Personalberater Markus Weber meint: „Die Attraktivität in der Schweiz leidet.“ Foto: Peter Petsch

Jahrelang galt die Schweiz für deutsche Arbeitskräfte als Traumziel. Das scheint sich nun zu ändern. Nach dem erfolgreichen Votum der Eidgenossen gegen mehr Einwanderung sehnen sich viele zurück zu alten Gestaden, sagt Personalberater Markus Weber.

Jahrelang galt die Schweiz für deutsche Arbeitskräfte als Traumziel. Das scheint sich nun zu ändern. Nach dem erfolgreichen Votum der Eidgenossen gegen mehr Einwanderung sehnen sich viele zurück zu alten Gestaden, sagt Personalberater Markus Weber.

Stuttgart - Herr Weber, vor wenigen Wochen haben die Schweizer mehrheitlich für eine Begrenzung der Zuwanderung gestimmt. Wie reagieren die ausländischen Fachkräfte in der Schweiz – etwa die Deutschen – auf die Abstimmung?
Die Attraktivität der Schweiz als Arbeitgeber leidet unter der Diskussion und dem erfolgreichen Votum gegen mehr Zuwanderung. In unserer täglichen Arbeit merken wir das unter anderem daran, dass deutsche Fachkräfte und Manager, die aktuell in der Schweiz arbeiten, wieder Interesse an Stellen in Deutschland haben. Diese Situation gab es vor der Schweizer Entscheidung definitiv nicht. Um Einzelfälle handelt es sich ebenfalls nicht, sondern wir nehmen einen signifikanten Anstieg solcher Fälle wahr.
Wie wirkt sich die sich andeutende Wanderungsbewegung zahlenmäßig aus?
Man kann den Trend schwer in exakten Zahlen ausdrücken. Aber wenn Sie in zwei Dutzend Projekten für die Vermittlung von Führungskräften plötzlich fast überall wieder Deutsche drin haben, die in der Schweiz arbeiten, zeigt das eine klare Richtung an. Die wollen weg. Wir reden hier übrigens nicht nur von hoch dotierten Managern, sondern auch von Fach- und Führungskräften.
Könnte sich auch der Trend, dass deutsche Arbeitnehmer in die Schweiz abwandern, nun umkehren?
Im Moment ist es noch zu früh zu beurteilen, ob es sich nur um eine kurzfristige Reaktion handelt, oder ob diese in einen längerfristigen Trend umschlagen wird. Klar messbar ist aber, dass die Abwanderung von deutschen Fachkräften in die Schweiz definitiv nicht mehr so stark ist wie früher. Unsere Personalberaterkollegen in der Schweiz berichten derzeit, dass der Andrang von Deutschen auf Schweizer Stellen nachlässt. Die politische Diskussion hat hier für erhebliche Irritationen gesorgt.
Was bedeutet die Entwicklung für die Fachkräfteversorgung in Deutschland?
Von einer nachhaltigen Entspannung zu reden, wäre noch zu früh. Allgemein gibt es hierzulande immer noch einen eklatanten Fach- und Führungskräftemangel, vor allem in technischen Berufen. Ein positiver Effekt ist aber wahrnehmbar.
Was motivierte deutsche Arbeitnehmer bisher, in die Schweiz zu gehen?
Da muss man differenzieren. Im Bereich der hoch qualifizierten Fach- und Führungskräfte, die unser Unternehmen schwerpunktmäßig vermittelt, ist die Entwicklungsperspektive wichtig, die Arbeitgeber ihren Mitarbeitern bieten können. Daneben spielen aber auch das Gehalt, Besteuerung und ein attraktives Umfeld, etwa die Kulturangebote, eine wichtige Rolle. In dieser Hinsicht ist die Schweiz nach wie vor noch interessant. Die allgemeine Stimmung hat sich aber ins Negative gedreht.
Der Leidensdruck steigt also, trotz der tollen Schweizer Gehälter?
Viele Arbeitnehmer reden von einer gläsernen Wand, der sie sich in Schweizer Firmen gegenübersehen. Es gibt keine offene Diskriminierung. Aber es gibt beispielsweise innere Zirkel, die traditionell Schweizern vorbehalten sind und in die ausländische Kräfte nur selten aufgenommen werden. Das kollidiert in der Wahrnehmung der Menschen mit der Vorstellung einer weltoffenen und liberalen Schweiz.
Betrifft die Entwicklung nur Akademiker oder auch Fachkräfte?
Akademiker und Führungskräfte sind noch sensibler für die aktuellen Umwälzungen. Das liegt daran, dass sie weniger sensibel für die reine Gehaltsthematik sind und eher nach Entwicklungschancen suchen. In den unteren Lohngruppen und im gewerblichen Bereich zählt das Gehalt noch mehr, daher ist die Zufriedenheit mit der Schweiz auch noch größer.
Durch welche Maßnahmen kann Baden-Württemberg von diesem positiven Trend profitieren?
Hiesige Firmen sollten aus den Fehlern der Schweiz lernen und Entwicklungsperspektiven für Fachkräfte ausbauen. Außerdem ist es wichtig, eine Kultur der Offenheit in den Firmen zu etablieren, durch die sich Fachkräfte aus anderen Ländern, mit anderer Sprache und kulturellem Hintergrund, wohlfühlen. Man darf nämlich nicht vergessen, dass Deutschland als Standort vor allem für Arbeitnehmer aus Südeuropa nach wie vor sehr attraktiv ist.