Lässt sich der EM-Hype ums Saxofon wiederholen? André Schnura ist musikalisch reifer geworden und zündet im LKA Longhorn eine Hit-Attacke mit Gästen wie dem Hölle-Hölle-Petry-Sohn und Le Shuuk. 1000 Fans fühlen sich in dieser Nacht wie Champions.
Musikschulen berichten, dass sich seit der Fußball-EM etwa 20 Prozent mehr Jugendliche anmelden, um Saxofon zu lernen. Solche Nachrichten sind ganz nach dem Geschmack von André Schnura. Denn am jüngsten Steigflug des vom Belgier Adolphe Sax erfundenen Blasinstruments ist er nicht ganz unbeteiligt.
Einst war der 31-Jährige Event-Saxofonist auf Hochzeiten, dann stieg er während der EM vor Stadien und in Fußgängerzonen auf seine Verstärkerbox, um mindestens so bekannt zu werden wie die Fußballstars. Heute füllt er Hallen wie am Donnerstagabend das LKA Longhorn. „Von fünf Gastspielen meiner Tour waren bisher vier ausverkauft“, sagt Schnura erfreut kurz vor seinem Aufritt. In die Location in Stuttgart-Wangen sind etwa 1000 Fans gekommen, die zweieinhalb Stunden durchtanzen und zeitweise völlig ausrasten.
In Stuttgart will es der „Typ mit dem Saxofon“, wie er sich selbst nennt, noch mal wissen. „Stuttgart war meine zweite Station während der EM, das war richtig geil“, erinnert er sich im Backstage-Bereich des LKA Longhorn, wo Plakate aus 40 Jahren auf dem Boden, an der Decke und an allen Wänden hängen. Mit seinem Kumpel Ludwig war der junge Musiklehrer, der gerade erst seinen Job an der Musikschule verloren hatte, im Sommer kurz nach dem EM-Start angereist, ahnte nicht, was ihn auf der Königstraße vor dem Kunstmuseum erwarten sollte. Die Leute tanzten wie wild, umzingelten ihn, sorgen dafür, dass er „voller blauer Flecken“ war hinterher.
Vor dem Konzert trifft er backstage Christina Semrau vom Stuttgarter Kinderhospiz, um mit ihr einen Termin zu vereinbaren: Im Dezember kommt André Schnura wieder, um mit Le Shuuk die Villa an der Diemershalde zu besuchen, in der Kinder mit lebensverkürzenden Krankheiten betreut werden. Die soziale Verantwortung ist dem 31-Jährigen sehr wichtig.
Seine Geschichte ist oft erzählt und aufgeschrieben worden. André Schnura war ein Phänomen der EM – und auch der Medien. „Dabei habe ich nur ein einziges Interview gegeben“, sagt er, „nämlich nur dem Reporter der Stuttgarter Zeitung und der Stuttgarter Nachrichten.“ Danach habe er keine Presseanfragen mehr beantwortet, um sich auf die Musik und aufs Verbreiten von guter Stimmung zu konzentrieren.
Von Abba bis AC/DC
Seine Geschichte ist also hinlänglich bekannt. Die spannende Frage aber ist: Kann er das EM-Gefühl in den Herbst oder gar in den Winter retten? Der Auftritt im LKA zeigt: Die Fußball- Euphorie stellt sich nicht mehr ein, aber die Partystimmung ist bombastisch, da werden das Cannstatter Volksfest und ein AC/DC-Konzert bei heftigem Sound wild durcheinander gemixt, da rast der Saxofonist mit seinen Musikern sowie einem DJ und wechselnden Überraschungsgästen durch einen irren Parcours an Hits aus völlig unterschiedlichen Genres – bis sich alle in der Halle wie Europameister fühlen.
Von „Gimme Gimme Gimme“ von Abba bis zu „Er gehört zu mir“ von Marianne Rosenberg – seine Remixe mit einem starken DJ als weiterer Einheizer führen 1000 überwiegend junge Besucherinnen und Besucher an den Rand der Ekstase und manchmal darüber hinaus. Schnura wechselt immer wieder den Platz. Mal steht er auf der Bühne, mal auf der Theke, mal mittendrin in der tobenden Menge. Er wechselt obendrein die Garderobe und das Instrument, mal ist er ganz in Weiß, mal in Schwarz, mal mit dem Rudi-Völler-Trikot der Meister des Hexenkessels.
Hölle, Hölle, Hölle: Der Sohn von Wolfgang Petry ist auch dabei
Achim Petry, der Sohn von Wolfgang Petry, ist einer seiner Überraschungen, der „Wahnsinn“, na klar, röhrt – und das Publikum antwortet, versteht sich, mit „Hölle, Hölle, Hölle“. Auch Le Shuuk, der beim Eröffnungskonzert der EM den Schlossplatz füllte, ist mit „Layla“ dabei.
„Die Leute sollen ihre Probleme nicht vergessen, aber ihren Fokus mal auf was anderes legen“, sagt er, „Kraft tanken.“ Mit positiver Stimmung und positiver Einstellung erreiche man doch viel mehr. Der Titel der Tour heißt „Love is the answer“. Auf Krisen und Kriegen, lautet die Botschaft, sollte man mit Liebe antworten. Der Energieaustausch im LKA Longhorn ist rekordverdächtig. Stuttgart liegt auf der Skala des Ausflippens für den Saxofon-Mann wie schon im Sommer ganz oben.