Aki Kaurismäki beschäftigt sich in seinen neuen Werken mit der Flüchtlingsthematik. Foto: Verleih

Er gehört zu den großen Regisseuren der Gegenwart, seit gut 30 Jahren verleiht Aki Kaurismäki dem europäischen Film eine besondere Note. 2011 hat er sich in „Le Havre“ der Flüchtlingsthematik zugewandt, um die es auch in seiner aktuellen Tragikomödie „Die andere Seite der Hoffnung“ geht.

Herr Kaurismäki, Ihre Filme hatten bisher immer einen sehr zeitlosen Erzählrahmen. Was hat Sie dazu bewegt, mit der Geschichte eines syrischen Flüchtlings in „Die andere Seite der Hoffnung“ einen Film zu einem ganz aktuellen politischen Thema zu drehen?
Die finnische Regierung hat mich gezwungen, diesen Film zu machen, weil sie sich gegenüber den Flüchtlingen so schäbig verhalten hat. Als einige Tausend Flüchtlinge aus Syrien in unser Land kamen, haben sich die Menschen bei uns sehr viel Mühe gegeben, ihnen zu helfen. Die offiziellen Stellen hingegen haben mit allen Mitteln versucht, die Geflüchteten so schnell wie möglich wieder aus dem Land zu werfen und dabei auch internationales Recht gebrochen. Wenn unsere Regierung so weiter macht, werde ich meinen finnischen Pass verbrennen.
In Europa und in den USA entstehen überall rechte, populistische Bewegungen, die sich gegen die Aufnahme von Flüchtlingen stellen. Gibt es so etwas in Finnland?
Ein paar solche Idioten gibt es auch bei uns. Aber ich bin stolz auf die Menschen in meinem Land. Sie haben sehr gut auf die Flüchtlingskrise reagiert. Das liegt auch in der Tradition unseres Landes. Während und nach dem Zweiten Weltkrieg sind viele Flüchtlinge aus Osteuropa über die russische Grenze nach Finnland gekommen. Deshalb überrascht es mich sehr, dass die Menschen ausgerechnet in Ostdeutschland und in Osteuropa gegenüber Flüchtlingen so negativ eingestellt sind, wo doch gerade aus diesen Ländern so viele Menschen damals in den Westen geflüchtet sind. Ich kann nicht verstehen, woher diese Negativität kommt.
Trotz seines Realitätsbezuges ist auch Ihr neuer Film eher als Märchen angelegt. Brauchen auch erwachsene Zuschauer im Kino Märchen, um in der Realität zu bestehen?
Es wäre schön, wenn die Menschheit endlich erwachsen werden würde. Denn wenn sie nicht bald erwachsen wird, bedeutet das nur noch mehr Kriege. Ich habe keine Antworten auf die großen Fragen unserer Zeit. Ich mache nur lausige Filme. Aber eins weiß ich gewiss: Wenn wir nicht bald erwachsen werden, werden wir sterben. Denn der globale, vernetzte Kapitalismus wird uns noch alle umbringen.
Es sind nicht die Institutionen, die dem Flüchtling Khaled helfen, sondern Menschen, die selbst wenig haben. Wie wichtig ist diese zwischenmenschliche Solidarität in Ihren Filmen und für unsere Gesellschaft?
Im Prinzip habe ich davon mein ganzes Leben lang in meinen Filmen erzählt. Solidarität bedeutet, dass man sich um Menschen kümmert, die in Schwierigkeiten geraten sind. Ohne Solidarität stirbt unsere Seele. Ein Leben ohne Solidarität hat keinen Sinn. Es ist hohl wie der Klang einer leeren Flasche.