Mahnwache für Deniz Yücel im hessischen Flörsheim Foto: dpa

Lange Zeit verweigerte die Türkei deutschen Diplomaten Besuche bei Deniz Yücel im Gefängnis. Das gilt nicht mehr, erstmals konnte nun Botschafter Erdmann den Journalisten besuchen. Eine Freilassung des „Welt“-Korrespondenten steht aber weiter in den Sternen.

Istanbul - Leicht hatte es Martin Erdmann noch nie auf seinem Posten in Ankara. Als der frühere Pressesprecher des Auswärtigen Amtes und ehemalige deutsche Nato-Botschafter im Sommer 2015 sein Amt als diplomatischer Vertreter Berlins in der türkischen Hauptstadt antrat, erreichte die Welle von Flüchtlingen über die Türkei nach Europa gerade ihren Höhepunkt. Wenig später brach der Streit um die Böhmermann-Satire und den Armenier-Beschluss des Bundestages los. Auch beim Krach um Auftrittsverbote für türkische Politiker in Deutschland im Frühjahr musste Erdmann türkische Beschwerden über sich ergehen lassen. Am Dienstag stand der Diplomat erneut im Zentrum einer Kontroverse: Er traf den inhaftierten deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel.

Erdmanns Gespräch mit dem „Welt“-Reporter im Gefängnis von Silivri außerhalb von Istanbul sollte verdeutlichen, wie sehr der Fall der Bundesregierung am Herzen liegt: Normalerweise ist die konsularische Betreuung von inhaftierten Bundesbürgern keine Chefsache für die deutsche Botschaft. Bei Yücel ist das anders. Erst kürzlich hatte Erdmann in unserer Zeitung in undiplomatischer Klarheit den Umgang der Türkei mit dem Korrespondenten kritisiert. „Es ist nicht klar, was Deniz Yücel überhaupt vorgeworfen wird – bis heute“, sagte Erdmann.

Die Türkei betone stets, dass auch unter dem Ausnahmezustand seit dem Putschversuch des vergangenen Jahres die Regeln rechtsstaatlicher Verfahren eingehalten würden, merkte der Botschafter an. „Umso mehr gibt es aus unserer Sicht keinen Grund, Deniz Yücel festzuhalten. Er muss freigelassen werden. Ohne Wenn und Aber.“

Wunsch nach verbesserten Haftbedingungen

Dass dies wahrscheinlich ein frommer Wunsch bleiben wird, dürfte auch dem erfahrenen Diplomaten Erdmann klar sein. Der 62-jährige sammelte in seinen Jahren im Auswärtigen Amt und bei der Nato in Brüssel genügend Krisenerfahrung, um die Position der türkischen Regierung illusionslos einschätzen zu können.

Außenminister Sigmar Gabriel bekräftigte am Dienstag, dass man den Journalisten endlich in Freiheit wissen wolle. „Ich bin erleichtert, dass es Deniz Yücel nach eigenem Bekunden gut geht“, erklärte er. „Das ändert nichts daran, dass wir zusammen mit seiner Frau, seiner Zeitung und seinen Kollegen ein zügiges und faires Verfahren einfordern und ihn endlich in Freiheit wissen wollen.“ Daran arbeite die Regierung weiter. Es sei gut, dass der Botschafter sich einen Eindruck von den Haftbedingungen Yücels machen konnte. „Seine Wünsche für verbesserte Bedingungen seiner Haft nehmen wir auf.“

Ein dickes Fell kann Erdmann in Ankara gut gebrauchen. Rund ein halbes Dutzend Mal ist er bereits vom türkischen Außenamt einbestellt worden, um Protestnoten entgegenzunehmen. Außerdem wurde der Botschafter im vergangenen Jahr zwei Monate lang von der türkischen Regierung auf Armeslänge gehalten – als Botschafter eines der wichtigsten EU-Länder erhielt er keine Termine bei Ministerien und Behörden mehr.

Terror-Vorwürfe von Präsident Erdogan

Diese Eiszeit ist inzwischen vorbei, doch ruhig und friedlich dürfte der Alltag für den deutschen Chefdiplomaten in der Türkei so schnell dennoch nicht werden. Auch nach Erdmanns einstündigem Gespräch mit Yücel am Dienstag in Silivri gab es keine Anzeichen für dessen baldige Entlassung. Dem Korrespondenten gehe es gut, nicht zuletzt wegen der Unterstützung aus Deutschland in Form von Lesungen, Konzerten und Autokorsos, hieß in der Botschaft in Ankara. „Er weiß so, dass er nicht allein ist und nicht vergessen wird.“ Mehr kann auch der erfahrene Erdmann nicht für Yücel tun.

Yücel war am 14. Februar festgenommen worden, 13 Tage später wurde Untersuchungshaft gegen ihn verhängt. Ihm werden Terrorpropaganda und Volksverhetzung vorgeworfen. Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte Yücel außerdem beschuldigt, ein Terrorist und deutscher Spion zu sein. Alle Appelle der Bundesregierung, den Journalisten freizulassen, waren bislang vergeblich. Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte befasst sich mit dem Fall.