Kein Dank für die Jury: Tonio Schachinger Foto: dpa/Arne Dedert

Der österreichische Autor Tonio Schachinger hat zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse für seinen Roman „Echtzeitalter“ den Deutschen Buchpreis erhalten und auf bemerkenswerte Weise entgegengenommen.

Der Deutsche Buchpreis könnte bald eine Nebenpreis für die seltsamste Dankesrede ausloben. Der Österreicher Tonio Schachinger jedenfalls hat sich bei der Jury, die gerade seinen Roman „Echtzeitalter“ mit dem Prädikat Roman des Jahres versehen hat, ausdrücklich nicht bedankt. Schließlich habe sie ja nur das getan, wozu sie da sei. Worin man natürlich eine außerordentliche Ungezogenheit erkennen könnte, wenn man nicht wüsste wie stilsicher der 31-jährige Autor in seinem eigenwilligen Erziehungsroman zu Werke geht.

 

„Echtzeitalter“ handelt von einer Jugend in einem Wiener Eliteinternat, zwischen Dünkel, Wohlstandsverwahrlosung und Ausgeburten einer rabenschwarzen Pädagogik, vor der sich der Protagonist in die virtuellen Welten einer Gamer-Karriere flüchtet. Statt Thomas Mann und Adalbert Stifter „Age of Empires 2“.

Beinahe könnte man meinen, es mit einer ähnlichen Kluft zu tun zu haben, wenn man von hier auf die Themen der anderen Shortlist-Kandidaten blickt: die unterschwellige Gewaltgeschichte der DDR in Anne Rabes „Die Möglichkeit von Glück“, Terézia Moras Studie einer selbstzerstörischen Liebe „Muna“ oder Necati Öziris wütend-zärtliche Abrechnung mit dem abwesenden Erzeuger in „Vatermal“ – alles Romane, bei denen man sich nicht gewundert hätte, wenn die Vorsteherin des Börsenvereins Karin Schmidt-Friderichs ihren Titel aus dem Umschlag gezogen hätte.

Aber der Eindruck täuscht. Weder ist „Echtzeitalter“ eine leichtfertige Pennälerschwarte, noch ist die erstaunliche Dankesverweigerung ein Affront. Was nämlich diesen Roman zu etwas besonderem macht, ist die präzise sprachliche Arbeit, die aus dem Halbwüchsigentreiben ein reifes Sittenbild des zeitgenössischen Österreichs in durchaus universaler Bedeutung macht. Und eben dieses feine Sensorium ist es wohl auch, das sich der Hohlheit von Konventionen und Floskeln verweigert. Wie wenig Schachinger an gefälligen Gesten liegt, spricht auch aus seinem Ringen, die Ereignisse im Nahen Osten als das eigentlich und einzig wichtige in diesen Tagen zwar zu benennen, aber gleichzeitig einzuräumen, wie wohlfeil es sei, „wenn so ein kleiner, lächerlicher Autor wie ich jetzt auch etwas dazu sagt.“ Ein Ausdrucksnotstand kann sprechender sein als jedes Lippenbekenntnis.