Anne Webers Roman „Annette – ein Heldinnenepos“ wurde ausgezeichnet. Foto: dpa/Helmut Fricke

Anne Weber bekommt den Deutschen Buchpreis: Mit dieser Entscheidung hat niemand gerechnet – am wenigsten die Autorin selbst.

Frankfurt/Main - Solche Geschichten schreibt das Leben - und der Mutwille einer Jury. Hand aufs Herz, damit, dass Anne Weberfür ihr Heldinnenepos „Annette“ den Deutschen Buchpreis gewinnen würde, hätte niemand ernsthaft gerechnet. Und wenn die Lust am Coup und am Unberechenbaren nicht eine so sympathische Autorin und ein ebenso kühnes wie wahrhaftiges Buch getroffen hätte, gäbe es durchaus Grund, Naheliegenderem nachzutrauern. Zum Beispiel Thomas Hettches abgründigem Volksbuch „Herzfaden“, das die Geschichte der Augsburger Puppenkiste als ein schwereloses Stück bundesdeutscher Mentalitätserkundung erzählt. Bereits zum dritten Mal konnte der Autor sich Hoffnungen machen. Wieder vergeblich, vielleicht auch deshalb, weil er bereits zu sehr wie der sichere Sieger aussah.

Offensichtlich stellte die Jury sich lieber auf die Seite derer, die sich auf verlorenem Posten gegen eine drückende Übermacht behaupten, und dagegen lässt sich kaum etwas einwenden. So ist in diesem Jahr der beste Roman etwas, was ihm gattungsgeschichtlich eigentlich um Jahrhunderte voraus ging: ein Epos, das in Versen die Taten der 1923 geborenen Anne Beaumanoirs besingt – die Geschichte eines bretonischen Fischermädchens, das zur Kommunistin wird, als Résistancekämpferin gegen die deutschen Besatzer kämpft, und sich später in der algerischen Unabhängigkeitsbewegung gegen Frankreich wendet.

Anrührende Dankesrede

Mit der Wahl Webers hat diese unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindende Kür im Epos-gemäßen Kaisersaal des Frankfurter Römers einen dem ungewöhnlichen Rahmen entsprechenden ungewöhnlichen Ausgang genommen. Und man bekam per Liveübertragung eine der vielleicht anrührendsten Dankesreden in der Geschichte des Preises zu hören.

Denn vorbereitet hatte Anne Weber nur eine Trostrede an sich selbst für eine wohl auch von ihr für wahrscheinlicher gehaltene andere Entscheidung. Und so improvisierte sie einen Dank an ihre Heldin, erinnerte daran, wie sie zwei jüdischen Jugendlichen das Leben gerettet hatte und damit deren deportierten Eltern noch einen letzten, einzigen Trost erweisen konnte. Nein, es gibt keinen Grund mit der Wahl zu hadern – überraschend ist sie doch.