Das Raketenmoped ist ein Prototyp. Konrad Seigfried, Wolfgang Reimer und Christiane Nicolaus (v.l.n.r.) begutachten es. Foto: factum/Weise

Die „Focus Open“ prämiert und zeigt innovatives Design im MIK. Noch dominieren Alltagsgegenstände bei dem internationalen Designpreis, aber immer häufiger geht es auch in der Industrie um Produkte, die ebenso praktisch wie schön sind.

Ludwigsburg - Manche Erfindungen sind so simpel, dass man sich fragt, warum man da nicht eher drauf gekommen ist. Ein Fernlicht für E-Bikes beispielsweise. Oder ein Schraubenzieher, der sich dank Strom von selbst dreht. Nun gibt es diese Produkte bei weiterer Recherche meist schon, sie sind aber nicht sauber gearbeitet oder sehen nicht gut aus.

Bei der „Focus Open“, dem internationalen Designpreis des Design-Centers Baden-Württemberg, einem Referat des Regierungspräsidiums, kommen aber nur jene Produkte zum Zug, die beides sind: praktisch und ästhetisch.

Design ist nicht die schöne Hülle, sondern ein knallharter Wettbewerbsfaktor“, sagt Christiane Nicolaus, die Leiterin des Design-Centers. Der einmal jährlich vergebene Preis der „Focus Open“ ermögliche es auch „kleinsten Agenturen und Einzelkämpfern“, in der internationalen Welt des Designs Gehör zu finden. 59 Preisträger gibt es in diesem Jahr, darunter 18 in der Kategorie Gold. Eine unabhängige Jury bewertet die eingereichten Produkte anhand von 18 Kategorien.

Der Fokus verschiebt sich in Richtung Industrie

Zum zwölften Mal wird der Preis in Ludwigsburg im MIK (Museum, Information, Kunst) vergeben. Zur Eröffnung sagte der Stuttgarter Regierungspräsident Wolfgang Reimer, dass sich der Fokus der Produkte langsam verschiebe: während früher klar die Haushaltsgegenstände dominierten, landen nun auch zunehmend Industrieprodukte in den Preisen. So gewannen eine Umlenkrolle, ein elektrischer Schraubendreher sowie ein Messerring-Zerspaner – ein Gerät zur Herstellung des Ausgangsmaterials für Spanplatten – einen Gold-Preis.

Mehr Bezug zum Alltag der Ausstellungs-Besucher dürften allerdings andere preisgekrönte Produkte haben. So gibt es eine Spülküche, deren Brausearm per Magnet an einer Halterung klebt und der einen eingebauten Sensor hat, der den Wasserstrahl stoppt oder aktiviert. Schlicht und praktisch zugleich ist auch eine Kaffeekanne, die gleichzeitig ein Thermobehälter ist. Ebenfalls interessant: Kochdeckel, deren Griffe nach oben gebogen sind. So verbrennt man sich nicht die Finger und man kann den Deckel daran aufhängen. Da er auch noch nach unten gewölbt ist, kann er während des Kochens auch als Ablage für Kräuter oder bereits geschnittenem Gemüse dienen. Ein Highlight für Design-Kenner: das bekannte Möbelsystem USM Haller gibt es jetzt auch mit Strom – kabellos.

Das Raketen-E-Moped wird wohl die meisten Blicke auf sich ziehen

Die meisten Blicke und wohl auch die meisten Diskussionen auf sich ziehen wird wohl das „Pocket Rocket“, eine Elektro-Leichtkraftrad mit einem auffällig starken Längsrohr. Obwohl es so wuchtig aussieht, wiegt das Aluminium-Moped nur 50 Kilogramm. Der Designer des futuristischen Gefährts kommt übrigens aus Stuttgart.

Ein bisschen Zukunftsmusik hat der Betrachter womöglich in den Ohren beim Elektroenzephalogramm-Headset „Brain Music“. Der Prototyp erfasst in Echtzeit emotionale und kognitive Prozesse im Gehirn. Statt vieler einzelner Elektroden, die einzeln auf die Kopfhaut geklebt werden müssen wie heutzutage in der Medizin, soll dieses Headset die Anwendung von Elektroenzephalogrammen außerhalb der Medizin ermöglichen, beispielsweise beim E-Learning oder bei Computerspielen.

Ebenso futuristisch mutet ein Produkt aus Berlin an: Das System „Organ as a Service“ ermöglicht es, mit Hilfe eines 3D-Biodruckers sowie einer Software, lebendes Gewebe digital zu konstruieren und aus zellulären Material zu erstellen. So kann man beispielsweise funktionsfähige Adern „ausdrucken“, um an ihnen Medikamente zu testen. Auch beim Mia-Seeger-Preis, einem Design-Preis der gleichnamigen Stiftung für Abschlussarbeiten von Studenten, dominiert Hochtechnologie. So sind ein Gerät zur Selbstuntersuchung der weiblichen Brust, ein Messgerät für Moore oder ein Gerät für Zungentraining gegen Schlafapnoe unter den Preisträgern.

Bei all der Zukunftstechnologie erfreuen aber auch die kleinen Innovationen den Besucher. So haben zwei bayerische Designer eine wiederverwendbare Bierkiste aus Cortenstahl erfunden, die gleichzeitig auch noch als Korb für ein Lagerfeuer dienen kann – natürlich erst, wenn die Bierflaschen schon weg sind.

Wettbewerb
In diesem Jahr wurde der „Focus Open“ bereits zum 27. Mal ausgetragen. Die Präsentation findet zum zwölften Mal in Ludwigsburg statt. Die Jury wählte insgesamt 59 Preisträger anhand von 18 Design-Kategorien wie beispielsweise Ökologie oder Bedienfreundlichkeit aus. Der „Focus Open“ wurde 18 Mal in Gold und 15 Mal in Silber vergeben. 26 Teilnehmer erhielten einen Preis in der Kategorie „Special Mention“. Die Prämierten kommen aus China, Belgien, Dänemark, Deutschland, Italien, Japan, Niederlande, Österreich, Schweiz und der Slowakei.

Ausstellung
Die preisgekrönten Objekte sind bis zum 25. November im Kulturhaus MIK (Museum, Information, Kunst) an der Eberhardstraße 1 zu sehen. Während der Laufzeit werden zusätzlich Führungen angeboten. Geöffnet ist jeweils dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr.