Der nackte Wahnsinn an der Front im Spielfilm „Westfront 1918“ Foto: Atlas

Die Nazis hatten es eilig, diesen Film zu verbieten, als sie an die Macht kamen: Der Regisseur Georg Wilhelm Pabst hatte 1930 mit „Westfront 1918 – Vier von der Infanterie“ ein knallhart unverklärtes Porträt des Ersten Weltkriegs geliefert. Nun kann man den Klassiker wieder auf DVD und Blu-ray erleben.

Stuttgart - Da schreit tatsächlich noch einer laut „Hurra“ an der deutschen Westfront im Jahr 1918, sogar immer wieder. Aber dieser Offizier ist kein hundertfünfzigprozentiges Heldengemüt mit kruppstahlharter Siegesgewissheit. Er ist wahnsinnig geworden, endgültig durchgeknallt, als um ihn herum in vorderster Linie seine Einheit komplett aufgerieben wurde. Wir sehen dieses Endstadium einer Zerrüttung gegen Ende von Georg Wilhelm Pabsts Spielfilm „Westfront 1918 – Vier von der Infanterie“ aus dem Jahr 1930.

Es kann kein Zweifel bestehen, dass Pabst da den Zeitrahmen seines Films sprengt, dass er die damalige Gegenwart kommentiert, dass er all jene, die verklärt auf deutsches Heldentum im Ersten Weltkrieg zurückblicken und mit Hurra dem Revanchekrieg entgegenfiebern, für verrückt erklärt.

Von den Nazis gehasst

Die Nazis haben nicht nur dieses Werk von Pabst nach ihrer Machtergreifung verboten. „Soweit es das Geschäft nur irgendwie verträgt, wird das Judentum immer versuchen, die pazifistische Geisteshaltung im deutschen Volke zu fördern“, hatte ihr Hausblatt „Völkischer Beobachter“ Pabsts Film schon 1930 infam kommentiert. „Westfront 1918“ ist heute nicht mehr so bekannt wie Lewis Milestones Erich-Remarque-Verfilmung „Im Westen nichts Neues“, die in Hollywood in den Universal-Studios des ausgewanderten Laupheimers Karl Lämmle entstanden und ebenfalls 1930 auf die Leinwand gekommen ist. Aber Pabsts Film, der nun endlich auch in Deutschland in einer Mediabook-Ausgabe erschienen ist (DVD, Blu-ray und informatives Beiheft), hätte eine ähnliche Bekanntheit durchaus verdient.

Der 1885 geborene Pabst hatte am Ersten Weltkrieg nicht im Graben teilnehmen müssen. Aus New York kommend, wo er am Deutschen Volkstheater als Regisseur arbeitete, war er im August 1914 in Frankreich vom Kriegsausbruch überrascht und als feindlicher Ausländer interniert worden. Aber „Westfront 1918“ hat eine dokumentarische Grimmigkeit, als wolle da ein alter Frontkämpfer einer schon wieder von Lügen berauschten Bevölkerung in Erinnerung rufen, wie schäbig, wie brutal, ganz und gar glanzlos der Krieg wirklich war.

Der Zufall regiert

Auch wenn der Untertitel „Vier von der Infanterie“ auf eine eher straffe Dramaturgie, auf die sehr didaktische Entwicklung von Musterschicksalen hindeutet: Pabst legt viel Wert auf lange Szenen vom Frontleben ohne klare Hauptfiguren. Das Kampfgeschehen entwickelt sich stets vorsätzlich unübersichtlich, der Zufall regiert, das Individuum ist mit seinen Entscheidungen und Eigenarten bedeutungslos: Vielleicht schlägt die nächste Granate hier ein, vielleicht da, vielleicht streut das französische MG hierhin, vielleicht dorthin.

Die Heimatfront sehen wir als lange Schlange der darbenden Hausfrauen und Rentner vor einem Laden, der kaum noch Waren hat. Ein heimkehrender Soldat findet seine Frau mit einem anderen im Bett vor. Das ganze Land ist im Mark zerfressen vom Krieg. Und hinter der Texttafel „Ende“ steht am Schluss ein Fragezeichen.

Westfront 1918. Atlas Mediabook mit DVD und Blu-ray. 24-seitiges Beiheft. 96 Minuten Film. Ca. 23 Euro.