Defekte Klimaanlagen, kaputte Toiletten und Verspätungen: Die Deutschen Bahn will ihr Image verbessern. Foto: dpa

Die Bahn schätzt ihre Lage so prekär ein, dass sie eine tiefgreifende Änderung ihrer Unternehmenskultur für notwendig hält. Immerhin, bis 2020 soll alles besser werden - auch für Stuttgart.

Berlin - Schon Mitte Dezember hatte Bahnvorstandschef Rüdiger Grube drastische Reformen angekündigt. Aus dem Strategiepapier, das diesem Umschwung zugrunde liegt, lässt sich der prekäre Zustand des Konzerns herauslesen. Allerdings soll sich nun alles ändern.

Manches auch in Stuttgart. Die Bahn will 31 S-Bahn-Tunnelbahnhöfe „durch Revitalisierung des Erscheinungsbilds deutlich verbessern“. Dabei konzentriert sich der Konzern auf die großen unterirdischen S- Bahnstationen von Hamburg, Frankfurt, München und eben Stuttgart. Überall dort seien „Wände, Decken und Böden so überholungsbedürftig, dass eine Grundreinigung nicht mehr ausreicht“.

Aber das ist nur ein Detail eines weitreichendes Konzept, dessen letzte Stufe der Ausgestaltung erst 2020 erreicht sein soll. Aber schon in diesem Jahr soll sich für Bahnkunden spürbar etwas ändern. „Ärgernisse kundenwirksam abstellen“ heißt das im Bahndeutsch. So will die DB im laufenden Jahr wenigstens eine „vollständige und korrekte Anzeige der relevanten Züge am Gleis“ und eine „100-prozentig korrekte Wagenreihung“ hinbekommen. Bis zum 3. Quartal sollen Multifunktionsanzeiger bereit stehen, die in der Lage sind, mehrere Züge gleichzeitig anzuzeigen. Damit sollen die „verschwindenden Züge“ der Vergangenheit angehören – also so verspätet einfahrende Züge, das an der Anzeige bereits der nachfolgende Zug gemeldet wird.

Bahn will Kinderbetreuung in Fernverkehrzügen ausbauen

Noch im ersten Halbjahr 2016 sollen auch alle ICE und IC vollständig entstört werden, um technische Defekte zu minimieren. Die Entstörkapazität soll in der Nacht von rund 60 auf über 120 ICE angehoben werden, „um die Schadfreiheit im morgendlichen Anlauf dauerhaft abzusichern“. Die Kinderbetreuung in Fernverkehrszügen soll systematisch ausgeweitet werden, „ab 2016 zunächst auf 32 Züge am Samstag und Sonntag“. Noch in diesem Jahr sollen auch „an kritischen Bahnhöfen der Reinigungsstand erhöht“ und die Qualität der Toiletten verbessert werden. In Ballungszentren ist es das DB-Ziel, die Zuverlässigkeit von Aufzügen und Rolltreppen auf 97 Prozent zu steigern.

Das sind Sofortmaßnahmen. Langfristig soll alles noch schöner werden. Bis 2020 gibt sich die Bahn Zeit, um den Kunden Deutschlands größtes mobiles WLAN-Netz zur Verfügung zu stellen. Es soll einen einheitlichen Zugang und Standard sowohl im Fern- als auch im Nahverkehr und in den Bahnhöfen garantieren. Schon heute benutzen 75 der Reisenden ein – noch ziemlich wackliges – mobiles Internet.

Viel vorgenommen hat sich die DB bei ihren Bahnhöfen. Sie sollen sich zu einem „Aushängeschild mausern“. Da gibt es einen Strategiewechsel: weg von der Konzentration auf Großprojekte, hin zu kleineren Verbesserungsmaßnahmen, die auch kurzfristig zu spürbaren Verbesserungen führen sollen.

Konzern will im Fernverkehr Pünktlichkeit von mehr als 85 Prozent erreichen

Das soll mit Kleinigkeiten wie den Austausch defekten Bahnhofsuhren anfangen. Seit Jahren leer stehende alte Bahnhofsgebäude werden abgerissen. Über allem aber steht das große Ziel, dass die Bahn den Kunden gegenüber als verlässlich erscheint. Der Parameter schlechthin dafür ist die Pünktlichkeit. Das ausgegebene Ziel ist nun, im Fernverkehr eine Pünktlichkeit von über 85 Prozent zu erreichen, im Regionalverkehr von über 95 Prozent.

Die Veränderungen sollen sich ausdrücklich auch auf das Personal auswirken. Für den Abbau von Beschäftigung finden sich immer sehr kreative Wortschöpfungen. Die der Bahn heißt „sozialverträgliche Kapazitätsanpassung“. Kündigungen wird es wohl nicht geben, aber im Alltag der Beschäftigten dürfte sich einiges ändern. In keinem Unternehmen der Wettbewerber finde sich eine solche Regelungsdichte für das Personal. Das soll sich ändern.

Zu Nachteilen führten „die tariflichen Regelungen zur Anrechnung unproduktiver Zeiten wie Tätigkeitsunterbrechungen oder Zeiten ohne Arbeitsverpflichtung“. Hier will der Konzern mit den Gewerkschaften Lösungen finden, die „Produktivitätsfortschritte“ ermöglichten. Es soll stärker mit Bonus-Anreizen gearbeitet werden, und Führungskräfte sollen mit einer „Erfolgsbeteiligung“ motiviert werden. Für all das zusammen will die DB bis 2020 die Ausgaben um 700 Millionen Euro erhöhen. 400 Millionen davon sollen aus Eigenmittel erwirtschaftet werden, 300 Millionen vom Staat kommen. Ob der Konzern in der Lage ist, die 400 Millionen Eigenmittel locker zu machen, ist eine der Unbekannten in der Gleichung.

Bahnchef Rüdiger Grube ist nun seit sechs Jahren an der Spitze des Konzerns. Dort kommt seine im Vergleich zum bulligen Vorgänger Mehdorn eher vermittelnde Art nicht schlecht an. Grube, inzwischen 64 Jahre alt, würde gerne weitermachen. Das muss 2016 entschieden werden. Die Reform, die größte seit 1994, soll sein Werk werden. So stellt er es sich vor. So , wie die Bahn heute dasteht, wünschen ihm die Kunden dabei alles Gute.