Mit seiner Verschwörungsliteratur und rechtspopulistischen Büchern ist der Kopp-Verlag so erfolgreich wie noch nie. Seine Kritiker sagen, er sei schädlich für die Demokratie und betreibe Hetze gegen Flüchtlinge.

Rottenburg - Noch so einen Shitstorm wolle er ungern erleben, sagt Hermann Steur und zieht die ausgedruckten Beschimpfungen aus einem Ordner. „An die Landesverräter im Ortsverein Rottenburg am Neckar“, ist eine der Mails überschrieben, „auf Eure Höllenfahrt freut sich ein Bürger dieser Nation Deutschland“, heißt es weiter. Formulierungen wie „SPD-Schande“ oder „Gutmenschen-Pack“ sind die eher harmlosen Beleidigungen, mit denen der 64-Jährige attackiert wurde, weil er Haltung zeigte, wie er sagt.

Steur, katholisch geprägt, SPD-Stadtrat in Rottenburg (Kreis Tübingen) und mehrfacher Großvater, ist einer der wenigen, die es in der Bischofsstadt am Neckar wagen, den Kopp-Verlag seit Jahren zu kritisieren. Jenen Geschäftemacher, der auf die Ängste der Bürger setzt, der mit seinem Programm längst nicht mehr nur die Ränder der Gesellschaft bedient: Rechtspopulisten, Verschwörungstheoretiker und Ufo-Gläubige, die sowohl das Abendland als auch den Euro und das Universum sowieso in Auflösung begriffen sehen. In einem offenen Brief hat Steur fremdenfeindliche Äußerungen auf der Homepage des Unternehmens kritisiert. Auf die vergleichsweise sanfte Kritik folgte Dauerbeschuss.

Keine fünf Minuten von Steurs blumenumranktem Einfamilienhaus entfernt liegt der Firmensitz des umstrittenen Verlags. Ein schwarzer Kasten mit einem gläsernen Bürobereich, viel Licht, einem Dachgarten, alles topmodern. In einem Industriegebiet im Norden Rottenburgs hat Jochen Kopp, früher Polizist im Ermittlungsdienst in Stuttgart und seit Mitte der neunziger Jahre Verleger, sein Unternehmen groß aufgestellt. Der Rottenburger Gemeinderat hatte im Jahr 2011 lange darüber diskutiert, ob die Kommune das Grundstück für einen Neubau an den Verlag verkaufen sollte. Nur die Grünen und die Linke stimmten dagegen.

Bücherlaster pendeln Richtung Autobahn, der Firmenparkplatz ist voll, die Auftragsbücher sind es auch. Weit mehr als 20 Millionen Euro Umsatz macht der Kopp-Verlag jährlich nach eigenen Angaben, er zahlt Bonusausschüttungen, hat seinen 80 Mitarbeitern eine eigene Kantine eingerichtet und ist auf Expansionskurs.

Der Rottenburger Kopp-Verlag verdient an der allgegenwärtigen Verunsicherung mit

Vögel fliegen in den Sonnenuntergang hinein. Statt einer Wand aus Wellblech am Kleinteilelager hat Jochen Kopp seinen Mitarbeitern etwas Urlaubsgefühl spendiert und eine riesige Plane bedrucken lassen. „Blech wäre zu trist gewesen.“ Der Verlagschef hat lange gezögert, bis er einem Pressebesuch zustimmte. „Wir werden oft mit Pauschaldiffamierungen konfrontiert“, sagt der 51-Jährige. Er trägt ein weißes Freizeithemd, ist braun gebrannt und sehr zuvorkommend. Beim Rundgang durch den Verlag hält er die Türen auf, ein freundlicher Schwabe, über den seine Sekretärin nur Gutes zu sagen weiß. Er habe sein privates Bücherinteresse zum Beruf gemacht, erzählt Jochen Kopp. Als Polizist habe er sich immer gefragt, wer all die Drogen liefere, und spannende Literatur dazu aus den USA in die Finger bekommen. Am Drogenhandel verdienten die Geheimdienste mit, das sei ihm klar geworden, sagt Kopp und entschied sich, den Beamtenjob zugunsten der Verlagsarbeit aufzugeben.

Wie einst Galileo Galilei veröffentliche auch er Ansichten abseits der gängigen Lehrmeinungen. Das italienische Universalgenie sei ja erst von der Kirche als Ketzer gebrandmarkt und später rehabilitiert worden. Ziel seines Hauses sei es, „auf unterdrückte Informationen, Entdeckungen und Erfindungen hinzuweisen“, sagt Kopp. „Wir geben denen eine Stimme, die nicht dem Mainstream entsprechen“, sagt er zum Profil des Verlages, der 700 eigene Titel herausgebracht hat und ansonsten als Fachbuchversand mit Händlern wie Amazon um Kunden konkurriert. Verkauft werden Titel wie die „Masern-Lüge“, die angeblich aufdecken, was die Gesundheitsbehörden verschweigen, politische Enthüllungswerke jenseits der Political Correctness, aber auch jede Menge andere Artikel: vom ABC-Schutzanzug über Langzeitlebensmittel bis zum 500 000-Volt-Elektroschocker.

Gute Umsätze mit dem Pegida-Wortführer Udo Ulfkotte

Die Probleme der Zuwanderung in Deutschland und die wachsende Terrorgefahr lassen nicht nur Parteien wie die AfD profitieren. Auch der Kopp-Verlag verdient an der allgegenwärtigen Verunsicherung mit und publiziert Bücher, die den Eindruck erwecken, als stünde Deutschland am Abgrund. Der Verlag ist damit so erfolgreich wie noch nie. Nicht nachvollziehen kann Jochen Kopp, warum sein Unternehmen immer wieder in der rechten Ecke verortet wird. „Wir haben das neueste Buch von Sahra Wagenknecht häufiger verkauft als das von Thilo Sarrazin“, sagt Kopp und erzählt, dass sein Verlag versucht habe, die Promipolitikerin der Linken als Autorin für einen Online-Artikel zu gewinnen. Ein vergebliches Ansinnen. „Sie hatte wohl Sorge, dass sie Ärger bekommt.“

Einen guten Umsatz hat der Verlag mit dem kürzlich verstorbenen früheren „FAZ“-Redakteur Udo Ulfkotte gemacht. Der Publizist, der auf so mancher Pegida-Demonstration das Wort geführt und den Islam zum Feind erklärt hat, ließ sich erfolgreich von Kopp vermarkten und schrieb auch für die mittlerweile aus Kostengründen eingestellten Online-Nachrichten des Verlags. „Gekaufte Journalisten. Wie Politiker, Geheimdienste und Hochfinanz Deutschlands Massenmedien lenken“ ist zu einem Bestseller geworden.

Die ganze Wahrheit lässt sich in Enthüllungsbüchern lesen

In die angebliche Aufklärungsoffensive geht Kopp auf der Rückseite des Programmheftes vom Mai. Die Warnung in dicken roten Lettern ist unübersehbar: „Glauben Sie nicht, was Ihnen die Mainstream-Medien über den Krieg in Syrien erzählen“, steht dort und dass es sich beim syrischen Präsidenten Assad nicht um einen Dämon handle, wie ihn die westlichen Medien präsentieren. Zu empfehlen sei die Neuerscheinung des US-Amerikaners Mark Taliano, „Was in Syrien tatsächlich geschieht“, in dem vor allem Augenzeugen zu Wort kommen sollen. Auf Nachfrage bestätigt Taliano, dass er gerade mal eine gute Woche im September 2016 vor Ort recherchiert hat.

Bei seiner Suche nach Wahrheiten scheut sich Kopp nicht davor, Bücher des Tübinger Grabert-Verlags und seines Ablegers, des Hohenrain-Verlags, zu vertreiben. Über den Grabert-Verlag schreibt der Verfassungsschutz, er gehöre zu „den größten Verlagsunternehmen innerhalb des rechtsextremistischen Spektrums“ in Deutschland. „Der große Wendig“, ein Grabert-Standardwerk revisionistischer Geschichtsklitterung, den etwa der Tübinger Filialist Osiander nicht mehr anbietet, kann mühelos bestellt werden. Den bekomme man bei Amazon auch, verteidigt sich Jochen Kopp und sieht sich nicht in der Rolle des Zensors. „Wir machen nur etwa zehn Prozent unseres Umsatzes mit politischen Büchern“, sagt er und will über seine eigenen politischen Ansichten nur ungern sprechen. Er sei „freiheitlich konservativ“, sagt der Unternehmer. Seinen Verlag führt das Landesamt für Verfassungsschutz als sogenannten Prüffall, das heißt, die offen zugänglichen Unterlagen und Informationen werden regelmäßig gesichtet. So steht es in einem Antwortschreiben des baden-württembergischen Innenministeriums auf eine Kleine Anfrage bei der Landesregierung durch die damalige SPD-Abgeordnete Rita Haller-Haid Ende des Jahres 2015.

Es sei ein Fehler gewesen, so viele Flüchtlinge ins Land zu lassen

Was die Flüchtlinge in Deutschland angehe, so sei es aus Sicherheitsgründen ein Fehler gewesen, so viele unkontrolliert ins Land zu lassen, kritisiert Kopp. Aber jetzt müsse man sich um sie kümmern.

Den Shitstorm, den Hermann Steur erlebt hat, löste er durch einen Brief der Empörung an Jochen Kopp aus. Er wollte im August 2015 von ihm wissen, ob er hinter den kruden Theorien seines Vorzeigeautors Gerhard Wisnewski steht. Der hatte auf „Kopp online“ die Flüchtlingsbewegung in einem reißerischen Beitrag als „Invasion“ und „militärische Operation gegen Deutschland und Europa“ bezeichnet und Politiker als „ferngelenkte Zombies“ betitelt, die am Untergang des Volkes arbeiteten. „Moralisch stehen Sie in der Verantwortung, nicht der Autor“, schrieb Steur an Kopp, „Sie hätten auch die Möglichkeit gehabt, den Beitrag so nicht zu publizieren.“

Das Schreiben tauchte auf dem rechten Blog „Politically Incorrect“, kurz PI-News auf, und Steurs Telefon stand tagelang nicht mehr still. „Wir wollen Kopp nicht verteufeln“, sagt der Stadtrat, der Verlag sichere Arbeitsplätze, sei bis vor Kurzem langjähriger Sponsor des Volleyball-Bundesligisten TV Rottenburg gewesen und zahle Gewerbesteuer. „Aber Kopp ist nicht nur populistisch, sondern schädlich für die Demokratie“, urteilt Steur. „Da wird Hetze gegen Flüchtlinge betrieben, und Politiker werden verunglimpft.“ Über die Jahre sei der Ton heftiger geworden, der Verlag bedrohlicher. Auf die Frage, ob er heute noch einmal für den Verkauf eines Grundstücks an den Unternehmer mit Ja stimmen würde, muss er nicht lange nachdenken. Die Antwort ist kurz: „Eher nicht.“