Briefkasten – bald ohne Funktion? Foto: dpa

Im Tarifkonflikt bei der Post sind die Fronten verhärtet und Verdi ruft nun zu unbefristeten Streiks auf. Während die Gewerkschaft mit einem Berg von unerledigten Sendungen droht, gibt sich die Post zunächst noch gelassen.

Bonn/Stuttgart - Eskalation bei der Post: Nach wochenlangen Nadelstichen ruft die Gewerkschaft Verdi in dem Tarifkonflikt mit dem gelben Riesen zu unbefristeten Streiks der Briefträger und Paketboten auf. Für die Postkunden wird es nach Einschätzung der Gewerkschaft diesmal noch härter kommen.

„Es wird zwangläufig größere Berge an Briefen und Pakten geben“, ist sich Verdi-Sprecher Jan Jurczyk sicher. Nach der Nadelstich-Taktik der vergangenen Wochen werde es nun darum gehen, „möglichst effizient“ zu streiken und auch Wirkung zu erzielen.

Einzelheiten ihrer Streiktaktik will die Gewerkschaft zunächst allerdings noch nicht bekannt geben. Mit flächendeckenden Ausständen sei zunächst jedoch nicht zu rechnen, hieß es.

Nach sechs ergebnislosen Verhandlungsrunden ist die Stimmung auf beiden Seiten mehr als angespannt. Während Verdi offen über ein Imageproblem der Post durch eine „große Verunsicherung“ der Beschäftigten und zunehmend „chaotischere“ Betriebsabläufe spricht, kontert Post-Sprecher Dirk Klasen: „Das ist Unsinn.“ Verdi solle sich stattdessen Gedanken über das eigene Image machen.

In dem seit Monaten schwelenden Konflikt sieht die Gewerkschaft nun aktuell keinen Gesprächsbedarf mehr und will stattdessen aufs Ganze gehen. Vergangene Woche hatte die Post ein Verdi-Ultimatum verstreichen lassen und sich damit den Zorn der Gewerkschaft zugezogen.

Auf eine nach der Satzung mögliche Befragung der Mitglieder per Urabstimmung habe man vor der Entscheidung zum Streik bewusst verzichtet, so Jurczyk. Hintergrund sei eine „tiefe Verankerung“ der Gewerkschaft in der Belegschaft und ein „hoher Organisationsgrad“. Genaue Zahlen dazu möchte Verdi allerdings nicht nennen.

Die Dienstleistungsgewerkschaft geht davon aus, dass auf den Bonner Logistikkonzern durch die unbefristeten Streiks gewaltige Probleme zukommen. „Ich habe keine Ahnung, wie die Post das bewältigen will“, sagt Jurczyk. Nach der Erfahrung der wochenlangen Warnstreiks gibt man sich bei der Post dagegen noch betont gelassen.

Die Streikauswirkungen hätten sich tatsächlich bislang „in Grenzen“ gehalten, sagt Post-Sprecher Klasen. Hintergrund sei auch eine mit Millionenaufwand seit Mitte der 90er Jahre betriebene Modernisierung der Brief- und Paketzentren. Während Zusteller nicht ohne Weiteres zu ersetzen seien, könnten etwa Verwaltungsbeschäftigte in den Verteilzentren eingesetzt werden. „Die gehen dann mal Pakete auflegen“, so Klasen.

Erst vergangenen Monat hatte das Arbeitsgericht Bonn entschieden, dass die Post im aktuellen Tarifkampf weiter Beamte als Ersatz für streikende Angestellte einsetzen darf. Neben ihren rund 140 000 Angestellten hat die Post auch etwa 38 000 Beamte, die nicht streiken dürfen.

Mittlerweile muss jedoch pro Tag bei der Post eine Flut von durchschnittlich etwa 3,5 Millionen Paketen bewältigt werden. Welche Vorbereitungen der Konzern für die seit Tagen angekündigte Eskalation des Tarifkonflikts getroffen hat, will der Sprecher nicht verraten. „Wir werden alles tun, damit die Auswirkungen so gering wie möglich gehalten werden“, heißt es lediglich.

In dem Tarifkonflikt geht es um Bezahlung und Arbeitszeit für rund 140 000 Beschäftigte. Kern des Streits aber sind die angekündigten Sparmaßnahmen des Unternehmens mit dem Aufbau von 49 regionalen Gesellschaften für die Paketzustellung, bei denen rund 6000 Paketboten nicht mehr nach dem Haustarif der Post, sondern nach den oft niedrigeren regionalen Tarifverträgen der Logistikbranche bezahlt werden.

Auch in Baden-Württemberg wird es in den kommenden Tagen wohl zu Beeinträchtigungen kommen. Millionen Briefe und Pakete könnten liegen bleiben und wieder verspätet ankommen. Angekündigt ist, dass im Land Postmitarbeiter an elf Briefzentren die Arbeit niederlegen, darunter in Karlsruhe, Mannheim und Heilbronn. Von den Briefzentren wird die Post auf die Auslieferungsstützpunkte weiterverteilt, meist innerhalb weniger Stunden.

Obwohl sich in letzter Zeit Arbeitskämpfe häufen, ist Deutschland im langjährigen Mittel kein Streik-Land. Zwischen 2005 und 2013 kamen auf 1000 Beschäftigte insgesamt nur 16 Streiktage. In Dänemark waren es 135.