Emmanuel Macron kannte bisher noch eine Richtung: geradeaus. Doch nun muss der französische Präsident um seine Wiederwahl fürchten. Foto: AFP/GEORGES GOBET

Der französische Präsident muss um seine Wiederwahl bangen, also ordnete er seine Gefolgschaft neu und hinterlässt dabei manche Opfer

Paris - Emmanuel Macron hatte einen Traum. Wie der Gott Jupiter aus dem Olymp herab wollte er sein Land regieren. Nach dem langweiligen Francois Hollande trachtete er danach, dem Amt des Präsidenten den alten, königlich anmutenden Glanz zurückgeben. Doch nach einem anfänglichen Höhenflug ist der dynamische Staatschef auf dem Boden der Tatsachen spektakulär zerschellt. Offenbar wird ein grundsätzliches Problem: Macron scheint Autorität mit autoritär zu verwechseln. Die dringend notwendige Liberalisierung der Wirtschaft und Einsparungen im französischen Staatshaushalt wollte der Staatschef mit bisweilen rücksichtsloser Härte durchpeitschen, doch seine Untertanen wollen das nicht klaglos hinnehmen.

Macron wird zum normalen Politiker

Der Möchtegern-Gott ist entzaubert und längst zum ganz normalen Politiker mutiert, der inzwischen sogar um seine Wiederwahl fürchten muss. Das aber ist für den Überflieger Macron, der in seinem Leben bisher nur den Weg nach oben kannte, eine unerträgliche Situation. Der Präsident reagiert deshalb zunehmend gereizt und rüffelt immer wieder öffentlich die Minister seiner eigenen Regierung, weil diese den Verlauf der Corona-Pandemie offensichtlich nicht in den Griff bekommt. Dass Macron es war, der einst die fatalen Kürzungen etwa im Krankenhausbereich durchdrückte, bleibt dabei unerwähnt.

Der Unmut des Präsidenten ist allerdings verständlich, denn er kann sich keine weiteren Rückschläge mehr leisten, will er für eine zweite Amtszeit gewählt werden. Seit Monaten schon befindet sich Emmanuel Macron im Wahlkampfmodus und offenbart dabei, wie kühl und rücksichtslos er den eigenen Machterhalt kalkuliert. Bisher spektakulärstes Opfer dieser Pläne ist Premierminister Edouard Philippe. Dessen wachsende Popularität bei den Franzosen deutete der Präsidenten als Gefahr für sich selbst, also wurde er kurzerhand durch den blassen Bürokraten Jean Castex ersetzt.

Der Präsident baut die Regierung um

Doch nicht nur der Premier musste gehen, auch einige zentrale Ministerposten wurden neu besetzt. Dabei wurde deutlich, dass Macron die Präsidentenwahl offensichtlich vor allem mit den Stimmen der konservativen Wähler gewinnen will – womit sich natürlich auch die politischen Schwerpunkte grundsätzlich verschieben. Zelebrierte sich der Staatschef noch im Frühjahr aller Welt als eine Art liberaler Klima-Retter, präsentieren er und die neue Regierung sich nun vor allem als Kämpfer für die innere Sicherheit.

Zudem hat Emmanuel Macron einen neuen Gegner ausgemacht. Seit den Stimmengewinnen bei der Europawahl und dem Erfolg bei den Kommunalwahlen, sind die Grünen in Frankreich zu einer ernst zu nehmenden politischen Kraft aufgestiegen. Der Präsident traut ihnen offensichtlich zu, ihm bei der Wahl 2022 gefährlich zu werden, zumal sie die Stimmen auf der linken Seite des politischen Spektrums einsammeln könnten.

Macron kämpft mit harten Bandagen

Dass Emmanuel Macron bereit ist, mit sehr harten Bandagen zu kämpfen, bewies er in diesen Tagen auf einem Treffen von französischen Unternehmern im Élysée-Palast. Der Präsident redete bei der Begrüßung viel über wirtschaftlichen und technischen Fortschritt. Dann sagte er einen Satz, der einschlug wie eine kleine Bombe: „Ich höre viele Stimmen, die uns erklären, dass wir die Komplexität der gegenwärtigen Probleme angehen sollten, indem wir zur Öllampe zurückkehren! Ich glaube nicht, dass das Amish-Modell es ermöglicht, die Herausforderungen der modernen Welt zu lösen.“

Für den Präsidenten ist also klar: Er selbst macht Frankreich fit für die Zukunft, alle anderen brandmarkt er als rückwärtsgewandte Fortschrittsverweigerer. Macron präsentiert sich als pragmatischer Macher und verspottet die Diskussionen der Grünen über den ökologisch richtigen Weg aus der aktuellen Krise als nutzloses „Kamasutra“.

Der Präsident spaltet das Volk

François-Bernard Huyghe, Direktor des renommierten Iris-Instituts für internationale Studien, erklärt dazu, dass Macron inzwischen versuche, seine Wähler und zukünftigen Geldgeber direkt anzusprechen. Das seien wohlhabenden, eher älteren Menschen, die sich über die Kontroversen um das Aufstellen von Weihnachtsbäume ärgern und sich Sorgen um ihre Sicherheit machten.

Plötzlich droht Emmanuel Macron allerdings Ungemacht von unerwarteter Seite. Konnte er sich bei der Wahl 2017 auf die von ihm selbst gegründete Bewegung La République en marche (LREM) verlassen, kommt nun Gegenwind aus den eigenen Reihen. Viele in der Partei wollen mehr sein als eine Art Präsidenten-Wahl-Verein. Die LREM sei völlig fixiert auf Macron und es sei nicht möglich, neue Ideen zu hervorzubringen oder andere politische Gedanken zu integrieren, erklärte dieser Tage der stellvertretende Parteivorsitzende Pierre Person und trat überraschend zurück. Vor ihm haben bereits mehrere andere entnervt das Handtuch geworfen. Rund zwei Dutzend LREM-Abgeordnete haben inzwischen aus ähnlichen Gründen die Fraktion im Parlament verlassen.

Emmanuel Macron ficht diese vernichtende Kritik aus dem eigenen Lager an ihm und seiner Politik nicht an. Er hat die Basis seiner Unterstützer längst neu arrangiert. Wichtig ist ihm seine eigene Wiederwahl, wer ihm dabei hilft scheint nebensächlich.