Händeschütteln der Parlamentspräsidenten zur Feier des 55. Jahrestags des deutsch-französischen Elysée-Vertrages: François de Rugy und Wolfgang Schäuble Foto: AFP

Bei der Feier des 55. Jahrestags des Elysée-Vertrags blasen Deutsche und Franzosen zum Aufbruch in Europa. Frankreich-Korrespondent Axel Veiel ist skeptisch, dass den großen Worten auch Taten folgen.

Paris - Was für Europa gilt, das gilt auch für Deutschland und Frankreich. Zusammenhalt  lässt sich nicht verordnen. Die Menschen müssen ihn wollen, dazu muss die Politik ihre Herzen gewinnen. Deshalb ist es gut, dass Berlin und Paris zur Feier des 55. Jahrestags des Elysée-Vertrags nicht nur ein paar Schräubchen im deutsch-französischen Getriebe festgezogen haben: etwa bei der Angleichung der Unternehmensteuer oder der besseren Verzahnung des Konkursrechts. Vielmehr haben die Volksvertreter beider Länder am Montag die oft beschworene Nähe auch demonstriert.

Frankreichs Parlamentspräsident François de Rugy hat sich im Bundestag in deutscher Sprache an die Abgeordneten gewandt, Deutsche und Franzosen als „eine Familie“ gepriesen. De Rugys Kollege Wolfgang Schäuble hat in der Nationalversammlung das Wort ergriffen. Das waren bewegende Momente. Nicht zu vergessen das in einer Resolution beider Parlamente dokumentierte Versprechen, die deutsch-französische Freundschaft auf ein neues Fundament zu stellen, den alten Elysée-Vertrag durch einen neuen zu ersetzen.

Mehr deutsch-französischer Zusammenhalt ist nötig

Mehr deutsch-französischer Zusammenhalt braucht es in der Tat. Die Verflechtungen zwischen beiden Ländern sind bereits vielfältig. Weltweit gibt es keine Nationen, die so eng zusammenarbeiten wie Deutsche und Franzosen. Aber das reicht eben nicht. Eine gefestigte EU tut not, wollen die Europäer in Zeiten von Trump, Putin und Xi Jinping international noch Gehör finden. Und wer soll dies leisten, wenn nicht Deutsche und Franzosen, die ein Drittel der EU-Bevölkerung stellen, die Hälfte ihres Wohlstands erwirtschaften?

Ob offene Grenzen oder gemeinsame Währung: Stets waren sie es, die dem Fortschritt den Weg gebahnt haben. Eine andere Frage ist, ob es hierzu wirklich einer neuen vertraglichen Grundlage bedarf. Zweifel sind angebracht. Was Konrad Adenauer und Charles de Gaulle vor 55 Jahren besiegelt haben, war nicht nur die historische Aussöhnung der Kriegsgegner. Die Staatsmänner haben 1963 mit dem Vertrag der Völkerfreundschaft auch ein Fundament gelegt, das sowohl solide in seinen Grundfesten ist, als auch offen für Neuerungen wie einen Ausbau der Zusammenarbeit. So haben etwa Ende der Achtzigerjahre Bundeskanzler Helmut Kohl und Frankreichs Präsident François Mitterrand in einem Annex zum Elysée-Vertrag den Fernsehsender Arte und das Eurokorps aus der Taufe gehoben. 

Deutschland muss die Chance nutzen, die Macron bietet

Sei es jedoch eine Angleichung des Sozialrechts oder eine bessere Verzahnung von Außen- und Verteidigungspolitik: Was die Parlamente beider Länder auf der Grundlage eines neuen Abkommens erstreben, ist auch mit dem alten zu verwirklichen. Und vor einem neuen Vertrag sollte Deutschland endlich die Chance nutzen, die sich mit der Präsidentschaft des überzeugten Europäers Emmanuel Macron in Frankreich aufgetan hat.

Eine handlungsfähige deutsche Regierung braucht es dazu und den Mut, dem Franzosen die Hand zu reichen, der die auf beiden Seiten des Rheins so lange vermisste Kraft zur Vision aufbringt, mit Ideen zur Festigung von Eurozone und EU aufwartet. So wie es ja einst einer Menge Mut, ja Kühnheit bedurfte, um 18 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg der Völkerfreundschaft das Wort zu reden und sie auch noch vertraglich festzuschreiben.

Aber auch wenn es der alte Elysée-Vertrag noch tut: die Ankündigung eines neuen ist gleichwohl zu begrüßen. Als ein Signal zum überfälligen Aufbruch nämlich. Nicht von ungefähr war es Frankreichs viel auf Symbolik und Inszenierung gebender Staatschef, der einen neuen Elysée-Vertrag angeregt hatte. Die Ankündigung besagt im Klartext: Deutsche und Franzosen haben Großes vor. Bleibt zu hoffen, dass dem Trompetentusch der Aufbruch folgt.