Bernhard Weber mit seiner Tochter kurz vor dem Start der Olympischen Spiele in Rio Foto: Weber

Bei den Olympischen Spielen startet das Auswärtige Amt eine „Charmeoffensive“ der Deutschen am Rio-Strand – mit dem Stuttgarter Musiker Bernhard Weber alias MC Gringo.

Stuttgart/Rio De Janeiro - Die „99 Luftballons“ von Nena hat sich deutsche Botschaft in Rio de Janeiro von dem Musiker Bernhard Weber im Samba-Rhythmus gewünscht, vom Börni, wie ihn alle nennen.

Bei den Olympischen Spielen wird der aus Stuttgart-Feuerbach stammende Favela-Touristenführer und Musiker mit dem Künstlernamen MC Gringo (MC Ausländer) auf Einladung des Konsulats mit einer zehnköpfigen Band im OliAle, dem Fanpavillon am Strand, deutsches Liedgut im Stil der Brasilianer spielen. OliAle klingt wie ein Schlachtruf und ist eine Wortschöpfung aus Olympia und Alemanha. Motto: „Alemanha na praia“ (Deutschland am Strand).

Am 5. August ist der Stuttgarter bei Arte

„Mensch Kerle“ antwortet der ehemalige Praktikant der Stuttgarter Nachrichten, der vor zwölf Jahren der Liebe wegen nach Brasilien gezogen ist, in einer Handy-Sprachnachricht auf die Frage, wie die Olympiastimmung vorm Start der Spiele in Rio ist. „Hier isch no Fußballsaison, Flamengo spielt no“, sagt Börni mit einem Schwäbisch, dem man anhört, wie gern er es mal wieder spricht, „wie können sich hier die Menschen um die Olympischen Spiele kümmern, Kerle, wenn Flamengo nicht fertig hat?“

Zwischen Stuttgart und Rio liegen über 9500 Kilometer. Blitzschnell kann man sich mit ihm über den Internet-Dienst Whatsapp austauschen. Börnis Stimme klingt beschwingt, ja fröhlich.

Während er davon berichtet, dass er am 5. August um 19.30 Uhr im Fernsehsender Arte als Touristenführer porträtiert wird, antwortet er auf Portugiesisch seiner Tochter, die etwas von ihm wissen will. In einer späteren Sprachnachricht ist zu hören, wie er schnell atmet. Gerade zieht MC Gringo um – endlich hat er es geschafft, die Favela zu verlassen! Aus dem Armenviertel geht es nach Santa Teresa, in das neue Szeneviertel unweit der Copacabana. Das Quartier war einst das teuerste und vornehmste der Stadt, ehe vor Jahrzehnten der Verfall einsetzte. Nun soll es dort in der entgegengesetzten Richtung in die Zukunft gehen.

Die Abstiege der Kickers und des VfB gingen ihm nahe

Es sind gute Nachrichten, die er dem „Kerle“ übermitteln kann, dem einstigen Kollegen. Mehrere Auftritte im Strandpavillon des Auswärtigen Amts stehen an. Neben Dänemark bekam Deutschland als einziges Land die Erlaubnis, während der Spiele zur Imagewerbung einen Treff am Strand von Leblon zu errichten, der offen für alle Fans und Touristen ist, nicht nur für VIPs und Sportler wie beim Deutschen Haus.

Außer auf Nena ist die Diplomatie scharf auf Bohlen und Anders. Auf Wunsch des Konsulats soll der Stuttgarter in sein Samba-Repertoire auch das legendäre Duo aufnehmen. „Kein Witz“, sagt der 46-jährige Börni, „Modern Talking klingt in unserer Version echt stark.“ Engagiert vom Auswärtigen Amt – ein Traum wird für ihn wahr.

Mit Mitgliedern seiner Sambaschule soll er Teil der deutschen „Charmeoffensive“ am Meer werden. „2016 war ein schlechtes Jahr für mich, weil die Kickers und der VfB abgestiegen sind“, sagt die Kickers-C-Block-Legende, die in Brasilien auch noch zum VfB-Fan geworden ist, „aber wenigstens hat meine Sambaschule gewonnen.“

MC Gringo berichtet von „extremen Militäraufgebot“

Eine ebenso gute Nachricht ist, dass für ihn, seine brasilianische Frau und seine beiden Kinder das Leben in der Favela Vergangenheit ist. „Mit den Drogenbanden ist es zuletzt gefährlich geworden“, berichtet MC Gringo. Seit er eine Ausbildung als Touristenführer gemacht hat, erzählt er, geht es aufwärts. Auch seine Haare sind wieder gewachsen, die er stressbedingt verloren hatte. Olympiabesucher wird er durch die Favela und auf deren steilen Hänge führen. Wie kaum ein anderer Deutscher kennt er das Armenviertel aus eigenem Erleben.

Und dann ist da noch der Investor Uwe Fabich, ein Freund von Börni aus Stuttgarter Tagen, dem in Berlin der Veranstaltungsort Postbahnhof, die Erdmann-Höfe in Kreuzberg, der Wasserturm am Ostkreuz und die Musikproduktionsfirma Funkhaus in Oberschöneweide gehören. Der 41-Jährige hat Rio als „spannendes Zukunftsprojekt“ für sich entdeckt und historische Gebäude im Viertel Santa Teresa gekauft; in eines davon zieht nun sein Kumpel Weber ein. Die Copacabana soll neu erwachen. Was hier passiert, erinnert den Immobilienhändler an die Entwicklung Kreuzbergs in Berlin in den Nullerjahren. „Ich will die Gebäude interessant und cool machen“, hat er kürzlich im Interview mit der „Welt“ versprochen. Start-ups, Hipster und Künstler sollten einziehen. Fabichs Funkhaus ist einer der Sponsoren des Fanpavillons OliAle am Strand.

Erst wenige Tage vor dem Start der Spiele ist Börni umgezogen. „Da bin ich wie das Land Brasilien“, meint der frühere StN-Mitarbeiter, „das wird auch erst kurz vor knapp mit allem fertig.“ Aber hier werde „immer alles auf dem Punkt gut“.

Was ihm seit einigen Tagen in Rio aufgefallen ist: „Das Militäraufgebot ist extrem“, sagt er. Er spüre aber auch bereits, wo die olympische Stimmung bald am besten sein wird. Bei Triathlon, Marathon, Radrennen – überall dort, wo die Bewohner am Straßenrand live dabei sein könnten. „Die Welt wird sehen, was für ein Herz die Brasilianer haben“, sagt Börni, bevor er am Strand 99 Luftballons im Samba-Sturm steigen lässt. OliAle! Auf geht’s, Kerle!