In San Francisco – unser Bild – haben sie sich im vergangenen September getroffen, jetzt wiederholen sie ihr Rendezvous im Stuttgarter Theaterhaus: Jürgen Klinsmann (links) und Winfried Kretschmann. Foto: Staatsministerium

Die Wahrheit liegt nicht auf dem Platz – die ehemaligen VfB-Spieler Klinsmann, Cacau, Hitzlsperger und Hildebrand erklären uns die Welt: im Schauspielhaus, im Theaterhaus und im Literaturhaus.

Stuttgart - Ihr Horizont endet schon längst nicht mehr am gegnerischen Tor. Er reicht darüber hinaus und lässt unter seiner majestätischen Weite selbst „Mailand oder Madrid, Hauptsache Italien“ mickrig ausschauen. Fußballer denken heute dorthin, wo kein Ball sie je erreichen wird: in die Sphäre des Geistes, der ohne Videobeweise auskommt, weil das auf Podien gesprochene Wort sowieso immer gilt.

Die Wahrheit liegt also nicht mehr auf dem Platz. Wahrheit und Erkenntnis suchen ehemalige VfB-Spieler jetzt in auffälliger Weise dort, wo sich ihr hochfliegender Geist am stilvollsten manifestieren kann. Vorbei an der Sportsbar dribbeln sie ins Schauspielhaus, ins Theaterhaus und ins Literaturhaus, wo sie in diesen Tagen als altgediente Weißrote die Welt erklären. Punkte sammeln, aber anders als früher – und seinem Wesen gemäß ist einer schon mit Weisheit vorgestürmt, Cacau im Schauspielhaus, der über Heimat sinniert hat. Zwei Heroen folgen noch: Jürgen Klinsmannliefert sich am kommenden Montag im Theaterhaus ein intellektuelles Duell mit Winfried Kretschmann, während Thomas Hitzlsperger am Tag danach mit Denis Scheck zum Metapherntransfer antritt. Ihr Abend im Literaturhaus schwingt sich zu einer kühnen Ball-Analogie auf: „Das Leben ist rund“ – schön wär’s, aber wenn’s einer weiß, dann der VfB-Sportvorstand Hitzlsperger, für den es nicht unrund läuft: Platz 16, mit steigender Tendenz.

Steilvorlage von Cacau

Und was bringt der Doppelpass zwischen Klins- und Kretschmann? Virtuos nehmen die beiden Berufsschwaben mit „Kehrwoche in Kalifornien: Über die Mehrzahl von Heimat“ die aus der Tiefe des Theaters kommende Steilvorlage von Cacau auf, die wiederum von Timo Hildebrand eingeleitet wurde, der als Schirmherr der „Wochen gegen Rassismus“ zwischen den Pfosten steht. Und nicht zuletzt deren Motto – erraten: „Heimat“ – zeugt von einem blinden Verständnis unter den ehemaligen Mannschaftsteilen des VfB, das kein Zufall sein kann. Ist es auch nicht, schließlich wurden Hildebrand, Cacau und Hitzlsperger 2007 zusammen Meister.

Wir wollen jetzt nichts hochsterilisieren, aber verglichen mit dem, was die Herren heute sind, war das damals doch ein Klacks. Heute feiern sie Triumphe als Großmeister der Debatte – und weit und breit keiner, der ihre Gedankenspiele abpfeifen möchte.