Deutschkurs in der Volkshochschule – nicht nur für Schüler anstrengend, sondern auch für Lehrer. Die verlangen bisher vergeblich ein Urlaubsentgelt. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Sie bringen für 35 Euro pro Unterrichtseinheit Zugewanderten Deutsch bei. Doch Honorarlehrkräften zahlt die Volkshochschule kein Urlaubsentgelt – und sieht den Bund in der Pflicht. Doch die Dozenten wollen sich nicht länger hinhalten lassen.

Stuttgart - Ist es rechtens, dass die Volkshochschule Stuttgart (VHS) ihren Honorarkräften, die Deutsch als Fremdsprache unterrichten, seit Jahren das Urlaubsentgelt vorenthält? Nein, sagen die Betroffenen. Über ihre unbefriedigende Situation haben die Dozentinnen während der Jubiläumswoche der VHS vor dem Treffpunkt Rotebühlplatz aufmerksam gemacht.

Laut der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) warten 26 dieser Honorarkräfte seit 15 Monaten darauf, „dass ihre berechtigten Anträge bearbeitet werden“. „Die GEW macht sich für eine schnelle Prüfung des Rechtsanspruchs auf bezahlten Urlaub stark“, sagte deren Landesvorsitzende Doro Moritz. Dieses Recht besteht laut GEW für Freiberufler dann, wenn sie mehr als die Hälfte ihrer jährlichen Honorareinnahmen von einem Hauptauftraggeber bekommen.

Marianne Althoff ist eine dieser Honorarkräfte. Sie unterrichtet seit 19 Jahren als Kursleiterin der VHS Stuttgart Deutsch als Fremdsprache. Zwei Tage die Woche. Erst für 21, dann für 23 Euro pro Dreiviertelstunde. „Die Kurse sind wirklich anstrengend“, sagt sie, auch wenn sie diese Arbeit gern mache. „Als die Flüchtlingswelle kam, hat das Bamf [Bundesamt für Migration und Flüchtlinge] vorgeschrieben, dass die Träger auf 35 Euro erhöhen müssen“, berichtet sie. Das war 2016. Seither sei nicht mehr erhöht worden. Aber auf ein Urlaubsentgelt wartet die Dozentin wie viele ihrer Kollegen seit 2016. Damals habe man rückwirkend für 2014, 2015 und 2016 die Zusatzzahlung beantragt. Zuvor hätten sie gar nicht gewusst, dass ein Anspruch bestehe, so Althoff. Aber elf Volkshochschulen bundesweit bezahlten das ja – etwa die VHS in Heidelberg. Den nächsten Antrag haben die Stuttgarter für 2017 gestellt – „und bis März wollen wir die Anträge für 2018 abgeben“, sagt Althoff.

Eine gütliche Einigung mit der VHS kam nicht zustande

Zunächst habe man versucht, sich gütlich mit der VHS Stuttgart zu einigen, berichtet Althoff. „Aber die zeigt harte Kante“, so die Dozentin. „Viele unserer Kolleginnen haben Angst, das einzuklagen und Forderungen zu stellen“, berichtet sie. „Wir haben den Eindruck, die wollen uns hinhalten.“ Im vergangenen November hatten Althoff und ihre Kollegen bei einem Treffen mit dem Aufsichtsrat der VHS versucht, eine Einigung zu erreichen – vergeblich. Ihre Argumente, dass sie ja eine wichtige gesellschaftspolitische Aufgabe erfüllten und die VHS im Deutschbereich ja ohnehin Überschüsse erwirtschafte und somit keine zusätzlichen Mittel bereitstellen müsse, zogen nicht. Bürgermeister Werner Wölfle als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender habe ihnen sogar den Klageweg empfohlen, um dadurch Rechtsklarheit zu erreichen. Die Zusicherung, dass den klagenden Lehrkräften dadurch kein Nachteil entstehe, ließen sie sich von Wölfle schriftlich geben.

Die VHS Stuttgart kam zur Einschätzung, dass Dozenten von Integrationskursen freiberufliche Honorarkräfte seien und regelmäßig weder Arbeitnehmer noch Selbstständige mit arbeitnehmerähnlichem Status. „Damit entfallen für sie Leistungen, die in abhängigen Beschäftigungsverhältnissen stehende Personen erhalten“, erklärte VHS-Chefin Dagmar Mikasch-Köthner auf Anfrage – auch wenn zehn von bundesweit fast 1000 Volkshochschulen das anders sähen und das Urlaubsentgelt bezahlten.

Eine politische Lösung sieht die VHS-Chefin nur auf Bundesebene. Es gehe darum, dass man dort „eine Finanzausstattung bereitstellt, die es den Volkshochschulen (und anderen Trägern) erlaubt, ihre Kursleitenden der Bedeutung ihrer gesellschaftlichen Aufgabe angemessen zu honorieren“, argumentiert Mikasch-Köthner. Deshalb verhandle der Deutsche Volkshochschulverband derzeit intensiv mit dem Bamf über eine Erhöhung der Trägerpauschale. Das Bamf erklärte auf Anfrage, es habe auf die Umsetzung des Urlaubsentgeltsanspruchs „keinen Einfluss“. Die Ausgestaltung der Beschäftigungsverhältnisse zwischen Träger und Lehrkräften sei deren Sache. Details könne allein der Träger festlegen.

Mikasch-Köthner hingegen erklärt, anstelle des Bundes die VHS in die Pflicht zu nehmen sei nicht verantwortbar: „Zumal ein solches kompensatorisches Vorgehen gerade in Stuttgart, das in puncto Integration bundesweit einen hervorragenden Ruf genießt, den notwendigen Druck auf das Bamf erheblich mindern würde.“

Dozenten wollen ihr Urlaubsentgelt einklagen

Für den guten Ruf der VHS sieht die GEW deren Dozenten als Aushängeschild. Durch sie leisteten die Volkshochschulen einen entscheidenden Beitrag, um die Demokratie zu stärken und Bildungsbarrieren abzubauen, so Doro Moritz: „Die Anerkennung dieser guten und wichtigen Arbeit beginnt mit einer gerechten Bezahlung, dazu gehört bezahlter Urlaub.“ Den wollen sich die Dozenten jetzt doch einklagen, sagt Althoff. Und zwar bei der VHS.