Wladimir Putin und Angela Merkel beraten im Schlossgarten die Weltlage. Foto: Bundesregierung

Als Putin Merkel trifft, hat er sein medienwirksames Tänzchen mit Österreichs Außenministerin schon hinter sich. Das Arbeitstreffen mit der Kanzlerin soll den Beginn einer Wiederannäherung markieren.

Berlin - Die Abendsonne scheint noch – die russischen, deutschen und europäischen Fahnen vor dem Eingang von Schloss Meseberg schwingen leicht im Sommerwind. Die Szenerie vor dem Gästehaus der Bundesregierung im Norden von Berlin wirkt heiter. Natürlich hat Russlands Präsident Wladimir Putin die Don-Kosaken nicht dabei, die er der österreichischen und FPÖ-nahen Außenministerin Karin Kneissl nachmittags quasi als Geschenk zum „rein privaten“ Besuch bei ihrer Hochzeit mitgebracht hat. Und ein Tänzchen steht bei seinem Treffen mit der deutschen Kanzlerin auch nicht auf dem Programm. Er hat Angela Merkel warten lassen, aber mit einer halben Stunde ist die Verspätung übersichtlich geblieben. So liegt beim Händedruck der Regierungschefs zur Begrüßung ein Lächeln auf dem Gesicht von beiden. Wenig später, als Merkel und Putin zu ihren knapp bemessenen Statements noch einmal vor die Tür treten, bleiben die Gesichter ernst.

Der erste Besuch seit vier Jahren

Es geht um die Ukraine, um Syrien, um die umstrittene Gaspipeline durch die Ostsee, Nordstream 2, sowie den Iran und die bilateralen Beziehungen. Nichts davon ist einfach, und kein Problem ist neu. Vor drei Monaten hat Merkel den Russen in seiner Sommerresidenz in Sotschi besucht, jetzt ist er zum Arbeitstreffen vor den Toren von Berlin gekommen. Es ist sein erster Besuch in Deutschland seit vier Jahren. Damals begann die Eiszeit mit der Annexion der Krim durch Russland und den Kampfhandlungen in der Ostukraine, wo bis heute täglich Menschen im Feuer von russischen Soldaten sterben. Funkstille gab es zwischen den beiden trotzdem nicht – mehr als fünfzig Telefonate und ein gutes Dutzend Begegnungen bei internationalen Gipfeln oder Treffen im Normandie-Format sind in den vergangenen fünf Jahren offiziell registriert worden. Dass es nach drei Monaten bereits einen neuen Arbeitsbesuch gibt, ist ein Zeichen, dass die bilateralen Kontakte jetzt wieder intensiviert werden sollen. Zwar hat Merkel vor dem Wochenende bereits erklären lassen, mit konkreten Ergebnissen sei nicht zu rechnen, aber Fortschritte in Details werden wohl erwartet.

Der Takt der Begegnungen verdichtet sich wieder

Jetzt also will Merkel „den Gesprächsfaden von Sotschi“ wieder aufnehmen. „Dass es so viele Probleme weltweit gibt, unterstreicht die Möglichkeit Lösungen zu finden“, sagt die Kanzlerin im gewohnten Merkel-Deutsch. Beide Staaten trügen dabei Verantwortung. Als erstes verweist sie auf die Ukraine und dass die Grundlage für eine Lösung die Minsker Vereinbarung sei und dass bis heute ein stabiler Waffenstillstand fehle. Über eine UN-Mission, die beide Seiten befürworten, werde auch gesprochen, kündigt Merkel an. Allerdings ist dies nicht das erste Mal der Fall, und bisher haben die Partner sich nicht auf eine gemeinsame Auftragsbeschreibung für die Friedenstruppe einigen können. Merkel pocht außerdem erneut darauf, dass die Ukraine weiterhin eine Rolle im Gastransit spielen müsse, auch noch, wenn umstrittene die Gaspipeline Nordstream 2 fertiggestellt sei. Auch das ist eine alte Position. Bei Syrien gelte es vor allem, eine humanitäre Katastrophe zu verhindern. Das Abflauen der Kampfhandlungen schaffe noch keine Friedensordnung, betont Merkel, dazu bedürfe es einer Verfassungsreform und Wahlen. Den syrischen Machthaber Baschar al Assad, mit dem die Europäer sich keine Friedensordnung vorstellen können und der sich dank russischer Militärhilfe an der Macht hält, erwähnt sie nicht.

Forderung nach Wiederaufbauhilfe in Syrien

Wladimir Putin spricht länger als seine Gastgeberin. Er ruft Europa zur Hilfe beim Wiederaufbau in Syrien auf. Es komme jetzt auf humanitäre Hilfe für das syrische Volk an, betont Putin. Es gehe darum, dass Flüchtlinge, nicht nur aus Europa, sondern auch aus Jordanien mit einer Million und der Türkei mit 350 000 Geflüchteten in ihre syrische Heimat zurückkommen könnten. „Das ist potenziell eine große Last für Europa“, sagt er. Für die Rückkehr müssten „einfache Dinge“ getan werden, etwa die Wasserversorgung oder ärztliche Dienste in Syrien wiederherzustellen. Gleich am Anfang lobt der Gast die deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen. 2017 seien sie um 22 Prozent auf 55 Milliarden Doller gewachsen, in diesem Jahr kämen noch einmal 25 Prozent hinzu – als würden die vom Westen verhängten Sanktionen nicht wirken.

Das erzählt Putin gerne, auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat diesen Vortrag bei seinem letzten Moskau-Besuch zu hören bekommen. Auch die seit vierzig Jahren stabilen Gaslieferungen seines Landes nach Deutschland unterstreicht der russische Präsident. Diese würden durch die Ostseepipeline Nordstream 2, die direkt von Russland nach Deutschland führt, noch verbessert. Eine Fortsetzung des Gastransits durch die Ukraine auch nach dem Bau der neuen Pipeline schließt er nicht aus. „Die Hauptsache ist, dass dieser Transit durch die Ukraine, der Tradition hat, wirtschaftlichen Anforderungen entspricht“, fügt er hinzu.

Medienwirksame Reise nach Österreich

Zuvor hat ihm ein russischer Journalist noch eine Frage in seiner Muttersprache zugerufen, die Putin beantwortet: „Das war ein guter Ausflug, sehr freundlich. Es war ein privater Besuch.“ Da geht es dann nochmal um die Hochzeit der österreichischen Außenministerin. Putin hat sie mit seiner Stippvisite geadelt. Österreichs Kanzler Sebastian Kurz und FPÖ-Chef Christian Strache waren auch unter den Gästen. Putins Sprecher Dmitri Peskow berichtete österreichischen Nachrichtenagenturen, dass der Präsident etwa eine Stunde auf der Hochzeit verbracht habe und „dankbar und froh sei, dass er eine Gelegenheit bekommen habe, das gastfreundliche Österreich zu besuchen“. Dankbar und froh war Putin sicher auch, mit Fotos und Fernsehbildern ein gutes Einvernehmen mit der Regierung unter Beweis zu stellen, die turnusgemäß die EU-Ratspräsidentschaft innehat. So freundliche Gesten konnte er von den Europäern seit der Annexion der Krim nicht mehr erwarten.

In Meseberg ist der Abend lauschig. Merkel und Putin sitzen zunächst im Garten. Nach drei Stunden sind ihre Beratungen beendet. Über konkrete Ergebnisse und Inhalte wird nichts bekannt.