Co-Chef der Deutschen Bank Jürgen Fitschen sitzt im Prozess zwar hinter seinem Vorgänger Josef Ackermann – steht aber im Fokus des Prozesses. Foto: dpa

Mitten im Konzernumbau bei der Deutschen Bank steht nun deren Co-Chef Jürgen Fitschen vor Gericht. Zusammen mit vier ehemaligen Topmanagern ist er wegen versuchten Prozessbetrugs angeklagt.

Frankfurt - Die Angeklagten haben sich nicht viel zu sagen. Schweigend betreten Jürgen Fitschen und seine Vorgänger an der Spitze der Deutschen Bank am Dienstagmorgen den Saal B 273 des Münchner Landgerichts.

Ein trister Raum mit Neonlicht, grünem Teppich, einem Wasserspender und dem Kruzifix an der Wand. Die Luft ist muffig. Richter Peter Noll fragt die Banker kurz nach ihren Personalien – und dann haben erst mal die Staatsanwälte das Wort. Sie wechseln sich ab, um ihre Stimmen beim stundenlangen Vorlesen der Anklage nicht zu überlasten.

Auf Hunderten Seiten werfen die Ankläger dem Co-Chef der Deutschen Bank, Fitschen, und seinen beiden Vorgängern, Josef Ackermann und Rolf Breuer, und zwei weiteren Ex-Managern vor, gemeinsam einen Tatplan verfolgt zu haben. Damit sollen sie vor vier Jahren Richter getäuscht haben, um Schadenersatzforderungen des Medienunternehmers Leo Kirch für die Pleite seines Unternehmens abwehren.

Aus der Sicht der Anklage versuchter Prozessbetrug - mehrere Jahre Haft drohen

Das ist aus Sicht der Anklage versuchter Prozessbetrug, für den eine Strafe von mehreren Jahren Haft droht. Die Angeklagten kennen den Inhalt der Anklage seit Monaten, hören aber aufmerksam zu. Alle fünf fühlen sich zu Unrecht verfolgt und hatten die Vorwürfe schon vor dem Beginn des Verfahrens zurückgewiesen.

Vor allem Jürgen Fitschen steht im Fokus des Prozesses – immerhin ist er der Einzige auf der Anklagebank, der aktuell im Vorstand der Deutschen Bank sitzt. Fitschen, alles andere als ein aalglatter Investmentbanker, sondern eher der Typ eines ehrbaren Kaufmanns, der keine Allüren hegt und bodenständig auftritt, verstehe nicht, warum ihn dieses Verfahren trifft.

Fitschen sieht "keinen Grund" für die Anklage

Immer wieder hat er betont, dass er „weder gelogen noch betrogen“ habe. Einen Vergleich gegen Zahlung einer Geldbuße hat er folglich strikt abgelehnt. „Ich bleibe dabei, was ich immer gesagt habe. Ich sehe keinen Grund für diese Anklage“, sagte er am Montag, am Tag vor dem Prozessbeginn, erneut.

Da stellte er gerade zusammen mit seinem Chefkollegen Anshu Jain in der Zentrale der Deutschen Bank in Frankfurt die neue Strategie des Unternehmens vor. Gut gelaunt und locker. Und sachlich, wie man es von ihm kennt. Attitüden, flapsige Sprüche oder Gesten, wie etwa das Victory-Zeichen seines Vorgängers Josef Ackermann beim Mannesmann-Prozess, sind Fitschens Sache nicht.

„Wir nehmen unsere Verantwortung unverändert mit Freude wahr“, sagt Fitschen am Montag auf die Frage, ob er und Jain angesichts der vielen Rechtsstreitigkeiten nicht zurücktreten sollten. Für den 66-Jährigen ist ein solcher Satz fast schon ein emotionaler Ausbruch. „Mit Fitschen lockst du niemanden hinter dem Ofen hervor“, sagt ein Kenner der Bank.

Der Prozess ist wohl der schwerste Schlag für Fitschen

Auch in München dürfte Fitschen, auch auf Anraten seiner Anwälte, in den kommenden Prozesswochen Zurückhaltung üben. Der Prozess ist wohl der schwerste Schlag für ihn in seiner Zeit an der Spitze des Instituts seit Juni 2012. Wobei auch diese nicht immer reibungslos verlief.

Gemeinsam mit Jain musste der stets verbindlich, in der Sache aber deutlich und energisch agierende Fitschen immer wieder Rückschläge hinnehmen. Und mitunter hat er die Situation noch verschlimmert, etwa als er sich im Dezember 2012 persönlich bei Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier wegen einer groß angelegten Razzia der Staatsanwaltschaft in der Zentrale der Deutschen Bank, den Zwillingstürmen an der Frankfurter Taunusanlage, beschwerte.

Seine Entschuldigung kurz danach ging unter. Und auch wegen eines anderen Vorgangs droht ihm juristisches Ungemach: Die Staatsanwalt ermittelt seit Jahren, weil Fitschen im Zusammenhang mit dem Handel von Emissionszertifikaten eine fehlerhafte Umsatzsteuererklärung abgesegnet haben soll. Fitschen und die Bank bestreiten dies.

Wegen Zins-Manipulationen musste die Deutsche Bank 2,5 Milliarden Dollar zahlen

Überhaupt die juristischen Probleme: Die Zahlung von rund 2,5 Milliarden Dollar (2,3 Milliarden Euro) wegen Manipulationen des Interbankenzinses Libor ist der jüngste negative Höhepunkt. Zudem rügen die Behörden die Aufarbeitung des Skandals durch die Bank selbst. Kein anderes Geldhaus wurde in Sachen Libor zu einer solch hohen Strafe verdonnert. Dabei musste die Bank in Europa bereits 725 Millionen Euro zahlen.

Mittlerweile nähern sich die Aufwendungen für die Beilegung von Rechtsstreitigkeiten in der Amtszeit von Jain und Fitschen einem zweistelligen Milliardenbetrag. Das entspricht bald nahezu den rund elf Milliarden Euro, die die Bank Aktionären und Investoren 2013 und 2014 über diverse Kapitalerhöhungen abverlangt hat.

Beigelegt sind diese juristischen Probleme noch immer nicht. Fast fünf Milliarden Euro hat die Bank dafür zurückgelegt. Nicht umsonst sprachen Aktionärsvertreter auf der Hauptversammlung im vergangenen Jahr mit Blick auf ihr Institut von einer „gigantischen Rechtsabteilung mit angeschlossener Bank“. Fitschen war alles andere als begeistert.

Es hakt auch im eigentlichen Geschäft

Bei alldem hakt es auch im eigentlichen Geschäft – auch wenn Fitschen das nur bedingt einräumen möchte. Gewinn und Rendite der Deutschen Bank sind längst nicht da, wo sie nach Ansicht der beiden Chefs sein sollten. Bei mageren 3,1 Prozent nach Steuern lag die Eigenkapitalrendite im ersten Quartal.

Da tröstet es wenig, dass die Investmentsparte in Teilbereichen weltweit Spitze ist. An den Börsen hinkt die Deutsche Bank bei der Bewertung und damit der Wertschätzung der Investoren trotzdem meilenweit hinter den US-Konkurrenten her. Obwohl der Aktienkurs seit Jahresanfang deutlich zugelegt hat und Anleger offenbar Hoffnung schöpfen.

Ob die jetzt beschlossene Trennung von der Postbank, Straffungen beim Investmentbanking und Investitionen unter anderem in das Privatkundengeschäft nachhaltig Positives bewirken, muss sich zeigen. Beobachter bleiben skeptisch. Fitschen ist überzeugt, dass es der richtige Weg ist.

Von dem versprochenen Kulturwandel ist wenig zu spüren

Versprochen hatte Fitschen auch einen Kulturwandel. Davon ist bisher wenig zu spüren. Die Rechtsprobleme und die Tatsache, dass es weder bei der Höhe der Vorstandsgehälter – statt höherer Boni gibt es jetzt höhere Fixgehälter – noch bei der Vergütung der Investmentbanker, die immer noch deutlich großzügiger bedacht werden als die Aktionäre und damit die Eigentümer der Bank, Abstriche gibt, übertünchen die Probleme.

Fitschen, seit 27 Jahren mit Stationen in Japan und Thailand mit der Deutschen Bank verbunden wie kein anderes der derzeitigen Vorstandsmitglieder, bleibt nicht mehr allzu viel Zeit, das Ruder sichtbar herumzureißen.

Jain übernimmt mehr und mehr die Spitze der Bank

Was in dieser Woche klar wird: Anshu Jain ist mehr und mehr die dominierende Figur an der Spitze der Bank. Eigentlich sollte Fitschen schon im Mai nach der Hauptversammlung abtreten. Aber er hat seinen Vertrag um zwei Jahre bis Mai 2017 verlängert. Dann soll die Bank wieder in der Spur sein – fest verankert in Deutschland, denn „nichts wäre dümmer, als sich aus Deutschland zu verabschieden“, so Fitschen.

Aber erst einmal muss sich der 66-Jährige verwitwete Vater zweier erwachsener Kinder (seine thailändische Frau ist vor Jahren tödlich verunglückt) dem Landgericht in München stellen. Was dort geschieht, wird auch von der gesamten Bankenbranche sehr genau verfolgt. Schließlich geht es nicht nur um den Co-Chef der Deutschen Bank, sondern auch um den derzeitigen Präsidenten des mächtigen Bundesverbandes deutscher Banken.