Nur noch Ersatz im Tor der Nationalmannschaft: Silvio Heinevetter von den Füchsen Berlin Foto: dpa

Silvio Heinevetter ist eine Reizfigur. Ein Sportler mit Ecken und Kanten. Bei der Handball-EM in Polen wird der Torwart der deutschen Handball-Nationalmannschaft nicht dabei sein. Der Bundestrainer setzt auf das Duo Lichtlein/Wolff.

Stuttgart - Dagur Sigurdsson blickt musternd in die Runde, rückt sich noch einmal auf seinem Sessel zurecht, dann beginnt der Handball-Bundestrainer beim Pressegespräch in Stuttgart erst einmal mit relativ Belanglosem: Er beglückwünscht die Frauen-Nationalmannschaft zum Weiterkommen bei der WM in Dänemark, er bringt seine Vorfreude auf eine volle Porsche-Arena beim Testländerspiel am 5. Januar (20.15 Uhr/Sport 1) gegen Tunesien zum Ausdruck. Erst dann kommt die Sprache auf die pikante Personalie: Silvio Heinevetter (31) ist für die EM vom 15. bis 31. Januar in Polen nur als Backup eingeplant. Sigurdsson setzt in seinem vorläufigen 17-Mann-Kader nicht mehr auf die langjährige Nummer eins im deutschen Tor, sondern auf das Duo Carsten Lichtlein und Andreas Wolff. Der Isländer versuchte der Ausbootung die Brisanz zu nehmen: „Das war keine Entscheidung gegen ihn, sondern eine für Carsten und Andreas. Die beiden spielen eine sehr stabile Saison und zeigten auch beim Supercup ein starke Leistung“, betonte Sigurdsson. Im Übrigen habe er „kein Problem damit Leute auszutauschen, wenn ich nicht zufrieden bin im Laufe der Vorbereitung“. Das Reglement lässt das zu, sogar noch nach dem Auftaktspiel gegen Spanien am 16. Januar.

Auch bei den Füchsen ist Heinevetter den Nummer-eins-Status los

Wie Heinevetter auf die Nachricht reagiert habe? „Nicht sehr glücklich“, berichtete Sigurdsson, bis zum Sommer dessen Trainer bei den Füchsen Berlin. Auch dort ist der Freund von Schauspielerin Simone Thomalla seinen Nummer-eins-Status los, die meiste Spielzeit bekommt der inzwischen auch zum Kapitän ernannte Petr Stochl (39). Dass Heinevetter im Nationalteam möglicherweise ein Problem mit der Rolle als Nummer gehabt hätte, glaubt Sigurdsson nicht und sei kein Grund für seine Entscheidung gewesen. Gerüchte über eine mangelnde Trainingseinstellung dementierte Sigurdsson ebenfalls: „Ich weiß am besten, was ich an Silvio habe. Ich habe oft auf ihn gesetzt, wenn andere nicht an ihn geglaubt haben. Er wird stärker zurückkommen.“

DHB-Team ohne Spieler mit Ecken und Kanten

Klar ist, ohne den exzentrischen Schlussmann fehlt dem DHB-Team eine Reizfigur mit Ecken und Kanten. Die braven, von ihrem Charakter her eher leicht zu führenden Spieler dominieren. Da passt es ins Bild, dass auch der für seine bisweilen rustikale Gangart bekannte Rückraumspieler Michael Müller nur in der Reserve auftaucht. Dass der zuletzt starke Göppinger Michael Kraus (32) gar nicht nominiert ist, dafür die Spielmacher Niclas Pieczkowski (25) vom abgeschlagenen Schlusslicht TuS N-Lübbecke und Simon Ernst (21) vom VfL Gummersbach zeigt, dass der Bundestrainer seinen Kader nicht nur abwehrorientiert, sondern auch perspektivisch ausgerichtet hat. Bei der WM 2019 in Deutschland und Dänemark sind neben Pieczkowski und Ernst weitere der aktuell Nominierten im besten Handballalter: Jannik Kohlbacher (20), Fabian Wiede (21), Rune Dahmke, Erik Schmidt (beide 22), Finn Lemke (23) und Christian Dissinger (24).

Keine konkrete Zielsetzung

Was die Zielsetzung für die EM in Polen betrifft, gab sich der Bundestrainer zurückhaltend: „16 Nationen nehmen teil. Wir sind in Topf drei. Das heißt neunter bis zwölfter Platz. Wenn wir das nicht schaffen, wäre das eine Enttäuschung“, sagte Sigurdsson. „Wenn wir mehr schaffen, ist das sehr schön.“ Ein konkreteres Ziel will er erst nach der Vorbereitung nennen. Dafür legte sich der 42-Jährige auf den EM-Topfavoriten fest: „Dänemark hat die besten Karten.“

Der EM-Kader der deutschen Handball-Nationalmannschaft auf einen Blick.

Tor: Carsten Lichtlein (VfL Gummersbach), Andreas Wolff (HSG Wetzlar). Linksaußen: Uwe Gensheimer (Rhein-Neckar Löwen), Rune Dahmke (THW Kiel). Rückraum links: Steffen Fäth (HSG Wetzlar), Christian Dissinger (THW Kiel), Finn Lemke (SC Magdeburg). Rückraum Mitte: Martin Strobel (HBW Balingen-Weilstetten), Niclas Pieczkowski (TuS N-Lübbecke), Simon Ernst (VfL Gummersbach). Rückraum rechts: Steffen Weinhold (THW Kiel), Fabian Wiede (Füchse Berlin). Rechtsaußen: Patrick Groetzki (Rhein-Neckar Löwen), Tobias Reichmann (KS Vive Tauron Kielce/Polen). Kreis: Hendrik Pekeler (Rhein-Neckar Löwen), Jannik Kohlbacher (HSG Wetzlar), Erik Schmidt (TSV Hannover-Burgdorf). Reserve: Silvio Heinevetter (Füchse Berlin), Dario Quenstedt (SC Magdeburg), Michael Allendorf (MT Melsungen), Stefan Kneer (Rhein-Neckar Löwen), Julius Kühn (VfL Gummersbach), Paul Drux (Füchse Berlin), Michael Müller (MT Melsungen), Kai Häfner (TSV Hannover-Burgdorf), Johannes Sellin (MT Melsungen), Evgeni Pevnov (VfL Gummersbach), Manuel Späth (Frisch Auf Göppingen).

Test-Länderspiel in Stuttgart noch nicht ausverkauft

Das erste Länderspiel des neuen Jahres bestreitet die deutsche Handball-Nationalmannschaft in der Stuttgarter Porsche-Arena: Am Dienstag, 5. Januar (20.15 Uhr/Sport 1), geht es gegen den mehrmaligen Afrikameister Tunesien. Es gibt unter www.dhb.de/tickets noch 2000 Tickets. (StN)