Deutschland spielt gegen die Niederlande. Foto: dapd

Ein Punkt gegen Dänemark reicht, um alles klarzumachen - Lust auf Siege längst riesengroß.

Charkow - Er hatte einen letzten Sprint hingelegt, von weit hinten nach weit vorne, doch sein Pass erreichte nur einen Gegenspieler, und als Mario Gomez dies realisiert hatte, beugte er seinen Oberkörper, stützte die Hände auf die Oberschenkel und pumpte. Das alles sah aus wie ein bitterer Moment für den Stürmer – doch schon Sekunden später folgte sein triumphaler Abgang. Gomez wurde ausgewechselt. Als Matchwinner. Schon wieder.

Bereits gegen Portugal hatte der Angreifer des FC Bayern den entscheidenden Treffer erzielt, doch dann folgte eine skurrile Diskussion um die Klasse und den Eifer des 26-jährigen Ex-Stuttgarters, losgetreten vom TV-Experten Mehmet Scholl. Das hätte Gomez verunsichern können, und er gab später auch zu: „Das war Druck ohne Ende.“ Doch er hielt ihm stand – und gab eine Antwort, die deutlicher nicht hätte sein können.

Zunächst einmal aber hatte Joachim Löw ein Zeichen und auch im Topspiel gegen die Niederländer auf Gomez statt auf Miroslav Klose gesetzt. Mit dem Anpfiff in Charkow aber begann dann die große Show des Deutsch-Spaniers. Erst lieferte er mit einer aufwendigen Spielweise den Beweis, alles andere als ein Stehgeiger zu sein. Gomez rackerte, er kämpfte, er schuftete auch in der Defensive – und als Bastian Schweinsteiger dann seinen ersten genialen Pass der Partie spielte, stand Gomez plötzlich allein im Strafraum der Niederländer. Ballan- und mitnahme waren eine einzige elegante Bewegung, dann der überlegte Abschluss – 1:0 in der 24. Minute. Und es kam noch besser.

„Ich bin froh, dass die wichtigen Leute hinter mir standen“

Wieder spielte Schweinsteiger den entscheidenden Pass, diesmal nahm Gomez Anlauf, drosch den Ball mit viel Wucht ins lange Eck (38.), und als alle eine Jubelorgie erwarteten, demonstrierte Gomez nur eines mit seinem entschlossenen Blick: Stärke. Fast, als wollte er sagen: Hast du das gesehen, Mehmet?

Vermutlich hatte er. Und Gomez legte nach der Partie auch noch mit ein paar Spitzen nach. „Ich bin froh, dass die wichtigen Leute hinter mir standen“, sagte der 26-Jährige, deshalb sei er nun „sehr, sehr glücklich“. Womit er nicht allein war. Denn das gesamte deutsche Team hatte nicht nur den zweiten Sieg im zweiten EM-Spiel eingefahren, sondern auch den womöglich stärksten Widersacher über weite Strecken dominiert. Hatte die Stars des Erzrivalen schier zur Verzweiflung gebracht, und vor allem: Die Mannschaft hatte sich gegenüber dem Start gegen Portugal noch einmal deutlich gesteigert. „Wir haben sehr gut Fußball gespielt“, sagte Kapitän Philipp Lahm.

Das DFB-Team trat wieder als echte Mannschaft auf, alle elf beteiligten sich am Spielaufbau und an der Defensivarbeit, Bastian Schweinsteiger und Mesut Özil fanden viel besser ins Spiel, und Philipp Lahm meldete seinen Bayern-Kollegen Arjen Robben fast komplett ab. Dazu glänzten die, die gegen Portugal schon stark waren, auch gegen die Niederlande. „Wir haben in der Defensive wieder sehr gut gearbeitet“, lobte Bundestrainer Joachim Löw.

Ein Punkt gegen Dänemark reicht, um alles klarzumachen

Gut, am Ende schwanden in der Hitze von Charkow die Kräfte, Robin van Persie schaffte den Anschluss (73.), und es ging immer mal wieder durcheinander. „Wir haben es uns selbst ein bisschen schwergemacht“, sagte Löw. Jérôme Boateng holte sich wegen Spielverzögerung noch seine zweite Gelbe Karte ab und ist am Sonntag gesperrt, doch am Ende reichte es für das deutsche Team zum wichtigen zweiten Sieg des Turniers. Die Freude war groß – auch wenn zum Jubeln die Kraft kaum mehr reichte. „Wir haben gegen zwei Klasse-Teams gespielt und nun sechs Punkte“, sagte Gomez – und ergänzte: „Was will man mehr?“ Zum Beispiel die endgültige Qualifikation für das Viertelfinale.

Die ist trotz der zwei Siege noch nicht ganz gesichert, aber Joachim Löw wusste schnell: „Wir haben das Tor zum Viertelfinale weit aufgestoßen.“ Ein Punkt gegen Dänemark am Sonntag (20.45 Uhr) reicht, um alles klarzumachen, doch die Lust auf Siege ist längst riesengroß. Bei Bastian Schweinsteiger („Wir wollen gegen Dänemark gewinnen“). Und sicher auch bei Mario Gomez.