Rauschende Bäche, tiefgrüner Wald: Auf dem Wildnis-Trail im Nationalpark Eifel ist die Natur noch wirklich naturbelassen. Foto: Fitzthum

Heimbach ist das, was Spötter ein Rentnerparadies nennen. Zugleich liegt das Städtchen in der Eifel aber am ersten Wildnis-Trail der Republik.  

Heimbach - Wer will, kann am Ortsende des kleinen Städtchens Heimbach in der Eifel vom Promenierweg ins Gelände wechseln - immer dem Holzschild mit dem Kopf einer Wildkatze nach. Nach kurzem Anstieg zeigt die Markierung in einen beschaulichen Waldweg. Doch schon nach zwei Kurven steht man vor Bäumen, die auf den Weg gestürzt sind. Eine erste Warnung? Wer sich in die Wildnis begibt, muss mit Hindernissen der Natur rechnen?

Selbst in Nordrhein-Westfalen? Hindernisse sind dann keine mehr zu überwinden. Nach der Abtei Marienwald geht es eine Stunde über einen trostlosen Schotterweg, der für forstwirtschaftliches Großgerät dimensioniert ist. Immerhin folgt dann eine Lichtung, die mit einem Weitblick entschädigt. Dass die endlose Hügellandschaft von der untergehenden Sonne rötlich gefärbt wird, gibt aber auch zu denken: keine Chance, das Tagesziel noch vor Einbruch der Dunkelheit zu erreichen! Besser also den Hotelier anrufen. Doch hoppla: Das Handy hat kein Netz. Also doch in der Wildnis? Die Dämmerung verstärkt wenig später diesen Eindruck. Bald sind nur noch die Konturen des Wegleins zu erkennen, auf dem es nun abwärts geht. Der Wald hat sich in eine dunkle Armee dürrer Gespenster verwandelt.

Seine volle Größe erhielt er erst am 2006

Blind tappt man in Pfützen, rutscht auf feuchtem Gras, stolpert über herumliegende Äste. Daneben rauscht der Böttenbach. Zum Glück ist die Talsohle von einem breiten Fahrweg erschlossen. Der helle Schotter gibt die Richtung vor, oben blinken die Sterne. Bald darauf die ersten Zeichen der Zivilisation - zunächst eine Straßenlampe und dann das Ortsschild von Gemünd. Gerettet! Das Städtchen an der Urft nennt sich Nationalpark-Gemeinde und tut dies zu Recht. Es hat nicht nur ein interaktiv gestaltetes Besucherzentrum, sondern ist auch Sitz der Parkverwaltung. Seine volle Größe erhielt er aber erst am 2006, als die belgischen Streitkräfte abgezogen waren. Seit 1950 hatten sie hier einen streng bewachten Nato-Truppenübungsplatz verwaltet. Durch die Rückgabe an die Bundesrepublik erhielt das Schutzgebiet die für einen Nationalpark erforderliche Größe. Ins Leben gerufen wurde der erste Nationalpark Nordrhein-Westfalens vor zehn Jahren.

„In der strukturschwachen Eifel-Region ist er zu einem Wirtschaftsfaktor geworden“, sagt Michael Lammertz, der bei der Parkverwaltung für den Wildnis-Trail zuständig ist. Die angestrebte Rückentwicklung zur Wildnis brauche allerdings ihre Zeit. „Erst in 30 Jahren wird der Großteil der Flächen sich selbst überlassen sein.“ Drei Jahrzehnte zu früh gekommen zu sein, ist keine gute Nachricht. Um sich heute schon in der Wildnis zu fühlen, muss man wohl nachts losziehen! Kein Wunder, dass sich Wanderer über den Etikettenschwindel beklagten. Das zumindest erzählt Brigitte Ségui vom Nationalpark-Tor Heimbach.

Sie monierten aber weniger den noch viel zu gepflegt erscheinenden Wald als „die Autobahnen“, auf denen man auf dem Wildnis-Trail unterwegs ist. Die Klage ist nachvollziehbar, aber nicht berechtigt. Zumindest im Buchenwald des Kermeter dürften die forstwirtschaftlichen Eingriffe im nächsten Jahr beendet sein. Bis dahin werden noch die aus Kanada stammenden Douglasien beseitigt, die sich auf Kosten der heimischen Buche ausgebreitet hatten. Dann werde man die Natur vollends sich selbst überlassen, versichert Lammertz. Dem Bedürfnis nach mehr Naturnähe wird auch heute schon Rechnung getragen.

60 Jahre lang wurde hier kein Baum gefällt

Wo immer möglich nutzt der Wildnis-Trail schmale Nebenwege. Sie sind auch deshalb so abwechslungsreich, weil der Nationalpark aus drei Teilen besteht. Der Norden ist von alten Buchen- und Eichenwäldern geprägt, die Mitte von den Wasserlandschaften großer Stauseen und der Süden von Nadelwaldkulturen mit Bachtälern und Talwiesen. Bereits im Idealzustand sind die Hänge am Südufer des Urft-Stausees. Hier gibt es nur kleinere Lichtungen. Im restlichen, meist weglosen Gelände wurde 60 Jahre lang kein Baum mehr gefällt. Umso ursprünglicher wirkt hier die Szenerie. An einer alten Holzbaracke zweigt der Wildnis-Trail in den Eichenwald ab, wo er als schmaler Pfad mitten durch einen Steilhang führt. Gesäubert und präpariert wird hier nichts. Knöcheltief sinkt man in das Herbstlaub ein. Noch abenteuerlicher ist die Passage des Schöpfungsweges - eine gut ausgetretene Pfadspur, die sich durch eine Felsenlandschaft zur Leykaul hinaufschlängelt.

Das am Hang liegende Totholz und die noch stehenden Rotbuchen-Gerippe erinnern an den Kreislauf des Lebens. Genauso hat man sich die Begegnung mit der Wildnis vorgestellt. Am nächsten Morgen hat Frau Holle die Eifel über Nacht in ein Wintermärchen verwandelt. Auf den Höhen liegt der Schnee zehn Zentimeter hoch. Fast scheint es, als sei die Welt neu erschaffen worden. Die Tiere des Waldes haben schon ihre Spuren hinterlassen. Erstaunlich, was der weiße Überzug aus dem Unterholz gemacht hat.

Aus dem nackten Geäst der Büsche sind mannshohe Gestalten geworden, die den Waldboden bevölkern - Vorboten der Wildnis, die in einem normalen Nutzwald selten zu finden sind. Von Schnee bedeckt ist auch die makaberste Hinterlassenschaft des militärischen Sperrgebietes - die „Ordensburg“ der NSDAP, deren Gebäude von der belgischen Armee einfach weiterbenutzt worden waren. Im Dritten Reich wurden hier junge Männer zu linientreuen Führungskräften geformt. Michael Lammertz scheute sich nicht, den Wildnis-Trail mitten durch die nationalsozialistische Landschaftsarchitektur zu legen. Der Eintritt ist frei, fünf Euro kostet die Teilnahme an einer Führung. Nicht zu viel für die moralische Wildnis, mit der man hier bekannt gemacht wird.

So wird das Reisewetter in Deutschland

Infos zur Eifel

Anreise
Mit dem Zug in viereinhalb Stunden von Stuttgart- Hbf mit dem ICE nach Köln. Weiter mit dem Regionalzug nach Aachen-Rothe Erde, dann mit dem Bus nach Monschau.

Unterkunft
In Einruhr Hotel Schütt, Telefon 0 24 85 / 213, www.hotel-schuett.de , Übernachtung und Frühstück 35 Euro pro Person, HP-Zuschlag 12 Euro In Gemünd Hotel Kurpark: Telefon 0 24 44 / 9 51 10, www.kurparkhotel-schleiden.de , ÜF im DZ ab 96 Euro.

Wildnis-Trail
Info- und Buchungsstelle „Wildnis-Trail“: Monschauer Land Touristik e. V., Seeufer 3, 52152 Rurberg, Telefon 0 24 73 / 9 37 70, www.wildnis-trail.de . Hier kann man Packages buchen, bei denen auch der Gepäcktransport inklusive ist. Außerdem gibt es einen informativen Wanderführer, der auch Abkürzungs- und Ausflugstipps enthält.

Allgemeine Informationen
Eifel Tourismus, www.eifel.info

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