Mit Lasern lässt sich gutes Geld verdienen, das wissen auch viele Hautärzte. Foto:danr13/Adobe Stock Foto:  

Neun Hautärzte, die gemeinsam eine Laserpraxis betrieben haben, stehen wegen Betrugs in Tübingen vor dem Landgericht. Ein Prozess um Feuermale und Abrechnungsmodalitäten, die sich nach Bundesländern drastisch unterscheiden.

Tübingen - Vor allem rund um die Augen fallen die dunklen Stellen auf: rote Feuermale, die die Marketingassistentin ein Leben lang belastet haben. „Mit Make-up lassen sie sich einigermaßen abdecken“, sagt die 49-Jährige und ist froh darüber, dass sie die Feuermale über Jahre hinweg auf Kassenkosten lasern lassen konnte. Die Stellen seien heller geworden, berichtet die sichtlich aufgeregte Frau. Sie ist als Zeugin am Tübinger Landgericht geladen, in einem Prozess, der in der Branche für Wirbel gesorgt hat und dazu führen könnte, dass die Hälfte der Hautärzte der Region Tübingen und Reutlingen zumachen muss.

Auf der Anklagebank sitzen etablierte Mediziner mit Praxen, die seit Jahrzehnten bestens frequentiert sind. Zu neunt haben sie von 2005 bis 2011 ein Laserzentrum in Reutlingen betrieben, um dort Patienten mit Feuermalen zu behandeln. Ein lukratives Geschäft, aber offensichtlich auch eines, das rechtlich fragwürdig ist. Den Angeklagten wird gewerbs- und bandenmäßiger Abrechnungsbetrug vorgeworfen. Im Falle einer Verurteilung droht ihnen der Verlust ihrer ärztlichen Zulassung. Das wäre ihr berufliches Aus.

Außergewöhnlich ist an dem Prozess einiges. Die Vorgeschichte zieht sich dahin wie Kaugummi. Bereits 2009 hatte die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW), die Selbstverwaltung der Mediziner, Unregelmäßigkeiten bei der Abrechnung der Feuermalbehandlung entdeckt. Doch anstatt sich mit den Praxen in Verbindung zu setzen, wurde auf Anordnung des KV-Vorstands bis 2010 gewartet, um dann den Anfangsverdacht auf Missbrauch im Gesundheitswesen der Staatsanwaltschaft Tübingen zu melden. Die Ermittlungen dauerten lange, zahlreiche Praxen und Wohnungen wurden durchsucht. Erst im Januar 2014 folgte die Einreichung der Klage beim Landgericht. Prozessauftakt war Anfang Dezember 2017, viele der Zeugen können sich kaum mehr erinnern.

Ein Arzt darf im Südwesten die Behandlung eines Feuermals nur ein einziges Mal abrechnen

Für Menschen mit Feuermalen ist es ungünstig, in Baden-Württemberg zu wohnen. Ein Arzt darf im Südwesten die Behandlung nur ein Mal pro Patient abrechnen, so die Rechtsauffassung der KVBW. Er bekommt pro gelasertem Quadratzentimer knapp 20 Euro, für ein fünf mal fünf Quadratzentimeter großes Mal hochgerechnet etwa 500 Euro.

Den Dermatologen wird zur Last gelegt, dass bei 20 Patienten mit Feuermalen mehrere Ärzte das Lasern eines Patienten abgerechnet hätten, insgesamt 160 Einzelfälle werden genannt. Es sei ein Schaden von 1,3 Millionen Euro entstanden, beklagt die KVBW. Vorgeworfen wird den Ärzten zudem, dass sie nicht selbst den Laser angesetzt, sondern einer angestellten Kollegin das Feld überlassen haben. Die Kollegin, die ebenfalls angeklagt ist, habe aber über keine kassenärztliche Zulassung für das Lasern verfügt.

In anderen Bundesländern wird die Gebührenordnung weniger restriktiv ausgelegt

Ein Blick in andere Bundesländer zeigt, wie viel Spielraum bei der Auslegung von bundesweit einheitlichen Abrechnungsbestimmungen vorhanden ist. In zahlreichen Bundesländern darf ein Dermatologe das Lasern einmal im Quartal abrechnen, wie Gerd Kautz, der Präsident der Deutschen Dermatologischen Lasergesellschaft, bestätigt. Er kann die restriktive Interpretation der Abrechnungsmodalitäten in Baden-Württemberg nicht verstehen. „Das Leid der Patienten mit Feuermalen ist oft groß“, urteilt Kautz, und hat bei wiederholten Behandlungen große Erfolge erzielt. Oft verblassten die Stellen nachhaltig.

Kautz hält es für unverhältnismäßig, die betroffenen Dermatologen so hart anzugehen. „Hier werden Ärzte kriminalisiert“, sagt Kautz, dabei gehöre das hochkomplexe Abrechnungssystem mit seinen jeweiligen Auslegungen auf die Anklagebank. „Wir sind doch Mediziner und nicht Juristen“, sagt Kautz. In etlichen Bundesländern hätten sich gemeinsame Laserzentren bewährt, nur in Baden-Württemberg seien die Fallstricke enorm.

Als „Fehlinterpretation“ der Gebührenordnung bezeichnet Uwe Köster, Pressesprecher bei der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen die Auffassung, dass ein Feuermal nur ein einziges Mal abgerechnet werden darf. Eine kurative Leistung werde so oft erbracht wie erforderlich. Es gebe nur wenige Leistungen im Bereich der Prävention, die nur einmal im Leben berechnungsfähig seien.

Das Geschäftsmodell der Ärzte steht in der Kritik

Den Erfolg des Laserns an sich will die Staatsanwältin im Tübinger Prozess nicht in Abrede stellen. Doch das Geschäftsmodell der Ärzte steht in der Kritik: laut Anklageschrift haben sie entgegen den Abrechnungsrichtlinien die einmalige Behandlung über mehrere Praxen eingereicht. Ein Geldmachmodell, das die Investitionskosten von rund 50 000 Euro für einen Laser relativiert.

Der Prozess treibe ihn um, sagt Bernd Salzer, Vorstand des Berufsverbandes der Deutschen Dermatologen Baden-Württemberg. So wie er die beschuldigten Ärzte kennengelernt habe, seien sie allesamt aufrechte Menschen. „Die sind mit dem Modell in etwas hineingerutscht, was sie in letzter Konsequenz wohl nicht überschaut haben.“ Es gebe Hinweise, dass sie der Sorgfaltspflicht innerhalb der Konstruktion nicht immer nachgekommen seien, analysiert Salzer. Sicherlich hätten sie die angestellte Ärztin bei ihrer Abrechnung gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung zwingend angeben müssen, genau das hatten sie versäumt.

Eines dürfe nicht missverstanden werden, betont Salzer. Dem Patienten sei kein Schaden entstanden, im Gegenteil. Wenn möglicherweise zu viel abgerechnet worden wäre, ginge das zulasten der anderen Dermatologen im Land. „Das Budget ist gedeckelt“, sagt Salzer.

Noch vier Prozesstage sind für das aufwendige Mammutverfahren angesetzt. Bis in den März hinein wird in Tübingen verhandelt werden .