Der Monte Kaolino in der Oberpfalz ist ein Abfallprodukt der Porzellanindustrie. Auf dem weißen Sandberg Ski zu fahren, kostet ziemlich Kraft. In gemächlicher Schussfahrt mit ein paar Pflügen kommt man ganz gut runter. Foto: Albers

Ski fahren im Sommer, ohne Schnee und abseits der Berge - das geht auf dem Monte Kaolino, dem einzigen Sandskiberg der Welt.

Erlangen - Das ist eine sattrote Piste, mindestens. Gefühlt tendieren die 35 Grad Hangneigung eher Richtung Schwierigkeitsgrad Schwarz. Am Gipfel pfeift der Wind, ohne Abflachung kippt der Hang in die Tiefe. Ein Mann steht oben, steigt in die Bindung eines ziemlich ramponierten Paars Ski. Dass er sich auf etwas Besonderes eingelassen hat, bestätigt ihm ein Blick zur Seite. Eine ganze Schar Zuschauer steht da, die Handys zum Fotografieren und Filmen in der ausgestreckten Hand. Der Mann beschließt, es erst mal vorsichtig angehen zu lassen. Schiebt die Ski schräg in den Hang, will langsam losgleiten. Und steckt fest wie angenagelt. Spätestens jetzt weiß er: Das wird ein Kampf den Hang hinunter. Er guckt nach oben zurück. Na klar: Die Meute ist an die Kante vorgerückt und guckt gespannt zu ihm hinunter.

Ist ja auch was Besonderes: Es ist mitten im Hochsommer, der Skihügel ist gerade mal 110 Meter hoch, und der weiße Stoff unter den Ski knirscht - wie das bei Sand nun einmal der Fall ist. Ski fahren im Sand? Gibt es für die Exzentriker in den Dünen der Namib-Wüste. Und in der bodenständigen Oberpfalz, wo der einzige Sandskiberg der Welt existiert. Hier hat die Natur riesige Lager von Kaolin unter der Erde gebunkert, ein weißes Gestein, das wichtiger Bestandteil des Porzellans ist, aber auch in der Papierindustrie ein begehrtes Farbpigment ist. Und so baggern sich rund um Hirschau in der Oberpfalz die Amberger Kaolinwerke durch den Untergrund und haben das Abfallprodukt dieser Suche, nämlich Quarzsand, zu einer gigantischen Halde von 35 Millionen Tonnen aufgetürmt - der Weiße Berg, der sich weithin sichtbar über Hirschau aufbaut.

Auch im Sommer auf die Bretter

Zum einen ist diese Halde ein riesiges Rohstofflager - Quarzsand wird vielfach eingesetzt. Aber diese Halde, werbewirksam, jedoch falsch Monte Kaolino genannt, wird auch touristisch genutzt. Typisch für unsere eventsüchtige Zeit, die hier einen neuen Spleen-Sport kreiert hat, könnte man denken. Und liegt damit falsch. Schon in den fünfziger Jahren raunten sich Ski-Enthusiasten aus Nürnberg zu, in der Oberpfalz gebe es einen weißen Berg, an dem man auch im Sommer auf die Bretter steigen könne. Lauter junge Burschen, die sich dann mit Unterstützung von Wolfgang Droßbach, dem damaligen Direktor der Amberger Kaolinwerke, zusammenfanden und den Skiclub Monte Kaolino Hirschau gründeten.

Das war jetzt kein Juxverein, sondern ein ambitionierter Zusammenschluss mit sportlichem Ehrgeiz, der tatsächlich auch viel im winterlichen Weiß trainierte und mit Sponsorenhilfe der Kaolinwerke etliche Leistungssportler an sich band, vor allem im Skilanglauf. Die berühmte Frage „Wo ist Behle?“ lässt sich auch so beantworten: auf der Mitgliederliste des Skiclubs Hirschau. Dort findet sich, was Rang und Namen hat und hatte im nordischen Skisport, so dass der Verein an die 100 nationale und internationale Titel verbuchen kann. Die Urzelle des Vereins aber waren die Sandskifahrer, und gleich von Anfang an demonstrierte man die Möglichkeiten der Halde.

Die Amberger Werke ließen einen Schlepplift und sogar eine 30-Meter-Skisprungschanze an den Berg bauen, und kein Geringerer als der Oberstdorfer Skispringer und Schanzenbauer Heini Klopfer nahm sie ab. Auch so manches Skiass, wie Christa Kinshofer, ist hier schon abgefahren, und Ausrichter für die Sandski-Europameisterschaften sind die Hirschauer auch. Werksdirektor Wolfgang Droßbach initiierte auch die weitere touristische Entwicklung am Monte Kaolino. Er schenkte der Stadt das Gelände für einen Campingplatz und förderte den Bau eines Schwimmbades. Daraus ist heute ein großer Freizeitkomplex geworden, mit weiteren Angeboten wie Hochseilpark oder Bobbahn. Es ist entsprechend viel los am Monte Kaolino - aber wer seine Skistiefel zum Lift schleppt, muss dort keine Schlangen befürchten.

Der Lift ist eine Blechwanne am Standseil

Zu steil reckt sich die Piste hoch - das flößt schon mächtig Respekt ein. Man kann mit seiner kompletten eigenen Ausrüstung kommen, aber die Ski lässt man besser zu Hause, wenn man sich nicht den ganzen Belag abschmirgeln will. Dass der Berg Material verschleißt, sieht man beim Blick auf die Leihski: Uralt-Bretter aus der Alpin-Historie, bolzengerade ohne jede Carver-Andeutung, und mit einer Uraltbindung, die nicht aufgeht, damit möglichst kein Sand reinkommt. Deshalb sind die Bretter auch höchstens brusthoch. Und natürlich muss man unterschreiben, dass man auf eigenes Risiko fährt. Der Lift ist eine Blechwanne am Standseil. Wird schon halten, tröstet man sich auf der steilen und ausgesetzten Fahrt. Oben hat man einen schönen Rundblick und ein flaues Gefühl im Bauch, wenn man die Piste hinunterblickt.

„Es ist schon schwerer als im Schnee, Ski fahren sollte man schon können“, haben sie an der Kasse gesagt. Und ein bisschen Mut haben. Wer schräg einfährt, nähert sich in Zeitlupe der Pistenbegrenzung - und fragt sich, wie er die Ski rumbekommen soll. Tatsächlich kostet das ziemlich Kraft. Leichter tut man sich, wenn man in die Schusslinie geht. Schuss geht hier ziemlich gemächlich, und mit ein bisschen Pflügen kommt man ganz gut runter. Beim zweiten Mal geht’s schon besser, beim dritten Mal spürt man bereits die Oberschenkel. Immerhin: Man hat Platz auf der Piste. Und wie sagt einer der Mit-Skifahrer: „So richtig elegant sieht es ja nicht aus.“ Kurzer Erfahrungsaustausch und dann das Fazit: „Ganz nett, aber kein Ersatz für den Schnee!“

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Infos zur Oberpfalz

Anreise
A 9 Richtung Berlin bis Ausfahrt Hersbruck, weiter auf der B 14 bis Hirschau.

Unterkunft
Zentral gelegen im Zentrum: Schloss-Hotel, Hauptstr. 1, 92242 Hirschau, Tel. 0 96 22 / 70 10 - 0, www.schloss-hirschau.de , DZ 85 bis 99 Euro.

Wer eine Ferienwohnung bevorzugt, kann sich im Biehlerhof einmieten: Schwand 7, 92272 Freudenberg, Tel. 0 96 27 / 286, www.biehlerhof.de , Ferienwohnungen ab 50 Euro/Tag.

Am Monte Kaolino gibt es auch einen Campingplatz: www.montekaolino.eu .

Skifahren am Monte Kaolino
Der Lift ist in den bayerischen Schulferien und am Wochenende von 10 bis 19 Uhr geöffnet, sonst von 14 bis 18 Uhr. Eine Vierstundenkarte samt Skiverleih kostet 35 Euro, eine Einstundenkarte samt Skiverleih 25 Euro. Infos unter: www.montekaolino.eu .