Rüdiger Grube ist am 30. Januar mit sofortiger Wirkung vom Vorstandsvorsitz der Deutschen Bahn zurückgetreten. Foto: dpa

Für den Bahn-Chefsessel kommen einige Kandidaten infrage. Unter anderem empfehlen sich zwei Frauen für die Leitung des Chefkonzerns. Und auch im Ausland gäbe es einen aussichtsreichen und kompetenten Aspiranten.

Berlin - Für die Nachfolge des zurückgetretenen Bahn-Chefs Rüdiger Grube kursieren bereits zahlreiche Namen. Wer könnte künftig den größten Staatskonzern mit seinen 300 000 Mitarbeitern leiten? Hier ein Überblick über die Kandidaten und ihre Chancen.

Ronald Pofalla

Der 57-jährige Ex-Kanzleramtschef und enge Vertraute von Regierungschefin Angela Merkel wird häufig als Kronprinz genannt. Der langjährige CDU-Berufspolitiker und diplomierte Sozialpädagoge, der erst vor zwei Jahren als Cheflobbyist zum Staatskonzern kam und seit einem Monat die Infrastruktursparte leitet, hat aber keine Erfahrung im operativen Geschäft eines technologischen Großkonzerns. Zudem gibt es bei der SPD, die in der Koalition über den Bahn-Chef mitentscheiden will, sowie in Gewerkschaftskreisen große Vorbehalte gegen Pofalla. Ob die Kanzlerin im Wahljahr einen Konflikt riskiert, ist fraglich.

Chancen: mittelmäßig.

Berthold Huber

Der 53-jährige Verkehrsvorstand wäre eine weitere interne Option. Der Heidelberger ist Politikwissenschaftler, arbeitet seit 20  Jahren  für den  Konzern  und  war zuvor bei einer Unternehmensberatung. Im wichtigen Regional- und Fernverkehr hat er sich in Führungspositionen langsam nach oben gearbeitet, seit Mitte 2015 leitet er alle Verkehrssparten. In seiner Amtszeit fuhr die DB allerdings tief in die Krise.

Chancen: eher gering.

Richard Lutz

Der 52-jährige Betriebswirt ist der Herr der Zahlen bei der Bahn und gilt als exzellenter Fachmann und Controller. Der Pfälzer leitet nun in einer Interimslösung den Schienenkonzern, für den er bereits seit 23 Jahren arbeitet. Dem Finanzexperten fehlt aber der direkte Draht zur Basis und zum operativen Geschäft, auch politisch gilt Lutz als wenig vernetzt. Chancen: gering.

Birgit Bohle

Die Chefin des DB-Fernverkehrs, ehemalige McKinsey-Beraterin und Mutter zweier Kinder, hat im Staatskonzern in kurzer Zeit eine beachtliche Karriere hingelegt. Die 1973 geborene Managerin gehört zur jüngeren Generation der Führungskräfte im Unternehmen und wusste bereits als DB-Vertriebschefin mit Charme, Eloquenz und Sachkunde zu überzeugen. In der Koalition und bei den Gewerkschaften gibt es einflussreiche Personen, die gerne eine Frau an der Spitze des größten Staatskonzerns sähen. Bohle wäre eine Option, der Sprung an die Spitze käme aber womöglich noch zu früh.

Chancen: durchaus vorhanden.

Volker Kefer

Der 60-jährige Ingenieur und Vizechef der Deutschen Bahn musste den Konzern Ende 2016 verlassen, nachdem er im Machtkampf mit Ronald Pofalla den Kürzeren gezogen hatte. Zum Verhängnis wurden dem Infrastrukturvorstand seine wiederholten Fehleinschätzungen und Falschangaben beim Großprojekt Stuttgart 21. Trotzdem gibt es Stimmen, die sich nun Kefers Rückkehr wünschen. Denn der langjährige Bahn-und Siemens-Vorstand verstand in der DB-Spitze mit Abstand am meisten vom komplexen Rad-Schiene-System und wusste sich auch geschickt in der Öffentlichkeit zu behaupten.

Chancen: gering.

Klaus Kremper

Der 54-jährige diplomierte Maschinenbauer, Wirtschaftsingenieur und Volkswirt ist ein Mann vom Fach, der die Deutsche Bahn bestens kennt. Bis 2009 leitete der Reserve-Major der Bundeswehr die Gütersparte des Konzerns und machte sie erstmals profitabel. Zuletzt sanierte er als Vorstandschef den Stahlanbieter Knauf Interfer und gründete die Particon Industrie Holding, die Logistikunternehmen entwickelt. Seine Ambitionen auf eine Rückkehr zur Bahn unterstrich der Manager unlängst mit der Präsentation eines umfassenden Konzepts zur Neuausrichtung des Konzerns in einem Fachmagazin. Bei den Gewerkschaften gibt es teils große Sympathien für Kremper, viele hielten seine Ablösung nach Grubes Antritt für falsch.

Chancen: durchaus vorhanden.

Christian Schreyer

Der Chef des größten DB-Konkurrenten Transdev kennt das Bahngeschäft und den Staatskonzern bestens. Der Münchner Jurist (Jahrgang 1968) war in der Ära Mehdorn für die Konzernstrategie zuständig, unter Grube übernahm er die Sanierung der maroden Tochterfirma Schenker Rail Polska. Seit Mitte 2014 leitet er den Konkurrenten Transdev und scheut auch deutliche öffentliche Kritik am DB-Kurs nicht.

Chancen: durchaus vorhanden.

Stephan Krenz

Der Wirtschaftsingenieur ist als Chef des DB-Konkurrenten Abellio Deutschland ebenfalls ein Mann vom Fach. Zunächst Unternehmensberater, machte Krenz dann beim weltgrößten Schienenfahrzeughersteller Bombardier Karriere, den er 2010 als Präsident des mitteleuropäischen Zuggeschäfts und Deutschland-Geschäftsführer verließ. Danach arbeitete Krenz als Berater, leitete ein Start-up und sanierte eine kleine Firma. Seit dem Jahr 2015 steht Krenz als Präsident auch Mofair, dem Bündnis für fairen Wettbewerb im Schienenpersonenverkehr, vor.

Chancen: durchaus vorhanden.

Andreas Meyer

Wenn ein Vorbild für guten Bahnverkehr gesucht wird, blicken Experten gerne in die Schweiz. So wundert es nicht, dass auch der Chef der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) als Wunschkandidat für die DB-Spitze genannt wird. Der 55-jährige Jurist und Sohn eines Eisenbahners brächte ideale Voraussetzungen mit. Meyer leitet seit zehn Jahren erfolgreich die SBB und war zuvor bis 2006 fast ein Jahrzehnt für die Deutsche Bahn tätig. Zunächst stellte er als Chef die DB-Energiesparte neu auf, danach übernahm er den Stadtverkehr und war zuletzt auch Mitglied der Konzernleitung. Der gebürtige Basler könnte glaubwürdig für einen Neuanfang und politischen Strategiewechsel stehen.

Chancen: sehr gut.

Sigrid Evelyn Nikutta

Die promovierte Psychologin hat in der männerdominierten Verkehrsbranche als Frau eine beispiellose Karriere geschafft. Bereits seit 2010 leitet die Mutter von fünf Kindern, die im polnischen Masuren geboren wurde und in Ostwestfalen aufwuchs, eines der größten kommunalen Verkehrsunternehmen in Europa, die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) mit rund 14 000 Mitarbeitern. Dort sitzt sie trotz einiger Probleme fest im Sattel. Zuvor arbeitete Nikutta fast anderthalb Jahrzehnte bei der Deutschen Bahn, stieg zunächst zur Personalchefin bei DB Schenker Rail auf, wurde später Leiterin des Ganzzugverkehrs in Mainz und Produktionsvorstand bei der polnischen Güterbahn. Die Managerin hat in allen wichtigen Sparten Erfahrung vorzuweisen und kennt auch das politische Interessengeflecht in der Hauptstadt. Einflussreiche Aufsichtsräte trauen Nikutta den Sprung an die DB-Spitze zu, Angebote zur Übernahme des DB-Personalressorts gab es bereits früher. Ein Ortswechsel wäre nicht nötig, die BVG-Chefin ist in Berlin verwurzelt. Auch finanziell wäre der Wechsel für sie reizvoll, DB-Chef Grube verdiente mit rund 1,4 Millionen Euro zuletzt fast das Dreifache.

Chancen: sehr gut.

Mister Unbekannt

Bei der politisch bestimmten Besetzung der Bahn-Spitze ist es immer möglich, dass die Regierung am Ende einen Konsens-Kandidaten beruft, den kaum jemand auf der Rechnung hatte. Auch Grube und Vorgänger Mehdorn, beide ehemalige Daimler-Manager, schafften es überraschend von außen in den Chefsessel.

Chancen: Nichts ist bei der DB unmöglich.