Bahn-Chef Richard Lutz will die Deutsche Bahn pünktlicher machen – auch mit Einnahmen aus dem kompletten oder auch nur teilweisen Verkauf der britischen Tochter Arriva. Foto: dpa

Neben einem Komplettverkauf zieht Deutsche-Bahn-Chef Richard Lutz nun auch eine Aktienplatzierung des britischen Tochterunternehmens in Betracht.

Berlin - Die Deutsche Bahn AG prüft neben dem Komplettverkauf von Arriva nun gleichwertig auch den Börsengang des britischen Tochterunternehmens mit seinen rund 53 000 Mitarbeitern. Der Bieterprozess laufe, aber erst nach der Sommerpause ab September würden die Details vorliegen und dann werde entschieden, sagte der DB-Vorstandsvorsitzende Richard Lutz unserer Redaktion.

„Es gibt erfreulicherweise genügend Interessenten. Wir werden sehen, ob sich ein oder mehrere Investoren finden, die bereit sind, Arriva vollständig zu akzeptablen Bedingungen zu kaufen“, betonte der Bahnchef. Alternativ zum Komplettverkauf könnte zunächst ein Minderheitsanteil an der Börse platzieren werden – und zwar mit der Perspektive, dass die Bahn bereit sei, ihre Anteile später komplett abzugeben.

Die DB AG hatte Arriva 2010 für 1,9 Milliarden Euro gekauft, mit diesem Buchwert steht die Tochter auch in der Bilanz. Zudem wurden 1,1 Milliarden Euro Schulden übernommen. Ein Verkaufspreis von mindestens drei Milliarden Euro gilt daher als nötig, zumal die DB auch investiert hat und Arriva profitabler wurde.

Viele Investoren meiden wegen des Brexits die britische Insel

In Bahnkreisen hoffte man zunächst auf Erlöse von bis zu fünf Milliarden Euro, zumal mit dem Verkauf der ähnlich große Finanzbedarf des Staatskonzerns gedeckt werden soll. Viele Investoren meiden aber wegen des Brexits erst einmal die britische Insel. Arriva ist dort stark im Bus- und Bahngeschäft, jedoch auch auf dem europäischen Kontinent in einem Dutzend Ländern gut aufgestellt.

Der DB-Aufsichtsrat hat den Vorstand im März beauftragt, den Verkauf von Arriva in die Wege zu leiten und dabei mehrere Optionen offen gehalten. Mit den Einnahmen soll die Agenda für eine bessere Bahn finanziert werden, mit der DB-Chef Richard Lutz die Qualität und Pünktlichkeit im Personen- und Güterverkehr verbessern will. Die bereits hohe Verschuldung des Konzerns von rund 20 Milliarden Euro soll nicht weiter steigen.

Schon 2016 hatte die DB-Spitze noch unter dem früheren Bahn-Chef Rüdiger Grube einen Teilverkauf von Arriva ins Auge gefasst, wollte damals aber noch die Mehrheit behalten. Das Vorhaben wurde abgebrochen, stattdessen stockte der Bund als Eigentümer das Eigenkapital seines größten Konzerns auf und verzichtete auf Dividenden im Umfang von zusammen mehr als zwei Milliarden Euro.

Ein Verkauf der Logistiktochter Schenker schließt Konzernchef Lutz derzeit aus

Einen Verkauf der Logistiktochter Schenker, um weiteren finanziellen Spielraum zu bekommen, schließt Lutz derzeit aus. Vielmehr wolle man mit der größten Lkw-Spedition Europas mehr „grüne Logistikketten“ entwickeln und die Vernetzung mit Bahntransporten stärken. Der DB-Aufsichtsrat trifft sich Mitte Juni, um in einer Klausur die schwierige Lage der DB AG und die Agenda zu beraten.

„Bis Juni werden gewiss noch keine finalen Angebote auf dem Tisch liegen“, so Lutz. Der Verkaufsprozess befinde sich noch in der ersten Phase. Nach seiner Einschätzung hat Arriva mit einem neuen Eigentümer bessere Chancen, vorhandene Wachstumschancen wahrzunehmen. Die Bahn hingegen müsse ihre knappen Ressourcen in das deutsche Schienennetz stecken, um dort höhere Kapazitäten bei Infrastruktur, Fahrzeugen und Personal zu schaffen.

Arriva ist in London für die roten Doppeldeckerbusse bekannt

Arriva setzte im vergangenen Jahr rund 5,4 Milliarden Euro um und steuerte zum DB-Konzernergebnis einen fast unveränderten Vorsteuergewinn von 300 Millionen Euro (Ebit) bei. Vor allem in Großbritannien ist die Marke sehr bekannt. Das Unternehmen betreibt unter anderem die berühmten roten Doppeldeckerbusse in London und entstand aus einem Motorradladen, den die Familie Cowie 1938 in der nordenglischen Stadt Sunderland eröffnete.

Arriva besitzt mehr als 1000 Züge sowie 17 000 Busse und betreibt allein auf der Insel fast 600 Bahnhöfe und 48 000 Haltestellen. In Europa fährt Arriva unter anderem Züge in Schweden, Portugal und den Niederlanden sowie Busse in Dänemark, Tschechien, der Slowakei und Italien. Die DB-Tochter betreibt auch Straßenbahnen, Wasserbusse und in Kopenhagen eine große Mietwagenflotte.