wandelbare Mode“, Schmuck und Schuhe anbieten.

Hier müssen Kunden tiefer in die Tasche greifen

Edlere Kleidung mit Anklängen an den Stil der 50er, 60er und 70er Jahre entwerfen die beiden Modedesignerinnen von „garment“ für Damen und Herren. Entwürfe, Schnitte und erste Muster entstehen im offenen Atelier im Untergeschoss. Genäht wird dann in Hamburg und Polen. Die Kunden müssen tiefer in die Tasche greifen als bei den Nachbarn, aber dafür erstehen sie langlebige Stücke, die gut verarbeitet sind und individuell angepasst werden. Das Geschäft begannen sie wie alle hier in einem Kelleratelier mit Nähmaschine nach Abschluss des Studiums. Die beiden Modedesignerinnen waren so erfolgreich, dass sie den Sprung aus dem Gemeinschaftsverkauf in die Selbstständigkeit und in ein schönes, großes Geschäft mit Filiale in München wagen konnten. Das gelingt immer seltener.

Wie schwierig es ist, sich als Absolvent einer Hamburger Mode-Hochschule selbstständig zu machen, davon erzählen viele Ladeninhaber, die mit eigenen Kreationen ihr Auskommen verdienen wollen. Viele verschwinden schon wieder nach kurzer Zeit, denn auch in diesem Stadtteil steigen die Mieten rasant, und der Spielraum für Experimente wird kleiner. Aber nicht nur für ausgefallene Kleidung ist das Karoviertel gut: Wer bei van Haenden in der „No 108“ seine Schuhe reparieren lassen will, kommt in ein kleines Wunderland voll mit alten Werkzeugen, stimmungsvoll arrangiertem Trödel und Antikem wie einem Murmelspieltisch. Bei „Lockengelöt“ am Ende der Marktstraße wird die „Zweckentfremdung von Alltagsgegenständen in Handarbeit“ zum Geschäftsmodell. Der Laden steht voller umgewidmeter Gegenstände: alte Bücher, die mit Haken versehen zum „Schlüsselroman“ wurden.

Ölfässer, die als Barschrank und Regale das Wohnzimmer beleben, oder Spiegelrahmen aus alten Autoreifen. In dieser eigenwilligen Kulisse veranstalten die Ladeninhaber Carsten Trill und Dennis Schnelting auch Konzerte oder spielen mit Freunden auf. Am Klavier hängt ein Zettel: „Flohwalzerverbot + Für Elise auch“. Abgenudelte Massenware hat in dieser Ecke der Stadt eben keine Chance.

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Infos zu Hamburg

Unterkunft
Beim köstlichen Frühstück sind die Gäste von Büchern umgeben. Das Hotel Wedina (DZ ab 125 Euro, Telefon 040 / 2 80 89 00) liegt im Stadtteil St. Georg: www.hotelwedina.de .

Übernachtungshäuser namens Schanzenstern gibt es mitten in Altona und in St. Pauli. Familien, Packpacker und Paare können zwischen Zwei- und 13-Bett-Zimmern oder einem Apartment (DZ ab 72 Euro) wählen, zum Teil barrierefrei, mit Bio-Frühstücksbüfett: www.schanzenstern.com .

Ruhe im Trubel des Schanzenviertels bietet das kleine Hotel My Place (DZ ab 89 Euro) in der Lippmann-straße: www.myplace-hamburg.de .

Einkaufsadressen
Im Schanzen- und Karoviertel: Schuhe und Wein bei Scarpovino: www.scarpovino.de ;

Stoffe und mehr aus Asien und dem Orient bei addiwan: www.addiwan.de ;

Tee und Süßes bei Stüdemann, Schulterblatt 59, Tel. 040 / 4 30 06 33; Schuhmacher, Trödel und Antikes bei van Haenden, Marktstraße 108, Tel. 040 / 55 43 05 12; im Sium kreiert eine Filmemacherin unverwechselbare Mode: www.sium.net ;

Edles für Damen und Herren mit Retro-Anklängen bietet das garment: www.garmentshop.de ;

Kleidung und Accessoires mit Botschaften gibt es im Elternhaus: www.elternhaus.com ;

drei Modedesignerinnen nähen seit 14 Jahren im M39 alles selbst: www.m39.de ;

Alltagsgegenstände bekommen ein neues Gesicht mit Musik im Lockengelöt: www.lockengeloet.com .

Im Stadtteil St. Georg ist in der ehemaligen Maschinenfabrik Erickssen die Koppel 66 entstanden, ein Haus für Kunst und Handwerk mit 12 Werkstätten und Ateliers, z. B. von Hutmacherin Teresa Gaschler. www.koppel66.de .

Stadtführungen
Führungen mit Mara Burmeister und anderen Stadtführern kann man bei Hamburg Tourismus buchen, Tel. 040 / 30 05 17 01, www.hamburg-tourism.de .

Stadt- und Architekturführungen in St. Georg gibt es bei Maren Cornils: www.st-georg-tour.de .

Stattreisen Hamburg bietet Stadtrundgänge und Fahrradtouren zu verschiedenen Themen an: www.stattreisen-hamburg.de .

Kulinarische Rundgänge durch mehrere Viertel wie das Grindel gibt es bei eat the world, www.eat-the-world.com , sowie beim St. Pauli Tourist Office: www.pauli-tourist.de .

Allgemeine Informationen
www.hamburg-tourism.de .