Ein Prosit auf die Gesundheit: Drink aus Wasser und zerriebenem Vulkangestein Foto: Schwaibold

An Detox scheiden sich die Geister. Eine Woche lang ohne Kaffee, Käse, Brot und Fleisch – kann das gut gehen? Ein Selbstversuch mit zerriebenem Vulkangestein.

Bad Häring - Manche schwören auf Detox, andere runzeln die Stirn. Der Hohenheimer Ernährungsmediziner Stephan Bischoff sagt zum Beispiel: „Die Tipps zur Lebensart für sich genommen sind per se nicht schlecht, aber tatsächlich werden Halbwahrheiten zusammengerührt und zu einem Konzept erhoben, das keiner wissenschaftlichen Überprüfung standhalten würde.“ Dr. Karin Serrat vom Gesundheitsresort Das Sieben in Bad Häring/Tirol hält dagegen; „Unser stressiger Alltag ist geprägt von Derhythmisierung.“ Der Körper aber braucht Rhythmisierung. Sprich: Regelmäßige Mahlzeiten, regelmäßige Pausen, regelmäßige Schlafzeiten. Je älter man werde, „desto weniger schaffen wir Rhythmisierung“, ist Serrats Erfahrung. Das lasse sich bei einer Detox-Woche wieder lernen. Also wagen wir einen Selbstversuch in Bad Häring.

Montag

Schmeckt das bitter! Um 7:30 Uhr ist Antreten zum Teetrinken. Zwei Liter am Tag sollten es schon sein. Wann welcher Tee geschlürft wird, wird strikt nach der Organ-Uhr aus der traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) ausgerichtet. Im täglichen Energiekreislauf hat demnach jedes Organ eine Phase der stärksten Ruhephase. Früh morgens also schlürfen wir Lebertee. Und dazu gibt es das vermeintliche „Wundermittel“ schlechthin: fein zerriebenes Vulkangestein. Ein Messlöffel des grauen Pulvers wird in Wasser aufgelöst. Sieht aus wie frisch angerührter Zement, schmeckt erdig. Es kostet beim ersten Mal einige Überwindung, die trübe Brühe herunter zu schlucken. Das vulkanische Mineral Zeolith soll aber beim Entgiften helfen, die Darm-Wand-Barriere stärken, Schwermetalle binden und ein gesundes Darmmilieu fördern. Laut TCM-Lehre schüttet der Körper früh morgens das Hormon Kortisol aus – eine gute Zeit, um den Darm zu entleeren. Die Verdauung läuft auf Hochtouren. Unsere Diätologin tischt zudem einen warmen Brei mit Zimt und gedämpftes Obst auf.

Österreichs Skisprung-Trainerlegende Alexander Pointner wird später bei einem Vortrag zu den Teilnehmern der Gesundheitswoche sagen: „Nicht nur zum Absprung gehört Mut! Es gehört auch Mut dazu, sich die Zeit zum Regenerieren zu nehmen!“

Dienstag

Karin Serrat bittet zum Gespräch. Tags zuvor hat sie bei mir eine Vitalfeld-Analyse gemacht. 15 Minuten lang fließen über zwei Elektroden, die an meine Füße angeklebt werden, elektrische Impulse durch meinen Körper. Bei einem Teilnehmer kribbelt es so stark, dass er die Behandlung abbricht. Ich dagegen spüre kaum etwas. Die Zellmembranen reagieren auf den Strom und liefern der Ärztin Auskunft über meinen körperlichen Zustand. Nun schenkt sie mir reinen Wein ein. Nur noch 42 Prozent beträgt mein Energieniveau. Zudem sei meine Regulationsfähigkeit mit lediglich sechs Prozent „voll im Keller“. Serrat redet mir ins Gewissen: „Das könnte besser sein“, sagt sie ernst und rät mir zu einer Vitamin-Therapie, wenn ich wieder zu Hause bin. Dabei wird Vitamin C über Infusionen direkt ins Blut gebracht, da die Menge, die dem Körper über den Magen-Darm-Trakt zugeführt werden kann, begrenzt ist.

Wie ein nasser Putzlumpen

Detox ist auch heute wieder buchstäblich in unser aller Munde. Smoothies, Tees und Wasser sollen den Körper von den Toxinen befreien. Auf übersäuernde Lebensmittel wie Kaffee, Alkohol, Fleisch, Käse und Weißmehl wird bewusst verzichtet. Dafür stehen pflanzliche Lebensmittel wie Obst, Gemüse und Buchweizen sowie Suppen und Fisch auf dem Speiseplan.

Mittwoch

„Es könnte sein, dass Sie sich am dritten Tag wie ein nasser Putzlumpen fühlen“, hat uns Karin Serrat schon zu Beginn vorgewarnt. Wie Recht die Frau Doktor hat. 7:30 Uhr Lebertee, 9 Uhr Magentee, 15 Uhr Dünndarmtee, 18 Uhr Nierentee – jeder Schluck kostet mich Überwindung. Na ja, fast jeder. Der Dünndarmtee – eine Mischung aus Galgantwurzel, Zimt, Süßholzwurzel, Ingwerwurzel, Brombeerblätter, Fenchel, Pfeffer, Kardamom, Kreuzkümmel, Zittwerwurzel und Rosenblüten - ist am wenigsten bitter. Er schmeckt mir sogar mittlerweile.

Catharina aus München, die unserer Gruppe angehört, ist heute neben der Spur. Als ich nach dem Mittagessen – es gibt eine leckere Pastinakensuppe mit Forellenfilet – aufstehe, wünscht sie mir „Gute Nacht!“. Bei mir ist es kaum besser. Am Nachmittag vergesse ich einfach eine Anwendung namens Carbovasal. Dabei wird man in einen blauen Plastiksack eingepackt, in den Kohlensäure gepumpt wird. Hat anscheinend den gleichen Effekt wie ein Höhentraining und aktiviert den Kreislauf.

Donnerstag

Ich wache erstmals nachts um 3 Uhr auf und bin unruhig. Meine Ärztin beruhigt mich. Alles im Plan. Zwischen 1 und 3 Uhr nachts findet laut der Organ-Uhr die Leberentgiftung statt. Die Therapie schlägt also an.

Morgens erwische ich mich dann beim Schummeln. Kneipp-Güsse mit kaltem Wasser stehen um 8:45 Uhr auf meinem Programm. Dabei ziehen sich die Blutgefäße zusammen und erweitern sich später wieder bei Wärme. Dadurch wird die Durchblutung gefördert, der Kreislauf angeregt und der Stoffwechsel aktiviert. Therapeut Ronny wartet schon mit dem Wasserschlauch in der Hand. Diese Güsse hatte ich schon am Dienstag und weiß deshalb, wie sehr das im Oberfuß wehtut. Also schleiche ich mich unauffällig zu den beiden Becken mit 36 Grad warmem Wasser auf dem Hinweg und 8 Grad kaltem Wasser auf dem Rückweg. Das Wassertreten ist halb so schlimm wie die Güsse. Gott sei Dank merkt Ronny nicht, dass ich mich heimlich der „falschen“ Gruppe angeschlossen habe.

Freitag

Zum letzten Mal Lebertee! Ich jubele innerlich. Geschafft!

Dafür stellt mich Yoga-Lehrerin Barbara vor Rätsel. Wir sitzen auf den Unterschenkeln und legen den Oberkörper samt Kopf nach vorne auf die Matte. Die Arme sind nach hinten neben den Beinen ausgestreckt. „Genieße die Entspannung!“, sagt Barbara freundlich. Doch bei mir zieht und zwickt jeder Muskel. Entspannen, wie soll das in dieser Position bloß gehen?! Aber ich ziehe das Programm durch. Denn etliche Yoga-Übungen helfen, den Verdauungstrakt positiv zu beeinflussen, massieren quasi den Darm und regen dadurch seine Motorik an.

Durch die richtige Haltung Stress herausnehmen

Gute Tipps gibt es auch von Andrea Latritsch-Karlbauer. Die Haltungs-Trainerin lässt uns durch den Raum gehen. Sie schaut mich kritisch an. „Du bist der Typ Skispringer kurz vor dem Absprung“, stellt sie klar. Will heißen: Ich habe wenig Fersenhaftung und den Oberkörper zu stark nach vorne gebeugt. Für die Trainerin in klares Zeichen: Der Mann, der ihr da gegenüber steht, ist gestresst. Besser wäre es, mich „zu erden und in die Neutralität zu kommen“, sagt Latritsch-Karlbauer. Also üben wir das: Der Oberkörper wird aufgerichtet, die Schultern werden mit der Ausatmung fallengelassen, der Kopf in Verlängerung der Wirbelsäule aufgerichtet – wie durch eine Schnur nach oben gezogen. „Versuche es zwei- bis dreimal täglich“, lautet ihr Tipp. Denn durch die richtige Haltung „kann man schon ganz viel Stress herausnehmen“.

Fazit

Eine Detox-Woche ist nicht gerade billig. 480 Euro kostet das Therapie-Paket zum Beispiel im Bad Häringer Gesundheitsresort. Dazu kommt noch der Preis für die Übernachtung. Bei einer Woche sind da schnell mal insgesamt 1000 Euro und mehr fällig. Doch beim Autor dieser Zeilen haben sich auch Erfolge eingestellt. Die Akkus sind wieder besser aufgeladen, das Bewusstsein für gesundes Essen geschärft und die Notwendigkeit erkannt, wie wichtig es ist, regelmäßig Regenerationsphasen einzubauen. Unter professioneller Anleitung gelingt das besser. Auch die nackten Zahlen sind wieder positiver. Eine weitere Vitalfeldmessung am letzten Tag ergibt: Mein verfügbarer Energieanteil ist um 14 Prozent auf 56 Prozent gestiegen. Und die allgemeine Regulationsfähigkeit hat sich von 6 auf 34 Prozent erhöht. Heißt: Ich bin wieder besser in der Lage, mich eigenständig zu regenerieren.

Sieben-Direktor Horst Fallosch jedenfalls ist überzeugt: „Der Wellnessboom ist vorbei. Der neue Trend heißt Gesundheitstourismus.“ Wem das aber zu teuer ist, der hat Alternativen. Am einfachsten ist es, zu Hause zu detoxen. Das heißt dann nur anders. Es ist das gute alte Heilfasten. Zudem muss zumindest ein gesunder Mensch laut Ernährungsmediziner Bischoff nicht entgiftet werden. „Die These, dass wir Gifte und Schlacken in uns haben, ist nicht belegt.“ Das meiste, was der gesunde Mensch an belastenden Stoffen über die Ernährung aufnimmt, könne er ohne fremde Hilfe wieder ausscheiden. „Eine gesunde Leber macht das recht gut.“

Schädlich allerdings, so betont Bischoff, seien kurze Detox-Auszeiten von einer Woche auch wieder nicht. „Wenn nun eben Detox-Diäten jemanden auf den richtigen Weg bringen – warum nicht“, meint der Professor entspannt. Wer im Alltag regelmäßig frisches Obst und Gemüse isst, genügend trinkt, auf Fast Food weitestgehend verzichtet und sich viel an der frischen Luft bewegt, hat schon viel erreicht.