Nur geliehen: Die Wagen, die derzeit auf der Remsbahn fahren. Foto: Peter-Michael Petsch

Die Bahn setzt im Remstal Kurzzüge und gemietete Wagen ein – Fahrgästen bleibt oft nur ein Stehplatz.

Stuttgart - An den Dienstag vergangener Woche erinnert sich so mancher Bahnkunde nur ungern. „Ich habe schon viel erlebt, aber das war konkurrenzlos“, sagt ein Pendler, der jeden Tag von Lorch nach Stuttgart fährt.

Als er am Spätnachmittag am Hauptbahnhof zu seinem Zug kam, blieb ihm die Luft weg. Statt der üblichen neun Wagen hatte der Regionalexpress nach Aalen nur vier. „Auf dem Bahnsteig befanden sich etwa 700 Leute, in den Zug passten regulär vielleicht 250“, erzählt er. Die Folge: gnadenloses Gedränge, Schimpfen und keine Chance für weitere Fahrgäste, an den Stationen Richtung Remstal einzusteigen. „Ich wundere mich, dass nichts passiert ist“, sagt der Pendler.

Fahrgäste wähnen sich im Museum

Auch laut anderen Passagieren kommt das auf dieser Strecke seit Anfang April regelmäßig vor. „Die Züge sind zu kurz, es gibt dauernd Verspätungen und Zugausfälle“, sagt einer. Zudem wähne man sich „im Museum“. Die seit kurzem eingesetzten Wagen stammten aus den frühen 50er Jahren. „Mit diesem Typ bin ich schon 1960 mit meinen Eltern in die DDR gefahren“, sagt ein Fahrgast. Die Bahn habe lediglich Anfang April per Durchsage in den Zügen mitgeteilt, dass drei Monate lang andere Wagen eingesetzt würden. Einen Grund dafür habe sie nicht genannt. Zu dieser Zeit habe man auch Fahrgastzählungen beobachten können.

Bei der Bahn bestätigt man die Probleme, die nicht nur auf der Strecke durchs Remstal bestehen, sondern teilweise auch auf der Murrbahn. „Wir haben gerade einen Engpass bei der Fahrzeugbestellung“, sagt ein Sprecher. Hintergrund sei, dass man den Komfort für die Passagiere auf den betroffenen Strecken mittelfristig verbessern wolle. Dort laufe ein „Redesign-Programm“.

Massives Loch beim benötigten Material

Das bedeutet, dass die üblichen Wagen eine neue Innenausstattung bekommen. „Dafür müssen sie in die Werkstatt und fehlen auf der Strecke“, so der Bahn-Sprecher. Dazu geselle sich aber noch ein weiteres Problem: Weil derzeit auch auf anderen Strecken außerhalb Baden-Württembergs Triebwagen fehlen, sind dort Fahrzeuge auf der Schiene, die eigentlich im Großraum Stuttgart gebraucht würden. Beides zusammen ergibt ein massives Loch beim benötigten Material.

Um das zu stopfen, hat die Bahn Wagen bei einem externen Anbieter angemietet. Die Firma Euro-Express im westfälischen Münster, die unter anderem Sonderzüge für Charterfahrten anbietet, hat 15 Wagen zur Verfügung gestellt. Den Vorwurf, sie stammten aus den 50er Jahren, weist man bei der Bahn zurück. „Laut unserem Partner sind sie 30 bis 35 Jahre alt“, so ein Bahn-Sprecher. Es handle sich um ehemalige D-Zug-Wagen, meist sogar aus der ersten Klasse. Dort gebe es zwar weniger Komfort als heute üblich, aber mehr Platz für den einzelnen Fahrgast als in den sonst verkehrenden Zügen.

Der Ärger bleibt trotz der Leihwagen

Das nutzt freilich wenig, wenn die Züge nur halb so lang sind wie sonst. „Das bedauern wir sehr und bitten die Fahrgäste um Entschuldigung“, sagt der Bahn-Sprecher. Er bestätigt, dass zeitweise nur vier statt neun Wagen im Einsatz gewesen sind. Man habe Beschwerden von den Kunden bekommen, und auch den Kollegen in den Zügen seien die Zustände nicht verborgen geblieben.

Deshalb habe man inzwischen die Planung verändert. Die Züge sollen demnach künftig wieder in gewohnter Länge unterwegs sein. Die Kunden allerdings seien vorher per Durchsage über die Änderungen informiert worden. Angemietet sind die Leihwagen bis Ende Juni. Danach sollen die sanierten Wagen zur Verfügung stehen.

Ärger von Kundenseite droht dennoch. „Es kann nicht sein, dass auf der am meisten frequentierten Bahnstrecke das älteste und am schlechtesten gewartete Material zum Einsatz kommt“, sagt einer der erzürnten Pendler, „diese Zustände sind nicht mehr akzeptabel für die Fahrgäste.“ Mehrere Betroffene wollen deshalb den Fahrpreis für besonders heftige Tage zurückfordern.

Keine komplett neuen Wagen vor 2016

Bereits seit Jahren gibt es Diskussionen über den Komfort in den Zügen der Rems- und Murrbahn. Alte, abgenutzte Waggons sind dort keine Seltenheit. Komplett neue Fahrzeuge wird es aber vor 2016 nicht geben. Dann endet der Verkehrsvertrag für die meisten Bahnstrecken in Baden-Württemberg. Das Land will noch in diesem Jahr die Ausschreibung fertigstellen.

Darin soll auch geregelt werden, welche Fahrzeuge künftig für welche Strecke vorgeschrieben sein werden. Interessierte Unternehmen können sich daraufhin für den Betrieb der Linien bewerben. „Das werden wir auch für die Rems- und Murrbahn tun, so wie andere wahrscheinlich ebenfalls“, sagt eine Sprecherin der Deutschen Bahn. Bis man Sicherheit habe, ob man auch den Zuschlag bekomme, könne man aber keine Neufahrzeuge anschaffen.