Hinter der Insolvenz des Fußballvereins VfR Aalen steckt die Wirtschaftspleite des globalen Schrottunternehmers und Sportmäzens Berndt-Ulrich Scholz. Nun kämpft er gegen wütende Anleger und um seinen guten Ruf bei den Fußballfans.
Aalen - Schrottkönig, der Titel war einfach zu süffig, als dass die Wirtschaftsblätter sich ihn hätten verkneifen mögen, wenn sie über Berndt-Ulrich Scholz schrieben. Das taten sie oft und meistens mit staunendem Unterton. Der so Betitelte hatte auch gar nichts dagegen, weil er erstens die Öffentlichkeit liebte und zweitens auf wirkliche, ganz und gar unironische Auszeichnungen verweisen konnte: Bundesverdienstkreuz am Bande, Staufermedaille, Wirtschaftsmedaille des Landes Baden-Württemberg. In Küchen und an Wirtshaustischen wurde Scholz aber erst als Präsident des VfR Aalen bekannt. Unter seiner Regie und mit seinem Geld feierte der Fußballclub 2012 den Aufstieg in die Zweite Bundesliga – der größte Erfolg der Vereinsgeschichte.
Scholz Arena, so heißt das 14 500 Zuschauer fassende Fußballstadion seit 2008. Inzwischen will der Namensgeber keinen Fuß mehr hineinsetzen. „Solange die am Werk sind, schäme ich mich für den Namen“, sagt Scholz, der auch harte Dinge mit weicher, ja fast gütiger Stimme vorbringt. Die, das sind die vier amtierenden Präsidiumsmitglieder des VfR. Am 30. Juni vorigen Jahres trat Scholz nach 13 Jahren als Clubchef zurück. Gut sieben Monate später, am 14. Februar, haben seine Nachfolger Insolvenzantrag beim Amtsgericht Aalen gestellt. Da betrug der Schuldenstand 3,6 Millionen Euro.
Zum Saisonende droht ein tiefer Fall
Das Stadion gehört der Stadt Aalen. Der Oberbürgermeister Thilo Rentschler (SPD) verteidigte am Tag, als die drohende Pleite verkündet werden musste, die Vereinsführung: „Der Schuldendienst vergangener Tage nagt zu sehr am finanziellen Fundament des Vereins.“ Kürzlich hat der Spielausschuss des Deutschen Fußball-Bundes den VfR wegen des Insolvenzantrags mit einem Abzug von neun Punkten belegt. Nach dem Abstieg in die dritte Liga 2015 droht zum Saisonende ein tiefer Fall.
Scholz ist jetzt 77 Jahre alt. Er habe 2016 aufgehört, weil 13 Jahre als Präsident genug gewesen seien, begründet er. Als ob das alles gewesen wäre. Die Finanzprobleme des Fußballvereins hängen schließlich direkt mit dem Niedergang des Scholz’schen Recyclingunternehmens zusammen, das bis 2011 weltweit zu den drei größten der Metallverwerterbranche zählte: 500 Standorte, mehr als 7000 Mitarbeiter, gut 4,5 Milliarden Euro Jahresumsatz, das waren die Kennzahlen der Scholz Aktiengesellschaft zu ihrer Blütezeit. Immer wieder brachen Vater und Sohn von der Firmenzentrale in Essingen vor den Toren Aalens in alle Welt auf, um kreditfinanzierte Zukäufe einzufädeln.
Dann kamen die Finanzkrise und der Verfall der Rohstoffpreise. 2012 beschafften sich Scholz und sein Sohn Oliver (46) mithilfe eine Anleihe zu 8,5 Prozent Zinsen insgesamt 183 Millionen Euro. „Mein Sohn wollte noch stärker expandieren“, erinnert sich der Vater. Durch eine misslungene Beteiligung am australischen Recycler CMA sei ein Verlust von 130 Millionen Euro aufgelaufen – der Anfang vom Ende. „Da war ich schon nicht mehr im Unternehmen.“
2014 kamen die vermeintlichen Retter der Toyota Tshusho Corporation (TTC) nach Essingen – und zogen bald wieder ab. Im Mai 2016 kaufte zum Preis von einem Euro der chinesische Branchenrivale Chiho-Tiande das mit gut einer Milliarde Euro verschuldete Ostalb-Unternehmen. Oliver Scholz, der zunächst Geschäftsführer blieb, wurde am 18. Januar 2017 mit sofortiger Wirkung aus nicht näher benanntem „wichtigem Grund“ fristlos entlassen. Auch Berndt-Ulrich Scholz, der einen Beratervertrag besaß, erhielt die Kündigung. Ihm werde fälschlicherweise vorgeworfen, er habe wegen der Kündigung des Sohnes Beschäftigte aufgefordert, die Arbeit niederzulegen, sagt Berndt-Ulrich Scholz. Vor zwei Wochen hätten er und sein Sohn bei Gericht in Ellwangen Klage gegen die Kündigungen eingereicht. „Die Chinesen haben ein falsches Spiel gespielt.“
Einst Lehrbub in der väterlichen Schotthandlung
Der Lebensweg des langjährigen Aalener Unternehmenskapitäns und Sportförderers spiegelt idealtypisch die Wirtschaftsgeschichte Deutschlands in der Nachkriegszeit. Mit 14 Jahren und einem Volksschulabschluss wurde Berndt-Ulrich Scholz Lehrbub in der Schrotthandlung seines Vaters, der mit der Familie aus Niederschlesien gekommen war. Im Verlauf der nächsten 62 Jahre strebte er höher, als es sich in den fünfziger Jahren je vorstellen ließ. Woher die Energie kam – der 77-Jährige kann es selber kaum erklären. „Ich hab’ keine Hobbys“, sagt er. Immer habe er geschafft. Zwei Wochen Urlaub im Jahr, mehr brauchte und wollte er nicht.
Zur Arbeit geht er auch jetzt noch täglich, aber nicht mehr ins alte Chefbüro nach Essingen. Das musste er vor zwei Wochen räumen. Seinen Schreibtisch aus 250 Jahre alter Mooreiche durfte er noch abholen und eine Weltkarte, die er in seinem neuen Büro in der Aalener Innenstadt aufgehängt hat und die gewissermaßen sein früheres Geschäftsgebiet umreißt.
Nicht mehr um Eroberungen geht es nun, sondern um Abwehrkämpfe. Der eine betrifft die Scholz AG. Eine Berliner Anwaltskanzlei arbeitet an einer Sammelklage von Anleihe-Käufern, die ihre Verluste von Vater und Sohn Scholz zurück wollen. Im Verkaufsprospekt seien unter anderem Umweltprobleme in einem Aluminiumwerk in Stockach (Kreis Konstanz) verschwiegen worden, wo große Mengen Salzschlacke in das Flüsschen Aach eingeleitet worden seien. Für Berndt-Ulrich Scholz ist das angeblich Vergangenheit. Er sagt: „Wir haben für einen Euro die gesamte Unternehmensgruppe verloren. Damit sind wir gestraft genug.“
Der zweite Kampf hat mit Ruf und Ehre zu tun. Durch die Erklärungen der VfR-Verantwortlichen entstehe der Eindruck, er, Scholz, habe bei seinem Rücktritt vom Posten des Präsidenten ein Schuldenchaos hinterlassen. Das wurmt den Ex-Präsidenten besonders. Er besitzt noch Immobilien, gebündelt in der Scholz Immobilien GmbH. In seinem Büro zeigt er einen Vertrag vom 18. Mai 2016, wonach seine Häuserfirma bis 2023 Sponsorengeld in Höhe der Vereinsschulden von 3,6 Millionen Euro an den VfR zahlt. Im Gegenzug stand Scholz das Namensrecht am Fußballstadion zu. Der DFB, sagt der 77-Jährige, habe das abgesegnet. Die folglich überflüssige Insolvenz sei ein „mieser Trick“ des Präsidiums, die Altschulden sofort loszuwerden – und die Verluste aus dem laufenden Spieljahr gleich mit. „Jetzt will man die Namensrechte fürs Stadion neu vermarkten.“
Ein Kampf gegen eine Vielzahl von Gegnern
Scholz, der Kreditbürge, ist sofort haftbar. Eine örtliche Bank habe ihm in dieser Woche einen Kredit über 3,3 Millionen Euro fällig gestellt, sagt er. Er werde wohl eine Gewerbeimmobilie in Unterkochen verkaufen müssen. Das Fazit ist bitter: „Alles, weil die Scholz-Kuh keine Milch mehr gibt. Ich bin maßlos enttäuscht.“
Am 17. Februar hat er noch einmal die regionalen Schlagzeilen für sich erobert. Er kündigte die Mitgliedschaft bei seinem VfR, der nicht mehr seiner ist und in den er nach eigener Angabe insgesamt 17 Millionen Euro gepumpt hat. Die letzte Pointe eines traurigen Spiels: Scholz ist raus.