Zum Festspielstart werden 500 der bunten Wagner-Figuren des Künstlers Ottmar Hörl überall in Bayreuth platziert. Foto: dpa

„Weltstadt auf Zeit“ wird Bayreuth genannt, weil sich nur zur Festspielzeit Prominenz und hohe Kunst ein Stelldichein geben.

Bayreuth - Ronny Schuster ist dieser Tage der meistfotografierte Bürger von Bayreuth. Mit Seidenbarett, Samtjacke und Krawattenschleife ausstaffiert, mit einem schmalen Bart unterm Kinn, hoher Stirn und markanter Nase nimmt man dem Schauspieler und Stadtführer die Richard-Wagner-Rolle, die er tagtäglich spielt, auf Anhieb ab. „Eine gewisse Ähnlichkeit besteht“, sagt der gebürtige Dresdner lakonisch. Ronny lebt seit zehn Jahren in Bayreuth.

Als Statist in der Wagner-Oper „Die Meistersinger von Nürnberg“ infizierte er sich mit dem Wagner-Virus und merkte schnell, dass er eine Marktlücke entdeckt hatte. „Es gab nichts Derartiges“, sagt der Mime und meint damit einen Wagner zum Anfassen, der vielleicht nicht die intellektuellen Wagnerianer erfreut, aber viele Besucher der Stadt, die an Launigem und Menschlichem aus dem Leben des berühmten Komponisten interessiert sind. Inzwischen hat sich Ronny den Wagner-Bart unterm Kinn wachsen lassen. Zu häufig wird er gebucht im Jubiläumsjahr, das weit über den 200. Geburtstag Richard Wagners am 22. Mai hinausreicht und mit Konzerten, Theateraufführungen, Ausstellungen und Vorträgen begangen wird. Und natürlich mit den vierwöchigen Festspielen.

Zu denen kommen aber vor allem Opern-Spezialisten, die am Kunstgenuss auf dem Grünen Hügel und nicht so sehr am Städtchen Bayreuth interessiert sind. Diese Gäste reisen an, sitzen stundenlang in den Aufführungen, fahren in ihr Hotel und reisen wieder ab. Das soll sich ändern, wünschen sich die Bayreuther. Mit einem „Walk of Wagner“ zum Beispiel, einem Weg durch die Stadt, der alle bedeutsamen Orte des Meisters zwischen Wohnhaus und Festspielhaus mit einer Markierung und Texttafeln verbindet. Damit der Komponisten-Weg auch für Bürger und Stammgäste interessant bleibt, wechseln die Themen der Tafeln jährlich.

Viele Geistesgrößen hinterließen Spuren

Durch derartige Aktionen will die Stadt ihre Wagner-Saison über die Festspiele hinaus verlängern und auch den Wagner-Freunden ohne Eintrittskarten etwas bieten. Dabei müssen die gar nicht darben. Schließlich tummelten sich vor dem Komponisten bereits Geistesgrößen in der Residenz und hinterließen Spuren: Jean Paul etwa, einst Deutschlands meistgelesener Dichter, dessen 250. Geburtstag in diesem Jahr ein Kulturangebot, ein Museum sowie einen literarischen Wanderweg beschert. Und allen voran Wilhelmine von Preußen. Beim Bummeln zwischen barocken Häuserzeilen begegnen dem Besucher überall die Vermächtnisse der Schwester Friedrichs des Großen. Die gebildete preußische Prinzessin war auf ein Leben in London als Königin vorbereitet worden, aber ihr tyrannischer Vater machte sie zur Ehefrau des Markgrafen Friedrich von Brandenburg-Bayreuth. Die herbe Enttäuschung nach ihrer Ankunft in der Provinz wich einem unglaublichen Tatendrang.

So baute Wilhelmine im Barock- und Rokokostil Schlösser und Gartenanlagen, verwirklichte in nur vier Jahren eines der schönsten Opernhäuser Europas und machte aus dem kleinen Bayreuth einen Ort der weltläufigen Kunst und Kultur. Mit diesen Pfründen wuchert die Stadt heute noch, und das im vergangenen Jahr zum Unesco-Kulturerbe ernannte Markgräfliche Opernhaus lockte auch Richard Wagner im Alter von 59 Jahren nach Bayreuth.

Obwohl das Barock-Juwel letztendlich nicht zu seinen Plänen passte, blieb er und baute hier sein erstes Wohnhaus und - wie einst die Markgräfin - ein einmaliges Opernhaus. Die Abgeschiedenheit Bayreuths und die schöne Umgebung gefielen dem Naturfreund Wagner, zumal sich Bürgermeister, Stadträte und Bankiers um ihn bemühten und ihm die besten Grundstücke anboten. 1872 zog Richard Wagner mit Ehefrau Cosima, fünf Kindern und Hund Rus aus dem Exil in der Schweiz nach Oberfranken. Die erste Unterkunft lag etwas außerhalb der Stadt und lohnt noch heute einen Besuch. Bei Donndorf hatte der Markgraf ein Lustschloss im italienischen Stil errichten lassen, das zu Wagners Zeiten vom Herzog von Württemberg bewohnt wurde.

Das Zimmer von Wagner kann gemietet werden

Am Rande des weitläufigen Parks residierte Familie Wagner im Hotel Fantaisie ein halbes Jahr lang und fühlte sich so glücklich wie in der Sommerfrische. Wer in Wagners Bett nächtigen möchte, kann das Wagner-Zimmer des Hotels mieten und dort in den Möbeln von 1872 wohnen. Auch vom Balkon fällt der Blick wie vor mehr als hundert Jahren auf den Kirchturm von Eckersdorf, und im Park erklingt das schönste „Vogelgeplauder“, das Wagner so rührte und zum Komponieren anregte. Dem leidenschaftlichen Wanderer kommt nur näher, wer viel umherspaziert und nicht nur auf harten Theaterklappstühlen verharrt. Die vielbeschrittenen Wege des Meisters führen zum Beispiel von der ersten Bayreuther Wohnung in der Dammallee zur Baustelle des Wohnhauses, vorbei an der Piano- und Flügel-Fabrik Steingräber, wo heute noch ein Klavier Wagners steht.

Über den Residenzplatz am Neuen Schloss vorbei bog Wagner in den Hofgarten zum hinteren Eingang seines Anwesens ab, um die Fortschritte der Bauarbeiten zu inspizieren. Hier finden seine Anhänger heute sein Grab mit der efeuumrankten Granitplatte ohne Inschrift. Weiter kommen die Besucher nicht. Der Rest des Hauses ist von hohen Bauzäunen umgeben. Dass hier im Jubiläumsjahr gebuddelt wird, ist für manche ein schweres Ärgernis, für andere erfreulich, denn das Wagner-Museum wird renoviert und modernisiert. Doch während der Festspielzeit, in der alle Baustellen der Stadt kurzzeitig verschwinden, ist auch Haus Wahnfried geöffnet und zeigt die Sonder-Ausstellung „Götterdämmerung“.

Wer es bodenständiger mag, schlendert auf Wagners Spuren zum Alten Rathaus in der Maximilianstraße, wo der Bauherr häufig vorsprach. Wagner genoss es, Bayreuther Bürger zu sein, endlich zu den Honoratioren zu gehören und nach Jahrzehnten auf der Flucht vor der Polizei und vor Gläubigern sesshaft zu werden. Seine gesellige und leutselige Seite ist vielfach belegt. Eines seiner oft besuchten Wirtshäuser, die Eule, liegt in der Kirchgasse. Auf dem Tresen soll Wagner nach ausgiebigem Biergenuss einen Kopfstand gemacht haben. Hier zeigt auch Ronny seinen Gästen den lauschigen Innenhof und die Räume der Künstlerkneipe mit vielen Fotos von Kammersängern und Heldentenören. Dann führt er sie noch auf den Turm der Schlosskirche. Von oben breitet sich die Stadt hübsch zwischen Wagners und Wilhelmines Glanzleistungen aus - dem Markgräflichen Opernhaus und dem Festspielhaus, zwei Wahrzeichen von Weltrang.

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Infos zu Bayreuth

Unterkunft
Hotel Fantaisie, Bamberger Straße 5, 95488 Donndorf, Tel. 09 21 / 75 86 44 80, www.fantaisie.de ;

Wohnort der Wagners von April bis August 1872, Zimmer mit Original-Wagner-Mobiliar, DZ 90 Euro. Hotel Goldener Anker im Zentrum der Stadt, DZ ab 168 Euro. Opernstraße 6, 95444 Bayreuth, Tel. 09 21 / 78 77 74 0, www.anker-bayreuth.de.

Ramada Hotel Residenzschloss Bayreuth Hof, Erlanger Str.37, 95444 Bayreuth, Tel. 09 21 / 75 85 0, www.ramada.de ; DZ ca. 95 Euro.

Essen und Trinken
Waldhütte: 95448 Eckersdorf, Ortsteil Neustädtlein. Biergarten mitten im Wald.

Schlossgaststätte Eremitage: Eremitagestraße 6, 95448 Bayreuth, Tel. 09 21 / 79 99 70, www.eremitage-bayreuth.de ,

Restaurant, Biergarten und Café im Park des Lustschlosses der Markgräfin. Restaurant Schloss Neudrossenfeld, Schlossplatz 2, 95512 Neudrossenfeld, Tel. 0 92 03 / 6 83 68, www.schloss-neudrossenfeld.de .

Rund 10 Kilometer außerhalb von Bayreuth. Die exzellente Küche und das stimmungsvolle Ambiente lohnen den Weg. Restaurant Eule, Kirchgasse 8, 95444 Bayreuth, Tel. 09 21 / 95 80 27 95, regionale, deftige Küche. www.eule-bayreuth.de /.

Allgemeine Infos
Alle Veranstaltungen zum Wagner-Jubiläum sind unter www.wagnerstadt.de zu finden. Führungen mit Ronny Schuster über die Tourist Information Bayreuth, www.bayreuth-tourismus.de oder unter www.richard-wagner-bayreuth.de.

Auskünfte zum Richard-Wagner-Museum unter www.wagnermuseum.de.

Tourist-Information Bayreuth, Opernstr. 22, 95444 Bayreuth, Tel. 09 21 / 8 85 88, www.bayreuth-tourismus.de.

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