Badespaß bis in den Abend: Riesige Glaskuppeln sind über die Becken gespannt, die im Sommer geöffnet werden. Foto: Therme Erding

Warum in die Karibik oder ans Mittelmeer? Die größte Badelandschaft Europas steht im bayerischen Erding. Seit kurzem kann man dort auch in einem Hotelschiff übernachten.

Erding - Dicke Holzscheite unter den Bänken, an den Wänden Schwarz-Weiß-Fotos von Skifahrern und aus den Lautsprechern ertönen Alphorn-Klänge - in der Alpenstadl-Sauna grüßt die Bergwelt. Ein junger Mitarbeiter in Shorts und Muskelshirt kommt herein, in der Hand eine silberne Schale. „Das ist direkt aus dem Kühlschrank, spendet Feuchtigkeit und ist gut gegen Stress“, wirbt er für seine Schönheitsmaske, von der sich jeder eine Handvoll nehmen darf. Angenehm kühl fühlt sich die helle Masse auf der erhitzten Haut an, die kurz zuvor kräftig gepeelt worden war.

Im Aromaticum nämlich, einem Dampfbad, das in der sogenannten römischen Abteilung zu finden ist. Farbige Fresken sollen dort für das entsprechende Badegefühl sorgen. Um ein flaches Becken gruppieren sich Räume mit lateinisch klingendem Namen: Caldarium, Laconium. Auch sie haben nur einen Zweck - den Gast zum Schwitzen zu bringen. Damit nicht genug: Schweiß lassen kann der Besucher auch in der Zitrussauna, im Rosenpavillon und in der Kräuterkammer - um nur einige der insgesamt 30 Saunen zu nennen, die in der Therme Erding zur Auswahl stehen. Außerdem: 26 Rutschen, 31 Wasserbecken, 4000 Liegen und 450 Großpalmen. Mit diesen Zahlen übertrifft die bayerische Badewelt jedes andere Spaßbad in Europa. Und wo sonst kann man an einem Tag um die halbe Welt reisen?

Kulinarisch pendelt man zwischen den Kulturen

Verschiedene Urlaubswelten sind nur Katzensprünge voneinander entfernt. Man entspannt in der „Alhambra“, einem Raum, der mit Rundbögen und Ornamenten geschmückt ist, badet unter Südsee-Palmen, diniert im „Palazzo Veneziano“ - sitzt dabei aber nicht in einem Palast, sondern vor einer orange getünchten Wand, die mit hohen Fenstern und schlanken Säulen venezianische Pracht imitiert. Auch kulinarisch pendelt man zwischen den Kulturen: Es gibt - ganz bayerisch - Currywurst und Weißbier, aber auch, typisch Asien, Saté-Spieße mit Basmati-Reis. So kommt jeder auf seine Kosten. Auch ums Wetter, einer der größten Risikofaktoren im Urlaub, braucht sich keiner sorgen. Das Badeparadies ist von riesigen Glaskuppeln bedeckt, so dass darunter das ganze Jahr über tropische Temperaturen herrschen.

Nur im Sommer scheint manchmal die echte Sonne aufs Wasser, denn dann werden die Glasdächer geöffnet. Frischluftfanatiker können dann auch nach draußen. Hauptsache Spaß ist die Devise des Nachwuchses, also bloß keine Sauna. Die Jugend zieht es sofort ins Action-Rutschenparadies. Dort ist die Auswahl überwältigend. Während die Mutter überlegt, auf welcher Bahn mehr Spaß als Angst zu erwarten ist, hat sich der Sohn (15) bereits den Speed Racer hinuntergestürzt: 130 Meter senkrecht nach unten. Um Himmels willen! „Die Magic Eye ist aber ganz harmlos“, meint der junge Mann. Man will ja kein Spielverderber sein, also los zur längsten Röhrenrutsche der Welt: 360 Meter gleitet man auf einem Reifen bergab, zügig, aber in einer für Mütter erträglichen Geschwindigkeit. Draußen locken seit kurzem acht neue Rutschen. Immer wieder neue Attraktionen zu schaffen - das ist sicher ein Grund, dass die Therme nicht nur zur größten Europas, sondern wohl auch zu einer der erfolgreichsten avancierte. Viele Gäste glauben, dass das Bad, wie in vielen Gemeinden üblich, von der Kommune betrieben wird. Irrtum. Die Spaßbad ist in Privatbesitz, es gehört der Familie Wund. Vater Josef Wund und sein Sohn Jörg sind renommierte Architekten aus Friedrichshafen. Sie haben diese Wasserwelt erschaffen und sich inzwischen mit Bau und Betrieb von Spaßbädern einen Namen gemacht. Nach Erding folgten Bad Wörishofen, Sinsheim, Titisee-Neustadt. Und im Herbst Euskirchen.

„Es war Learning by Doing“

Als Josef Wund Mitte der 90er Jahre zum ersten Mal den Acker in Erding besichtigte, hatte er die Vision, hier ein Thermalbad im Stil der Südsee zu errichten. Auflage der Stadt: Die Wunds sollten nicht nur Bauherr, sondern auch Betreiber sein. Obwohl sie von der Führung eines Bades keine Ahnung hatten, akzeptierten sie. „Es war Learning by Doing“ beschreibt Sohn Jörg Wund die schwierige Anfangsphase nach der Eröffnung am 3. Oktober 1999. Schon am zweiten Wochenende war der Ansturm so groß, dass die Schlüssel für die Umkleideschränke nicht ausreichten.

„Nach sechs Wochen haben wir bereits zwei Saunen angebaut“, erzählt Jörg Wund. Die erste von vielen Erweiterungen. 210 Millionen Euro investierten die Wunds im Lauf der Jahre in ihr Projekt. Dass sie sowohl Architekt, Investor als auch Betreiber sind, darin liegt für Wund ein Schlüssel zum Erfolg. „Wir können alles in kurzer Zeit planen. Wir fragen die Gäste, was sie sich wünschen, und versuchen es umzusetzen“, erläutert Jörg Wund, der auch als Geschäftsführer fungiert. So wurde die Zahl der Aufgüsse erhöht, niedrige Liegen durch höhere setzt und vieles andere verbessert. Jedes Jahr kommen mehr Besucher, 4000 Tagesgäste sind es im Schnitt, an Spitzentagen bis zu 11 000. Das Bad profitiert dabei vom Trend zum Kurzurlaub in künstlichen Welten.

„In kurzer Zeit effizient viel Spaß erleben, das macht den Reiz aus“, so Jürgen Kagelmann, Dozent für Gesundheit und Wellness an der Dualen Hochschule Ravensburg. Die Bedingungen seien sicher, und es gebe kein Gesundheitsrisiko. „Der Besucher kann sich darauf verlassen, dass er bekommt, was er erwartet“, weiß Freizeitexperte Kagelmann. Da passt es, dass man in Erding nun auch übernachten kann, passenderweise in einem Hotelschiff namens „Victory“, benannt nach dem legendären Segelschiff von Admiral Nelson.

Die Hotelzimmer sind im Stil von Yachtkabinen gestaltet, mit dunklem Mahagoni-Holz, Marmor und bugförmigen Balkons. Andere ähneln mit der hellen Holzverkleidung Kajüten auf Segelschiffen. Netter Gag: Kinder schlafen nicht in Betten, sondern in Jollen. Der Blick aufs Wasser ist quasi inklusive: Die „Victory“ liegt direkt am gleichzeitig erbauten „Wellenparadies“ vor Anker - aus einigen Fenstern schauen die Gäste auf ein von Palmen gesäumtes Wasserbecken, in dem sich die Wellen an der Fliesenwand brechen.

Infos zu Erding

Anreise
Erding liegt etwa 30 km nordöstlich von München. Parkmöglichkeiten sind vorhanden. Mit der Bahn über München Hbf., dann S-Bahn: www.bahn.de

Die Therme
Adresse: Thermenallee 1-5, 85435 Erding, Telefon 0 81 22 / 55 00. Öffnungszeiten: Montag bis Freitag, 10 bis 23 Uhr, Samstag und Sonntag (sowie an bayerischen Ferientagen), 9 bis 23 Uhr.

Eintritt: Tagesticket 36 Euro (Therme, Rutschen, Wellenbad und Vitaltherme) plus sechs Euro für den Zugang zu den Saunen. Es ist auch möglich, nur die Therme, Rutschen und das Wellenbad getrennt zu besuchen. www.therme-erding.de

Unterkunft
Das Hotel Victory verfügt über 102 Kabinen, die Raum für bis zu acht Personen bieten. Im Stil eines venezianischen Palazzo gibt es 26 Zimmer. Ein Teil der Zimmer hat direkten Blick auf das Wellenbad. Das Hotel verfügt über zwei Restaurants. Im Übernachtungspreis ist ein Tagesticket in die Therme, Frühstück sowie freies WLAN enthalten, DZ ab 220 Euro. www.victory-hotel.de

Was Sie tun und lassen sollten
Auf jeden Fall die Abendstunden in der Therme nutzen. Schon ab 19 Uhr wird es deutlich ruhiger, und es gibt, etwa bei den Rutschen, kaum noch Wartezeiten. Wer gerne das Fenster im Hotel öffnet und Klimaanlagen nicht mag, sollte auf keinen Fall ein Zimmer zum Wellenbad wählen, sondern eines zur Außenseite. Dort lassen sich die Fenster öffnen.

Weitere Wasserparks
Tropical Island: ein riesiger, überdachter Freizeitpark in Brandenburg, etwa 60 Kilometer südlich von Berlin. Mit Sauna-Landschaft, Rutschen, Wasserwelten und einem Kinderbereich, für Übernachtungsgäste rund um die Uhr geöffnet. Tagesticket: 36 Euro. www.tropical-island.de

Center Parc: Ein vielfältiger Wasserpark und eine Einkaufsstraße mit Restaurants sind Kern jedes Center Parc. Diese Angebote stehen aber nur den Übernachtungsgästen offen. In Deutschland gibt es fünf solche Anlagen, u. a. in der Lüneburger Heide, in der Eifel und an der Nordsee. Übernachtet wird meist in kleinen Bungalows. www.centerparcs.de