Bundesaußenminister Gabriel im Gespräch mit seinem türkischen Amtskollegen Cavusoglu. Foto: dpa

Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) hat sich weitere Nazi-Vergleiche von Seiten türkischer Politiker verbeten. „Es gibt Grenzen, die man nicht überschreiten darf“, sagte der Außenminister nach einem Gespräch mit seinem türkischen Amtskollegen Mevlüt Cavusoglu in Berlin.

Berlin - Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte schon vor seinem Treffen mit seinem türkischen Amtskollegen Mevlüt Cavusoglu am Mittwoch in einem Berliner Hotel vorsichtshalber vor hohen Erwartungen gewarnt. Zu heftig waren die Attacken des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und seiner Regierungsmitglieder auf die Bundesregierung, gipfelnd in dem Vorwurf Erdogangs und Cavusoglus, das deutsche Vorgehen ähnle dem der Nazi-Zeit.

Kanzlerin Angela Merkel, die sich bis zu diesem Zeitpunkt zurückhielt und dafür in den eigenen Reihen Unmut riskierte, sagte daraufhin, „solche deplatzierten Äußerungen“ könne man „ernsthaft gar nicht kommentieren“. Dennoch mühte man sich im Außenministerium weiter darum, mit der Türkei, die immerhin eine der größten Armeen in der Nato stellt, im Gespräch zu bleiben. Gabriel hatte zuletzt sogar davor gewarnt, Erdogan könnte statt mit der Nato irgendwann einmal mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin militärisch gemeinsame Sache machen.

Mit Cavusoglu telefonierte Gabriel bereits am vergangenen Freitag, nun also das gemeinsame Frühstück in einem Berliner Hotel. Gabriel wies in dem Krisengespräch Nazi-Vergleiche der Regierung in Ankara abermals zurück. Es gebe Grenzen, „die man nicht überschreiten darf, und dazu gehört eben der Vergleich mit Nazi-Deutschland“, so Gabriel nach dem Treffen. Das Gespräch sei „hart und kontrovers in der Sache“, aber zugleich „gut“, „ehrlich“ und „freundlich“ gewesen. „Wir waren uns einig, dass keine der beiden Seiten ein Interesse daran hat, die Beziehungen nachhaltig zu beschädigen“, sagte Gabriel. „Schritt für Schritt“ wolle man nun in weiteren Gesprächen zu einem normalen Verhältnis zurückzukehren. Gabriel appellierte zugleich an die Türken, den Streit um das Verfassungsreferendum nicht nach Deutschland zu tragen. „Wir dürfen es in Deutschland nicht zulassen, dass politische Auseinandersetzungen aus der Türkei nach Deutschland importiert werden.“

Generelles Auftrittsverbot für türkische Politiker kommt für Bundesregierung nicht in Frage

Mehrere kommunale Verwaltungen hatten zuletzt die Auftritte von türkischen Ministern in Deutschland nach Versammlungsrecht untersagt, weil Parkplätze fehlten. Zum Beispiel war ein geplanter Auftritt des türkischen Justizministers in Gaggenau abgesagt worden:

Zuletzt war bei einem geplanten Auftritt des Außenministers Cavusoglus in Hamburg der Brandschutz nicht gewährleistet. Der Außenminister trat dann doch noch in der Hansestadt auf, im türkischen Konsulat, das türkisches Territorium mit diplomatischen Sonderrechten ist. Das deutsche Versammlungsrecht greift hier nicht. Cavusoglu beklagte zwar abermals „systematische Propaganda gegen unsere Veranstaltungen“.

Das darauf folgende Treffen mit Gabriel war das erste Treffen auf Regierungsebene, seit die Inhaftierung von Deniz Yücel, eines deutsch-türkischen Journalisten der Zeitung „Welt“, und die Absage der Auftritte die ohnehin angespannten Lage weiter belastete und Gabriel veranlasst hatte, mit Blick auf die Beziehungen beider Länder von der „größten Belastungsprobe in der Gegenwart“ zu sprechen. Man will sich in Berlin gleichwohl nicht zu sehr von den Provokationen aus der Türkei reizen lassen. Erdogan würde dies unnötig in die Hände spielen, heißt es. Deshalb wird regierungsseitig ein ums andere Mal betont, dass das Recht auf Meinungsfreiheit selbstverständlich auch türkischen Regierungsmitgliedern nicht abgesprochen werden könne. Ein generelles Auftrittsverbot von Seiten der Bundesregierung komme nicht in Frage, was freilich die Kommunen laut Gesetz nicht daran hindere, eigene Entscheidungen zu treffen, so die Position der Bundesregierung.

Erdogan fürchtet Niederlage bei Verfasungsreferendum

Erdogan, so die Einschätzung der deutschen Diplomatie, fache den Konflikt immer weiter an, um die rund 1,4 Millionen in Deutschland lebenden Menschen mit türkischem Pass auf diese Weise auf seine Seite zu bringen. Er brauche deren Stimmen, um bei der Abstimmung über sein umstrittenes Verfassungsreferendum am 16. April, mit dem er seine Machtstellung weiter ausbauen will, keine Niederlage zu riskieren. Deshalb die Auftrittsversuche seiner Minister, deshalb die maßlosen Reaktionen auf die Verbote örtlicher Behörden.

Erdogan, so die Befürchtung, sei auch deshalb an einer Eskalation gelegen, weil er so von innenpolitischen und wirtschaftlichen Problemen ablenken könne. Unverhohlen drohe Erdogan deshalb auch mit dem Aufkündigen des Flüchtlingspaktes. Aber eben jener ökonomische Druck, verursacht durch ausbleibende Touristen und ein zunehmend unsicheres Investitionsklima, könne Erdogan auch wieder veranlassen, irgendwann beizudrehen. Das jedenfalls hoffen sie in der Bundesregierung. Bis dahin gilt in Berlin die Devise: Nerven behalten. Kanzlerin Merkel hat für diesen Kurs am Dienstag in der Unionsfraktion geworben. „Das halten wir aus“, sagte sie nach Teilnehmerangaben.