Wer wird Deutscher Scrabble-Meister: der zweifache Titelträger oder sein sieben Jahre jüngerer Herausforderer? Das finale Duell im Werk-Haus Feuerbach scheint lange völlig offen.
Stuttgart - Gut ausgeschlafen sollte sein, wer Scrabble spielt. Sonst gibt es beim Wörterlegen vielleicht nur Buchstabensalat. Hellwach waren sie also am Sonntagvormittag im Feuerbacher Werk-Haus, denn nach drei Tagen war immer noch nicht klar, wer von den restlichen 65 Spielerinnen und Spielern bei der 9. Deutschen Scrabble-Meisterschaft dem nach Punkten weit führenden Ben Berger aus Freiburg beim Gipfelkampf Paroli bieten darf.
Berger, 32 und Jurist im Regierungspräsidium, ist bereits doppelter Titelträger. Schließlich war klar, dass er es „einmal mehr“ mit Timon Boerner zu tun haben würde. Der 25-Jährige ist in Kuchen im Filstal aufgewachsen, der Doktorand der Rechtswissenschaften lebt aktuell in Luxemburg. Aus dem Feld geschlagen waren Mathematiker und Informatiker, ein Physik-Professer, Ärzte, Lehrer, eine Psychologin – und auch Ulla Trappe, von Beruf Kontrabassistin bei den Augsburger Philharmonikern.
Es geht dauernd hin und her – eine spannende Angelegenheit
Der Musikerin, selbst dreimal Titelträgerin, hatte aber eine attraktive Aufgabe: Während sich die beiden Kontrahenten mit den Schiedsrichtern in den kleinen Raum zurückzogen, scharten sich hinter Trappe eine Etage tiefer rund 30 Scrabble-Freaks, um die beiden Final-Matches live auf der Leinwand zu verfolgen. Die Bassistin, die Scrabble als „Gehirn-Jogging aus purer Lust an geistigen Herausforderungen“ betreibt, analysierte und kommentierte blitzmäßig die Spielsituationen. Und die anderen mischten munter mit.
Reizvoller hätte die Sache kaum sein können, denn das erste von zwei Matches wird hoch spannend, bei nur sechs Punkten Unterschied vor dem letzten Zug. Wenngleich Scrabble als strategisches Spiel Schach eng verwandt ist, zeigte sich hier der Zufall gleich beim Start als der unterscheidende Faktor: Es ist reine Glückssache, welche der 102 Buchstaben aus dem Säckchen gezogen werden. So hat Berger „eine vielsprechende Bank“, während die von Boerner als „ruinös“ bezeichnet wird: Nö ist das erste Wort, Aura wird angefügt. Der eine versucht, „Vokale wegzuspielen“, der andere holt mit „Sex“ auf. So geht es dauernd hin her, mit wechselnden Führungen.
Der Rückkampf verläuft einseitig
Werden Chancen übersehen, vom Publikum auch per Internet und mit einer einschlägigen Software aufgespürt, stöhnt der Saal auf. Und nun hat plötzlich Berger „eine miserable Bank“ von sieben Buchstaben vor sich. „Ganz großer Sport wäre, wenn Timon jetzt...!“ Macht er aber nicht, was Ulla Trappe zu erklären weiß. Neun Buchstaben sind noch im Säckchen – und der Computer sagt Berger als Sieger voraus. Dann aber wendet sich das Blatt erneut. Berger, dem sonst nichts zu kompliziert erschien, übersieht „Mutti“ und verpasst 28 Punkte. Kurz bevor die Spielzeitgrenze von 60 Minuten voll ist, nutzt Timon Boerner mit dem allerletzten Zug seine Chance und siegt mit 442 : 441.
Alle erwarten nun einen heißen Rückkampf. Der verläuft dann aber sehr einseitig, weil der Mann aus dem Filstal nun „die Nieten“ zieht: „War unglücklich, da konnte ich nichts ausrichten“, sagt Boerner nach der Niederlage. Doch der Vizemeister zollt dem neuen Meister Respekt: „Er hat einen guten Stiefel gespielt und den Sack zugemacht.“ Klar sei aber dies: „Ich bin noch jung, ich greife wieder an.“