Die deutschen Handballer Hendrik Pekeler (li.) und Patrick Wiencek (re.) schonen in der Abwehr weder sich noch den Gegner. Foto: AFP

Das deutsche Abwehr-Duo Hendrik Pekeler/Patrick Wiencek ist beim deutschen Handball-Team der Erfolgsgarant schlechthin. Nun wartet bei der Handball-WM aber eine ganz besonders schwere Aufgabe auf die beiden Kieler.

Köln - Was war für das 24:19 gegen Island entscheidend? „Unsere Wahnsinns-Abwehr.“ Was wird im Spiel gegen Kroatien entscheidend sein? „Dass unsere Wahnsinns-Abwehr wieder genauso zupackt.“ Die Antworten unmittelbar nach Spielen sind bisweilen mit Vorsicht zu genießen. Wenn aber alle aus einer Mannschaft zumindest sinngemäß genau das Gleiche erzählen, dann kann das kein Zufall. Selbst wenn der Schweiß noch von der Stirn tropft und der Atem noch rast.

Die Abwehr also ist es, mit der Deutschland bei dieser Handball-WM beeindruckt. Vor der Schlüsselpartie um den Einzug ins WM-Halbfinale an diesem Montag (20.30 Uhr/ZDF) gegen Kroatien hat das Team in sechs Spielen erst 129 Gegentore bekommen, im Schnitt sind das mit 21,5 pro Spiel die wenigsten nach Dänemark. „Die Abwehr hat in allen Spielen von der ersten Sekunde an funktioniert“, sagt Teammanager Oliver Roggisch, selbst als Defensivstratege am WM-Triumph 2007 beteiligt.

Bei jedem Triumph gibt es einen starken Innenblock

Das Herzstück einer Deckung ist der Innenblock. Es gehört zur Tradition, dass Deutschland immer dann große Erfolge feierte, wenn starke Abwehrkräfte wirkten. Heiner Brand beim Titelgewinn 1978, Klaus-Dieter Petersen beim EM-Triumph 2004, Roggisch beim Wintermärchen 2007, Finn Lemke beim EM-Gewinn 2016. Der 2,10-Meter-Riese ist bei der laufenden WM auch mit von der Partie, doch er spielt bisher nicht die Hauptrolle im Deckungskonzept. Was daran liegt, dass zwei andere eine überragende Vorstellung abliefern.

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Patrick Wiencek und Hendrik Pekeler verdienen beide ihr Geld beim THW Kiel und sind deshalb glänzend aufeinander abgestimmt. Beide haben enorme Nehmerqualitäten. Nach der Abwehrschlacht gegen Island stand Wiencek die Schwerstarbeit ins Gesicht geschrieben. Das Blut an seiner Lippe war zwar inzwischen geronnen, doch im rechten Mundwinkel klaffte ein zwei Zentimeter großer Cut. „Nichts Bedeutendes“, fand er. Ruhig, geradeheraus, bescheiden – so ist Wiencek. Und manchmal überrascht er sogar mit knochentrockenen Antworten.

Auf die Frage, ob die Abwehr perfekt sei, erwiderte er: „Dann würden die Spiele ja 0:0 ausgehen.“ Bam Bam wird er gerufen. In Anlehnung an den kräftigen Jungen aus der Zeichentrickserie „Familie Feuerstein“. Außerhalb des Feldes ist er ein Typ zum Knuddeln. Doch wenn der Anpfiff ertönt, wird aus dem liebenswerten Blondschopf eine Furie, die weder sich noch den Gegner schont. Er wirft sich in jeden Zweikampf, stopft jede Lücke.

Flexible Abwehr der deutschen Mannschaft

Die Angaben zu seinem Gewicht schwanken zwischen 106 und 116 Kilogramm. Doch unabhängig davon, wie viel der 29-Jährige wiegt: Der Zwei-Meter-Mann braucht dieses Kampfgewicht, wenn es darum geht zu zerren, zu klammern – und einfach dahin zu gehen, wo es wehtut.

Pekeler (2,03 Meter, 101 Kilogramm) dagegen ist größer, noch austrainierter, flinker. Wenn der Bundestrainer auf eine 3:2:1-Abwehr umstellt, deckt Pekeler vorgezogen. Mit seinen schnellen Beinen attackiert er die gegnerischen Angreifer oft schon neun oder zehn Meter vor dem Tor. Mal offensiv, mal defensiv in einem 6:0-System – diese Flexibilität zeichnet die deutsche Mannschaft aus. Gegen Island reagierte Prokop mehrmals, stellte das System dreimal um. „Wir sind in der Nationalmannschaft variabler als früher, für den Gegner nicht ausrechenbar“, sagt Pekeler, der nicht nur etwas cooler wirkt als Wiencek, sondern das auch mit einem Ritual belegt: Er steckt sich vor Spielbeginn immer einen Kaugummi in den Mund – und einen Ersatz in den Strumpf.

Kuriose Anekdote zu Hendrik Pekeler

Diese schräge Nummer hat er beibehalten, ansonsten hat er sich von Jahr zu Jahr weiterentwickelt. Sportlich und menschlich. Als Toptalent in Kiel war er einmal nicht zur Abfahrt zu einem Champions-League-Spiel erschienen. Zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte fuhr der THW-Bus vor dem Haus eines Spielers vor. Pekeler schlief, fand nach dem Wecken weder die vorgeschriebenen Klamotten, noch konnte er auf die Schnelle seine Sporttasche packen. Der Flieger in Hamburg hob dennoch mit ihm ab, jedoch saß er in Jeans und T-Shirt da, alle Mitspieler im Anzug. Als 19-Jähriger verließ er Kiel, über den TBV Lemgo und die Rhein-Neckar Löwen kehrte er 2018 zum THW zurück. Der Familienmensch und Vater von zwei kleinen Kindern arbeitet längst hochprofessionell.

Für seinen kongenialen Partner Wiencek war das Schuften dagegen immer schon Usus. Nach der Schulzeit in Duisburg machte er eine Ausbildung zum Anlagemechaniker. Seit 2012 spielt die treue Seele in Kiel. Seit dieser Saison mit Hendrik Pekeler. Die Mischung macht’s bei Bam Bam und Peke. Das kroatische Team soll das an diesem Montag zu spüren bekommen.