Auf seinen Stromer möchte Martin Groß nicht mehr verzichten. Energie schlürft das Elektroauto über einen Adapter an der Steckdose. Foto: Ursula Vollmer

Wie elektrisch sind die Bewohner der Filder unterwegs? Was gut läuft und woran es hapert, erläutert eine Serie rund ums Thema E-Mobilität. Diesmal: Im Verein Electrify-BW haben sich überzeugte Elektrofahrer zusammengeschlossen.

Musberg - Der Ausblick, den Robin Engelhardt für die Jahre um 2050 entwirft, hat es in sich: Verbrennungsmotoren sind verboten, was Großstädter – nicht nur jene am Stuttgarter Neckartor – befreit aufatmen lässt; den Daimler-Stern auf dem Turm des Hauptbahnhofs hat ein rotes T ersetzt; nach der Untertürkheimer Firmenpleite übernimmt die kalifornische Autoschmiede Tesla die Rolle des größten Arbeitgebers in der Region. Mit diesem Szenario ist es dem 16-Jährigen durchaus ernst: „Elektromobilität interessiert nur Spinner?“, fragt er angriffslustig und stellt unmissverständlich klar: „Das ist definitiv vorbei.“ Inzwischen greife die Erkenntnis um sich, dass Handlungsbedarf geboten sei, um die Lebensadern von Mensch und Umwelt nicht weiter abzuschnüren.

Merkel ist interessiert

Angela Merkel jedenfalls zeigte sich interessiert, als der aufgeweckte Teenager auf Einladung der Nationalen Regierungskonferenz Elektromobilität im Juni 2015 seine 30-seitige „Studie zur Elektromobilität aus Anwendersicht“ präsentierte. Dass er überzeugen kann, hatte Robins Familie bereits zwei Jahre zuvor hautnah erfahren. Vater und Sohn waren zufällig auf das Thema Elektroauto gestoßen. Der Papa – beruflicher Vielfahrer – schaute reserviert drein; sein damals 14-jähriger Filius hingegen stürzte sich neugierig in die Recherche. Das Ergebnis der Berechnungen fiel zwar eindeutig zu Gunsten des e-Mobils aus, doch erst nach mehr als 2000 Test-Kilometern setzte der Vater seine Unterschrift unter den Kaufvertrag: seither schnurrt sein Tesla über Land – und Robin Engelhardt hat den Umstieg mehr denn je zu seinem Thema gemacht.

Dabei sei er weder Umweltaktivist noch gar bezahlter Lobbyist, betont der junge Mann. Sein Interesse gelte einfach der Zukunftsgestaltung, auch im Sinn der kommenden Generationen. Dass er im Bereich der traditionellen Autoindustrie eher schwarz als grün sieht, verbindet ihn mit etwa 50 Gleichgesinnten, die sich zum Verein Electrify-BW zusammengeschlossen haben. Seit 2012 kommen die Mitglieder vierzehntägig in der Mäulesmühle zum Erfahrungsaustausch zusammen – zwangloser Treff und gute Gelegenheit für jeden Wissbegierigen, im Siebenmühlental vorbeizuschauen.

Begeisterungskurve bei 110 Prozent

Zu den E-Profis gehört auch Martin Groß, der vielleicht ein paar Jährchen mehr mitbringt als der Youngster Engelhardt, dessen Begeisterungskurve aber genauso bei „110 Prozent“ liegt, wie er sagt. Folgerichtig lautet sein Credo: „Nie wieder Benziner!“ Als Motivation nennt der Software-Entwickler „ganz klar den Umweltaspekt“. Der Mensch habe nun mal keinen Luftfilter, zudem überzeuge auch die Wirtschaftlichkeit, sagt er, während sein Renault Zoe auf dem Hof der Mäulesmühle frische Energie „tankt“.

Der Verbrauch betrage im Vergleich zu dem eines Benziners umgerechnet einen Bruchteil, bekräftigt Groß; völlig verzichtbar seien Wartungsarbeiten wie Ölwechsel oder ein neuer Keilriemen. Das erklärt für ihn auch, weshalb ausländische Fabrikate den Markt der Elektromobilität dominieren: „Das Geschäft mit den Ersatzteilen entfällt.“ Deutsche Hersteller wollten liebend gern verkaufen; bei den Stromern ließen sie allerdings jegliche Leidenschaft vermissen.

Schon fast eine Portion Sturheit brauche es, um tatsächlich mit einer e-Variante vom Hof eines Autohauses zu rollen, bestätigt Jana Höffner. Die Sprecherin von Electrify-BW nennt ebenfalls einen Tesla ihr eigen, der nicht nur luxuriösen Fahrspaß garantiert, sondern auch den Komfort eines europaweiten Netzes an Ladesäulen – ein Superchargesystem, das nicht jedem e-Mobilisten vergönnt ist, wie die stellvertretende Vereinsvorsitzende gesteht.

Manche Teams fühlen sich ausgebremst

Mit dem Problem der lückenhaften Infrastruktur haben sich unlängst auch Studenten der Dualen Hochschule herum geschlagen, die im Selbstversuch Testfahrten mit verschiedenen Modellen von Stuttgart nach Kopenhagen und Enschede unternommen haben. Defekte Ladesäulen, unverständliche Bedienungsanweisungen, nicht kompatible Zahlungsmittel – manche Teams fühlten sich regelrecht ausgebremst und zeigten sich dennoch beeindruckt von der flüsterleisen Dynamik. „Wir würden ein solches Auto kaufen, vorausgesetzt die Infrastruktur wird ausgebaut, ein universelles Ladesystem installiert und eine neutrale Bezahlform ermöglicht.“ So lautet das Fazit der Studierenden. Einen herstellerübergreifenden Schnellladestandard hält auch Robin Engelhardt für notwendig. Ärgerlich seien zudem regelmäßig zugeparkte Ladesäulen; als Konsequenz für die Falschparker fordert er „Abschleppen, Punkte und ein hohes Bußgeld“.

Schon jetzt – darin sind die Aktiven von Electrify-BW einig – seien Autos mit Elektroantrieben absolut alltagstauglich und mit etwas vorausschauender Planung auch auf Langstrecken einsetzbar. Der Analyse von Robin Engelhardt konnte die Bundeskanzlerin aber entnehmen, dass sich die einheimische Autoindustrie ranhalten muss, um im Ringen um Marktanteile den Anschluss nicht zu verlieren. „Oder wollen wir in 20 Jahren zusehen“, fragt er Robin Engelhardt, „wie sich Kalifornier und Chinesen über die ehemaligen Weltmarktführer lustig machen, während in Deutschland ein beträchtlicher Teil der Arbeitsplätze wegfällt?“.

Unsere Online-Themenseite

Unsere Geschichten zur E-Mobilität auf den Fildern bündeln wir unter www.stuttgarter-zeitung.de/thema/Serie-E-Mobilität und www.stuttgarter-nachrichten.de/thema/Serie-E-Mobilität.