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¸¸Bube, Dame, König, GrAs' (1998) und ¸¸Snatch - Schweine und Diamanten' (2000) etablierten Guy Ritchie (41) als Hoffnung des britischen Kinos. Dann kam die Ehe mit Popstar Madonna und die künstlerische Krise. Mit ¸¸Sherlock Holmes' hat er nun ein humorvolles und actionreiches Abenteuer inszeniert.

Von André Wesche

Mr. Ritchie, wie haben Sie sich der britischen Ikone Sherlock Holmes genähert?

Ich habe mich schon als Kind intensiv mit ihm auseinandergesetzt. Ich hatte eine unterbewusste Vorstellung von der Identität dieser Figur. Mein Holmes ist altmodisch und aktuell zugleich. Ich habe versucht, Conan Doyle gegenüber loyal zu bleiben, aber ich bin ich ein Filmemacher des Hier und Heute. Ich hoffe, dass sich alt und neu am Ende vereinigen lassen. Der Zeitgeist hat sich verändert und entwickelt. Und bis zu einem gewissen Grad musst du als Filmemacher deinen Finger an diesen Puls legen.

Was macht die ungebrochene Faszination des Sherlock Holmes aus?

Das Interesse an Holmes und an Detektiven generell gründet auf deren Wissbegierde, letztendlich hinterfragen sie den Sinn des Lebens. Neugierde und Entdecken sind fundamental im menschlichen Sein verankert. Weniger tiefgründig ist es einfach erregend und unterhaltsam, ihnen zuzuschauen.

Wie beruhigend war es für Sie, die ersten Einspielergebnisse zu hören?

Ich weiß gerne nicht so viel über die Finanzen. Es ist zu furchteinflößend. Man gibt immer sein Bestes, aber es geht nun mal auf und mal ab im Leben, man ist ja nur ein Mensch.

Empfanden Sie Ihr erstes Riesenbudget als Druck?

Je älter ich werde, umso weniger fühle ich mich einem Druck ausgesetzt. Bei meinem ersten Job führte ich mit einem Kollegen Regie. Wir drehten ein Musikvideo für 250 Pfund. Wir beide wussten nicht wirklich, was wir da machen, aber wir hatten eine geheime Agenda: Wenn es im Desaster enden würde, würden wir den anderen dafür verantwortlich machen; im Erfolgsfall würden wir den ganzen Ruhm ernten. Es war ein evolutionärer Prozess, von 250 Pfund zu 1000, dann zu 10 000 und zu Millionen. Es sind einfach nur Nullen dazugekommen, die Angst hat sich irgendwann verflüchtigt.

Sie sind frühzeitig von der Schule abgegangen. Wie sah Ihr Weg zum Filmemacher aus?

Es war ein Prozess der glücklichen Zufälle. Ich hatte keine Ausbildung, eine akademische Karriere blieb mir verwehrt wegen meiner Dyslexie. Noch heute habe ich gewisse Probleme beim Lesen und Schreiben. Ich war ein ziemlich guter Maurer, und ich habe in einer Bar gekellnert, etliche Jahre lang.

Sie zeigen in Ihren Filmen für gewöhnlich eine Männerwelt. Warum?

Ich kann nur über Dinge reden, mit denen ich mich auskenne. Ich liebe die Welt der Subkulturen, sie steckt voller Geschichten. Ich habe in der Schule absolut nichts gelernt. Womöglich habe ich deshalb eine Antipathie gegen alles Standardisierte entwickelt.

Wären Sie daran interessiert, einen James-Bond-Film zu inszenieren?

Das würde mir gefallen. Die Gefahr besteht darin, dass ich ziemlich radikale Ansichten davon habe, wie man Bond porträtieren müsste - und ich möchte nicht der Typ sein, der das Studio am Ende noch Geld kostet.

Wird Holmes Ihr ganz persönlicher Bond, wenn er in Serie geht?

Ich weiß nicht, vielleicht. Das Tolle daran ist, dass mich diese Arbeit nicht langweilt. Und es war schön, zur Abwechslung mal große und einflussreiche Freunde zu haben.

Können Sie in Ihrer Freizeit abschalten?

Natürlich. Ich schnappe meine Angelausrüstung und gehe aufs Land oder suche mir eine andere stimulierende Beschäftigung. Dabei vergesse ich alles. Ich glaube, dass ich eine sehr gesunde Balance halte, was das Filmemachen anbelangt. Für mich ist Regieführen eine Freude, und wenn ich meine Filme sehe, kann ich total vergessen, dass ich daran beteiligt war.

Sie besitzen ein Pub in London. Kellnern Sie noch selbst?

Am Anfang ja. Für mich wurde eine Fantasie Realität. Im ersten Monat war ich jeden Tag und jede Nacht vor Ort, habe Bier ausgeschenkt und alles gemacht.

London steht immer wieder im Mittelpunkt Ihrer Filme. Was empfinden Sie für die Stadt?

Ich liebe London und bin hier tief verwurzelt. Vergleicht man Paris mit London, dann ist Paris das Supermodel - es sieht fantastisch aus, aber zumindest meiner Erfahrung nach mangelt es ihm an charakterlicher Tiefe. London sieht manchmal gut und manchmal schäbig aus, aber es hat einen großen Charakter.