Sonja Schult vom Käsbergkeller in Mundelsheim weiß, wie wichtig der Onlineverkauf für die Winzer geworden ist. Foto: Werner Kuhnle

Wie ein Brandbeschleuniger hat die Coronapandemie zur noch schnelleren Digitalisierung bei Winzern, Genossenschaften und privaten Vermarktern beigetragen. Manche Tradition fällt dabei jedoch dem digitalen Fortschritt zum Opfer.

Mundelsheim - Der Absatzmarkt für Winzer, Genossenschaften und private Weingüter ändert sich dramatisch schnell. Und das nicht erst seit den Lockdowns so. Doch die Pandemiejahre haben die Entwicklung aller digitalen Abläufe zusätzlich angefacht. Der internationale Weinbauverband OIV sieht neue digitale Trends für die Weinwirtschaft. Einer davon wird beim Verkauf des Weins am deutlichsten sichtbar.

Der Onlineshop hat die Krise größtenteils aufgefangen

„Wer vor der Pandemie keinen Onlineshop hatte, hat ihn spätestens jetzt“, hat Sonja Schult vom Käsbergkeller Mundelsheim festgestellt. Schult ist Weinküferin und hat Weinbetriebswirtin studiert. Und dank des Riechers ihres Geschäftsführers Marian Kopp und der Umsetzungsstärke von Schult und ihrem Team sind die Mundelsheimer Weingärtner gut durch die Krise gekommen. Das ist nicht selbstverständlich. Denn wie viele Kellereien hat man in Mundelsheim in der Vergangenheit überwiegend von privater Kundschaft und dem Absatz auf Festen und Veranstaltungen gelebt.

Dieser Markt brach nun abrupt weg. Doch weil der Onlineverkauf viel aufgefangen hat, kamen die Mitarbeiter der Käsbergkellerei nahezu unbeschadet davon. Doch nicht nur der Weinshop war wie ein Rettungsanker im reißenden Corona-Absatzstrom. In weiser Voraussicht hatte die Genossenschaft alle Hebel in Bewegung gesetzt und ist heute in sechs weiteren Online-Portalen gelistet. Das Ergebnis ist existenzsichernd: Die Zahl der Onlinebestellungen ist explodiert.

Wurden vor der Krise noch 10 000 Pakete jährlich verschickt, sind es heute 24 000 – Tendenz steigend. Das sei aber nur durch den engagierten Einsatz ihres Teams möglich, sagt Sonja Schult. Auch Claudia Krügele vom Weingut Herzog von Württemberg bestätigt das: „Was an Veranstaltungen einbrach, hat der Online-Vertrieb aufgefangen. Während der ersten Pandemiewelle ist die Zahl der Bestellungen förmlich explodiert. Der Weinverkauf hat sich total verändert.“ Ihr Chef, Michael Herzog von Württemberg, sei zum Glück sehr dynamisch: Tradition lebe nur mit der Innovation.

„Der Weinverkauf hat sich total verändert“

Aber nicht nur der digitale Weg führt zum Erfolg. „Wein braucht auch ein Gesicht“ sagt Silvia Kleinle-Bühler. Im Weingut und Besen des Familienbetriebs in Poppenweiler setzt man auf den persönlichen Kontakt. Sobald es möglich war, seien sie mit coronakonformen Veranstaltungen gestartet. „Wir sind ja eh da“, sei hier das Credo. Trotz der Mehrarbeit und mit großer Kraftanstrengung habe man immer wieder auf Vorschriften reagiert.

Online-Terminvergabe für die Traubenlieferung

Die Digitalisierung macht sich auch in anderen Bereiche bemerkbar: Möchten Weingärtner etwa ihre Trauben anliefern, vereinbaren sie nun online einen Termin bei der Genossenschaft in Mundelsheim. Die Terminvergabe berücksichtigt genauestens die Verarbeitungsmöglichkeiten. So kann der Kellermeister die Produktionsabläufe optimieren. Es wird nur so viel angeliefert, wie qualitativ verarbeitet werden kann.

So praktisch die Entwicklungen sind, gibt es doch auch einen Wermutstropfen: Der Fortschritt bricht mit mancher Tradition. Früher wurde früher nachdem „die Lese abgeschossen“ worden war, noch gefeiert bevor die Trauben abgeliefert wurden. Die Folge: Traktorschlangen vor der Annahme und im Keller konnte manchmal nur mühsam mit der angelieferten Menge Schritt gehalten werden. Dabei ist Qualität entscheidend, wie sich Experten einig sind. Manche Tradition müsse sich jetzt den Qualitätsbestrebungen nebst digitalen Anforderungen unterordnen.

Übernimmt eine KI künftig die Weinveredelung?

Selbst im Keller geht die Weinveredelung mit Riesenschritten weiter in die digitale Zukunft. Längst haben Sensoren im Gärtank Einzug gehalten. Geht es nach der Einschätzung der Experten des Weinbauverbandes OIV, wird künstliche Intelligenz bald ganze Teile der Qualitätsüberwachung übernehmen. Nicht alle wollen das. Manche stemmen sich sogar dagegen, wie auch der Gutsleiter und Erster Kellermeister Joachim Fischer vom herzoglichen Keller in Monrepos.: „Wir wollen keine Sensoren, wir machen kein Cola, sondern im Gegenteil: Unser wichtigster Sensor sitzt zwischen den Augen und heißt Nase.“