Blick ins Werratal vom Aussichtspunkt Schwalbenthal am Hohen Meißner. Foto: Marco Lenarduzzi

Das Bergmassiv Hoher Meißner in der Mitte Deutschlands wartet auch in schneearmen Wintern mit ungewöhnlichen Naturschauspielen auf.

Ein wenig Hilfe könnte Frau Holle durchaus gebrauchen. Wohl fanden sich in letzter Zeit bei der Alten nur die faulen Jungfrauen ein, die morgens lustlos die Betten schüttelten und keine dicken Flocken fliegen ließen. So gab der Winter diese Saison auch nur ein paar kurze Gastspiele auf dem massiven Brocken, der sich weit über die Landschaft des Naturparks Meißner-Kaufunger Wald erhebt. Aber wenn das Schneetelefon doch „Wintersport gut“ meldet, dann kommen die Meißner-Fans eilends und bevölkern den großen Parkplatz an der L 3241, die über den zehn Kilometer langen Bergrücken führt. Für Langläufer ist dort auch der Start zur Frau-Holle-Loipe, einer neun Kilometer langen Strecke durch den Wald und zum Sechs-Kilometer-Rundkurs mit Skating-Spur. Selbst an Einsteiger und Familien wurde mit einer kleinen Schnupperrunde auf dem flachen Plateau gedacht. Winterwanderer finden ebenfalls eine gewalzte Runde um das „Rebbes“, und an der „Hausener Hute“ sind sogar Abfahrtsskiläufer glücklich.

Die Kasseler Kuppe des Hohen Meißners

Wenn nur Schnee fallen und dem „weißen Berg“ alle Ehre machen würde. Denn der alte Name „Wissener“, soll sich von „Weißer“ ableiten und bezieht sich auf die fast 754 Meter hohe Kasseler Kuppe, die oft noch im Mai weiß glänzt. Ja, der Hohe Meißner ist ein Zauberberg, nicht umsonst die Heimat der Frau Holle. Seine frostigen Nächte, rauen Winde und plötzlichen Wintereinbrüche entsprechen eher dem Klima Mittelskandinaviens. Doch auch ohne knirschenden Schnee und von Raureif bezuckerte Bäume hat es das Bergmassiv sprichwörtlich in sich. Der Berg birgt Kohlevorräte, die vor mehr als 400 Jahren entdeckt und ab 1578 unter Tage abgebaut wurden. Ein willkommener Energielieferant für die Salzsiederei im nahe gelegenen Bad Sooden-Allendorf. Aber durch die Stollen gelangte auch Sauerstoff ins Erdinnere, was zu einem in Deutschland einmaligen Phänomen führte: Die Braunkohle entzündete sich selbst und schwelt seitdem vor sich hin. Am Osthang des Hohen Meißners, an der sogenannten Stinksteinwand oberhalb der einstigen Bergbausiedlung Schwalbenthal, entweichen die Dämpfe des Flözbrandes und riechen mächtig schwefelig. Auch an der Westseite des Hohen Meißners gedeihen die Sagen.

Mitten im Laubwald erscheint plötzlich eine hohe Felsklippe aus unzähligen fünf- bis sechseckigen schwarzen Steinsäulen in unterschiedlicher Länge, die wie das Mikadospiel eines Ungeheuers dicht an dicht übereinanderliegen: die Kitzkammer. Hier trat vor Jahrmillionen Lava aus dem Erdinneren und erstarrte zu Basaltprismen. Es wird erzählt, dass an der Kitzkammer dem Wanderer eine andere Variante der Frau Holle begegnet, als hohe weiße Gestalt mit einem riesigen Schlüsselbund. Sie verwandelt zänkische Mädchen in Katzen und sperrt sie dann in die „Katzenkammer“. Wen wundert es, dass im nebligen Dunst mit all diesem Urgestein die Welt ein wenig anders erscheint? Wer zu Fuß in die Wälder des Hohen Meißners eintaucht, findet entlang der vielen Wanderwege kleine und große Wunder wie das Naturdenkmal Seesteine oberhalb des Dorfes Hausen. Von Forstarbeitern, Naturfreunden und Wanderern wurde an einem inzwischen verlandeten See im Jahre 1880 ein natürlicher Park in die Waldlandschaft eingebettet. Riesige bemooste Basaltbrocken, zwischen alten Bäumen und steilen Berghängen verstreut, bilden die Kulisse für den wild-schönen Ort. Besucher können auch heute noch auf steingesäumten Pfaden und Treppen lustwandeln, in von Felsen geschützten Sitzecken Picknick machen oder wie damals auf natürlich angelegten Podesten singen und tanzen.

Die Kalbe des Hohen Meißners

Die Bewohner der Dörfer kamen einst sonntags nach schwerer Arbeit im Bergwerk oder in der Landwirtschaft und vergnügten sich an den Seesteinen. Um die Anlage führt seit 2004 ein Rundweg mit 15 Texttafeln als „Waldgedankenpfad“, der von der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald angelegt wurde, „um die Verantwortung gegenüber der Natur zu wecken“. Angeregt durch den Naturforscher Alexander von Humboldt oder den Dichter Eduard Mörike sollen Spaziergänger zu Einsichten gelangen wie die Schauspielerin Jane Fonda: „Wir springen mit der Welt um, als hätten wir noch eine als Reserve im Kofferraum.“ Dass sie damit nicht ganz falsch liegt, zeigt sich auf der Kalbe, einer weiteren Kuppe des Hohen-Meißner-Massivs. Von diesem Aussichtspunkt beeindruckt der Blick ins Eichsfeld, zum Harz und zum Thüringer Wald.

Besonders ist der Ort auch durch die gigantischen Basaltbrocken, die vom Plateau abbrachen und sich hier übereinandertürmen. Der Braunkohle-Tagebau auf der Kalbe von 1949 bis in die 70er Jahre riss ein tiefes Loch in den Basaltpanzer, um die darunter liegende Braunkohle zu fördern. Den Abraum warfen die Arbeiter einfach auf die Hänge, bis 1966 Felsbrocken in die Tiefe fielen und die ganze Kalbe abzurutschen drohte. Auch heute sind Erdrutsche nach wie vor eine Bedrohung. Die Siedlung Schwalbenthal fiel 1907 den Bewegungen des Berges zum Opfer, und das schmucke Gasthaus am Aussichtspunkt ist inzwischen ebenfalls wegen Rissen im Mauerwerk geschlossen. Was wohl Frau Holle mit den Menschen macht, die ihrem Zauberberg Blessuren zufügen? Mit trunksüchtigen Männern soll sie nicht zimperlich umgegangen sein und sie in Kälber verwandelt haben, die dann lebenslänglich auf der Kalbewiese weiden mussten! Noch ist alles ruhig am Frau-Holle-Teich. Die hölzerne Walküre, die zu Ehren der Märchen- und Sagengestalt im Schilf aufgestellt wurde, hat ihr Kissen sinken lassen. Ob der Schneemangel Frau Holles Antwort auf die Unvernunft der Menschen ist?

Infos zu Hessen

Hessen

Anreise

Mit der Bahn nach Bad Sooden-Allendorf oder Eschwege, www.bahn.de . Von dort fährt ein Bus (290) auf den Hohen Meißner.
Per Auto von Süden auf der A 4 bis Abfahrt Bad Hersfeld (N 32), weiter über die B 27.

Unterkunft

Direkt an den Wanderwegen und mit einem schönen Blick in die Natur liegt das Naturfreundehaus Meißnerhaus. Es bietet Einzel-, Doppel- und Mehrbettzimmer, Übernachtung mit Frühstück pro Person für 32 Euro, www.meissnerhaus.de
Gasthaus Schindewolf, familiärer Landgasthof in Frankershausen am Fuße des Hohen Meißners. Einfache Gastzimmer EZ/DZ ab 34/68 Euro, Naturparkküche mit Produkten aus der Region, www.gasthaus-schindewolf.de
Landhotel Meißnerhof in Germerode am Fuße des Hohen Meißners, mit hervorragender Mohn- und Naturparkküche. DZ ab 66 Euro, www.meissnerhof.de
Romantikhotel Berggasthof Ahrenberg bei Bad Sooden-Allendorf. Schöne Lage am Berg mit Blick ins Werratal und Wanderwegen vor der Haustür. Neuer Spa-Bereich, Zimmer in modernem Landhausstil, feine Naturpark- und internationale Küche. DZ 89 bis 115 Euro, www.hotel-ahrenberg.de

Sehenswert - Ausflüge

Führungen mit Naturparkführern zu verschiedenen Themen wie Märchen, Flora und Fauna, Bergbaugeschichte, im Winter auch „Spurensuche im Schnee“ oder eine Fackelwanderung mit Märchen und Verköstigung am Bollerofen in der Viehhaushütte. Infos unter www.naturpark-mkw.de/Veranstaltungen
Wanderungen auf den gut ausgeschilderten Rundwanderwegen, auf Etappen des Grimmsteigs oder auf dem Premiumweg P 1, der auf 13 Kilometern zu den Höhepunkten des Hohen Meißners führt.

Allgemeine Informationen

Das Schneetelefon gibt Auskünfte zur aktuellen Lage auf dem Hohen Meißner, Tel. 0 56 02 / 93 56 17. Infos zu Wanderpauschalen findet man unter www.urlaub-werratal.de
Eine Schnupperpauschale zum Eisskulpturen-Schnitzen bietet Björn Sippel vom Berggasthof Meissner an, www.eisdesign.de , Tel. 0 56 57 / 234.
Wanderkarten und die Broschüre „Geheimnisvolle Frau Holle“ gibt es beim Naturpark Meissner-Kaufunger Wald, Servicetelefon 0 56 51 / 95 21 25, www.naturpark-mkw.de

Infos zu märchenhaften Orten in Nordhessen und den passenden touristischen Angeboten gibt es unter www.grimmheimat.de