Syriza-Chef Alexis Tsipras hat die Wahl in Griechenland gewonnen. Im Wahlkampf hatte er ein „sanfteres“ Sparprogramm versprochen. Deutschland pocht darauf, dass Athen seine Zusagen auch einhält.
Athen - Die Bundesregierung setzt darauf, dass auch die neue griechische Regierung von Linksparteichef Alexis Tsipras die Zusagen für das jüngste milliardenschwere Hilfspaket für Athen einhält. „Wir gehen selbstverständlich davon aus, dass ein Ministerpräsident, der dies mit ausgehandelt hat und für sein Land unterschrieben hat, (...) in seinem Land dafür sorgen wird, dass die Umsetzung so wie vorgesehen geschieht“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Zugleich sicherte er der neuen Regierung in Athen weitere Zusammenarbeit bei der Überwindung der Schuldenkrise und den Herausforderungen durch die Flüchtlingssituation zu.
Die im dritten Hilfspaket für Athen getroffenen Vereinbarungen seien die klare Grundlage für die Überwindung der Schuldenkrise, sagte Seibert. Das Paket sei nicht mit einer bestimmten Regierung, sondern mit dem Staat Griechenland abgeschlossen worden. „Das heißt, es behält seine komplette Gültigkeit auch über einen Wahltag, auch über die Bildung einer neuen Regierung hinweg.“
Tsipras wird noch am Abend vereidigt
Der Chef der griechischen Linkspartei, Alexis Tsipras, hat die Wahl mit 35,5 Prozent gewonnen. Er wird zusammen mit den Rechtspopulisten der Unabhängigen Griechen unter ihrem Chef Panos Kammenos regieren. Tsipras hatte im Wahlkampf ein „sanfteres“ Sparprogramm versprochen, dessen Details noch ausgehandelt werden müssten. Er will sich bei den Geldgebern zudem für Schuldenerleichterungen einsetzen.
Tsipras sollte noch am Abend als Ministerpräsident vereidigt werden, sein Kabinett am Dienstag. Die zehn Abgeordneten der Anel von Parteichef Panos Kammenos sichern Tsipras insgesamt 155 der 300 Abgeordnetensitze, da Syriza als stärkste Kraft 50 Bonusmandate erhält. „Griechenlands Volk hat uns ein klares Mandat gegeben, im In- und Ausland für den Stolz unseres Volkes zu kämpfen“, erklärte Tsipras noch am Abend der Wahl.
Die konservative Nea Dimokratia (ND) von Spitzenkandidat Evangelos Meimarakis bleibt hingegen größte Oppositionspartei. „Wir bleiben die Garanten der Stabilität im Lande“, erklärte Meimarakis im Fernsehen. Beobachter rechnen mit einem Parteitag der Konservativen im Frühjahr.
Tusk hofft auf „politische Stabilität“
Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem bezeichnete das Wahlergebnis als „starkes Mandat“, um den Reformkurs des Landes fortzusetzen. EU-Gipfelchef Donald Tusk äußerte in einem Glückwunschschreiben an Tsipras die Hoffnung auf „politische Stabilität“ in Athen, zumal viele der größten Herausforderungen für Griechenland auch die EU beträfen - etwa die Schaffung von Wachstum und Arbeitsplätzen sowie die Flüchtlingskrise an der südöstlichen EU-Außengrenze.
Die Gründe des Syriza-Sieges liegen laut Experten in Misswirtschaft und Korruption, die dem Partei-Establishment von ND und Sozialisten angekreidet werden. „Offenbar vertraut ein großer Teil der Wähler den alten Parteien nicht“, hieß es in einem Radiokommentar am Montag. Tsipras sei der „Neue“, der „Allwettersieger“, titelte das linke Blatt „Efimerida ton Syntakton“.
Tsipras hatte im Wahlkampf versprochen, einen Schlussstrich unter das „alte System“ zu ziehen. Er habe zwar Fehler gemacht und bei den Spar- und Reformauflagen der internationalen Gläubiger einlenken müssen, verdiene aber eine „zweite Chance“ von den Wählern.
Die hatten Syriza im Januar erstmals zur stärksten Kraft gemacht, doch eine Neuwahl wurde nötig, weil Tsipras am 20. August seinen Rücktritt als Ministerpräsident einreichte, um den rebellischen Linksflügel seiner eigenen Partei abzuschütteln und sich ein stabiles Mandat der Wähler zu sichern. Der erbitterte Streit über die den Gläubigern zugesagte Sparpolitik hatte Syriza gespalten.
Die Wahlbeteiligung erreichte am Sonntag mit 56,6 Prozent den tiefsten Stand seit rund 70 Jahren (im Januar waren es gut 63 Prozent gewesen). Offenbar hatten die Griechen wenig Lust, nach dem Referendum über das Sparprogramm im Juli ein drittes Mal binnen weniger Monate zu wählen - zumal vielen Auslandsgriechen das Geld gefehlt haben dürfte, um in ihrem Geburtsort abzustimmen, wo sie gemeldet sind. Briefwahl ist in Griechenland nicht möglich.
Rechtsextreme bleiben dritte Kraft
Die Rechtsxtremisten der Goldenen Morgenröte blieben auch diesmal drittstärkste Kraft im Parlament mit sieben Prozent und 19 Abgeordneten. Die von der Syriza abgespaltene linke Volkseinheit (Lae) scheiterte mit 2,9 Prozent der Stimmen denkbar knapp an der Drei-Prozent-Hürde (nach Auszählung von 99,95 Prozent der Stimmen).
Mit einer verheerenden Bilanz war Griechenland in die vierte Parlamentswahl binnen drei Jahren gegangen: Seit dem Beginn der Krise vor sechs Jahren gab es schon fünf Regierungen, die Wirtschaft ist seit 2010 um ein Fünftel geschrumpft, jeder vierte Grieche arbeitslos. Fast jeder Zweite unter 25 hat keinen Job.
Nach der Wahl im Januar hatte Tsipras das dritte Hilfspaket von bis zu 86 Milliarden Euro mit den Geldgebern ausgehandelt. Nun erwartet ihn die Umsetzung harter Spar- und Reformauflagen, gegen die das Volk schon in der Vergangenheit rebellierte. Tsipras hatte im Wahlkampf ein „sanfteres“ Sparprogramm versprochen, dessen Details noch ausgehandelt werden müssten. Er will sich bei den Geldgebern zudem für Schuldenerleichterungen einsetzen.
Der überraschend deutliche Sieg des Linksbündnisses ließ die Finanzmärkte weitgehend kalt. Weder an den Devisen- noch an den Anleihemärkten waren am Montag zunächst stärkere Kursbewegungen zu beobachten. Bankvolkswirte hoben in Kommentaren hervor, dass eine im Vorfeld befürchtete längere Koalitionsbildung vermieden worden sei.