Musik gibt Hoffnung! Ein Ensemble aus Niedersachsen tritt während des Deutschen Chorfestes in einem Flüchtlingsheim auf. Vor allem die kleinen Bewohner schauen gebannt zu.

Stuttgart - Eigentlich sollte es ein Open-Air-Konzert werden. Doch der Platzregen machte den Plan kurzfristig zunichte. So versammelten sich die Flüchtlinge und der Chor „Kiliano“ in der Botnanger Furtwänglerstraße am Freitagnachmittag im Gemeinderaum der Unterkunft. Im März war die Anfrage vom Deutschen Chorverband gekommen, ob man einen Chor empfangen wolle. „Wir haben dann spontan zugesagt“ so Heimleiter Gieseler.

Das soziale Singen ist dem Chor gerade recht genommen

Auch für den Chor „Kiliano“ aus dem Wendland in Niedersachsen kam die Möglichkeit wie gerufen, in der Chorfest-Kategorie „Singen in sozialen Einrichtungen“ dabei zu sein. „Bei den Wettbewerben wollten wir nicht mitmachen“, erklärte Chorleiterin Lore Schätzlein. Denn das Ensemble, 1999 als Kinderchor im Wendland gegründet, nehme in diesem Jahr zum ersten Mal am Deutschen Chorfest teil. Das soziale Singen hingegen sei ihnen gerade recht gekommen. „Wir haben im Wendland schon in einer Unterkunft gesungen“, sagte Lore Schätzlein. Dort sei man ohnehin in der ehrenamtlichen Initiative „Zuflucht Wendland“ engagiert. Mittlerweile sei „Kiliano“ ein Generationenchor mit mehr als 50 Mitgliedern zwischen elf und 66 Jahren.

Die Chorfest-Delegation des Ensembles stellte sich pünktlich um 15 Uhr in zwei Reihen auf. „Wir sind der Chor ‚Kiliano‘ aus dem Wendland“, stellte sich Schätzlein vor. Ein Chormitglied übersetzte ins Englische, und eine Arabisch-Übersetzerin in die Sprache der Flüchtlinge, von denen die meisten aus Syrien und Afghanistan stammen. Neugierig schauten junge Männer in Trainingsanzügen ins voll besetzte Zimmer, ein Junge schlich sich in den Raum und ergatterte einen der letzten Plätze. Kaum angekommen, stimmten die „Kiliano“-Sänger sofort einen afrikanischen Kanon an. Grüne, orangene und blaue T-Shirts trugen sie, wippten im Takt und gingen in die Knie. Lore Schätzlein dirigierte und bewegte sich fließend auf dem beigen Linoleumboden hin und her.

„Du schreibst Geschichte mit jedem Wort“

Nach und nach traten Chormitglieder hervor, kündigten die jeweiligen Lieder an und sagten ein paar Worte dazu, manchmal auf Deutsch, manchmal auf Englisch. Nach zwanzig Minuten kam eine Blockflöte mit ins Spiel, dann eine Gitarre. Die melodischen, sanften Kanons entwickelten sich nach und nach zu kraftvollen Hymnen. Ein Lied aus ihrer wendländischen Heimat hatte „Kiliano“ auch mitgebracht: „Du schreibst Geschichte mit jedem Wort“ und „Du lebst länger als Dein Leben lang, Du bist das womit alles begann“ heißt es da.

Dazu lösten sich einige Mitglieder aus der Formation, führten einen Tanz im Vordergrund auf, während die hinten postierten Männer kräftig und rhythmisch mit den Füßen auf den Boden stampften und den Refrain mit der Luftgitarre begleiteten. Die kleinen Flüchtlingskinder in der vordersten Reihe schauten gebannt auf die Darbietung der deutschen Musiker, manche bewegten sich intuitiv mit.

Nach einer guten halben Stunde war alles vorbei, und tosender Applaus brandete auf. Man sei froh, dass man hier auftreten durfte, sagte Lore Schätzlein zum Abschied. „Thank you!“ riefen Einzelne spontan aus den Reihen.