Der Papst küsst ein Kind aus der wartenden Menge. Foto: AFP

Der Papst im protestantischen Norden - das ist selten. Dass er dann aber auch noch der Reformation gedenkt, gab es noch nie. Interessieren tut das in Schweden aber längst nicht alle.

Lund/Malmö - So viele katholische Geistliche auf einmal sieht man selten in Schweden - vom Papst ganz zu schweigen. Der kam das letzte Mal vor mehr als 25 Jahren in das Land, in dem Katholiken eine Minderheit sind. Und nun ausgerechnet zu einem Jubiläum, das aus katholischer Sicht eigentlich kein Grund zum Feiern ist. Doch Pontifex Franziskus gedenkt am diesjährigen Reformationstag gemeinsam mit lutherischen Geistlichen der Reformation. Das gab es noch nie.

Einige Schaulustige haben sich in der Nähe des Flughafens in Malmö eingefunden, um einen Blick auf Franziskus zu erhaschen, als er rasch nach seiner Landung ins nahe gelegene Lund fährt. Aber es sind wenige. Der Himmel ist grau, auch noch als der Papst am Dom der kleinen Universitätsstadt ankommt. Auf der schmalen Straße davor drängen sich Hunderte Menschen, jubeln, schreien. Franziskus nähert sich, küsst den Kopf eines Kindes.

Durchsuchungen vor dem Domplatz

Schon Stunden vor seiner Ankunft hatten sie sich in einer Schlange zum abgesperrten Domplatz vorgeschoben, wo Polizisten alle abtasten, Taschen durchsuchen und Butterbrotdosen öffnen. „Ich finde es superwichtig, dass der Papst da ist“, sagt Fernando Granizo aus Ecuador, der mit seiner Frau und dem kleinen Sohn des Paars vor dem Dom steht. „Es ist eine seiner größten Errungenschaften, dass er die Menschen zusammenbringt, egal was für eine Konfession oder Religion sie haben.“ Der 29-jährige Katholik ist vor einem Jahr nach Schweden gezogen, studiert hier Umweltwissenschaft.

Extra angereist für den Papst ist er nicht, genauso wenig wie der Schotte Brian Kelly, der gerade in Kopenhagen Urlaub macht und zufällig gehört hat, dass Franziskus zum Reformationsgedenken ganz in der Nähe ist. „Ich komme aus einem Land, in dem Katholiken und Protestanten ein sehr schwieriges Verhältnis haben“, sagt der 57-Jährige, der an der Absperrung lehnt. „Der Besuch hier ist symbolisch, er zeigt, dass Brücken gebaut werden können. Vielleicht bewegt er einige Menschen dazu, in den Dialog zu treten.“

Die deutsche Austauschstudentin Anne Kästner direkt neben ihm wollte dagegen vor allem einen Blick auf Schwedens König Carl XVI. Gustaf erhaschen. „Es ist ein bisschen umständlich, dass man wegen der Sperrungen heute nicht so gut durchkommt“, sagt die 21-Jährige. „Aber es ist immer spannend, Großveranstaltungen zu sehen.“

Das Gebet wurde auf Leinwand übertragen

Auch für die meisten Einheimischen ist der prominente Besuch vor allem ein Event. „Das ist eine ziemlich große Sache für eine kleine Stadt wie Lund“, sagt Diana Persson, die mit ihrer Tochter schon um die Mittagszeit zum Dom gekommen war, um einen guten Platz zu bekommen. „Dafür musste man heute früh da sein!“

Wem das nicht gelang, konnte sich das Gebet in der Kathedrale einen Steinwurf entfernt auf einer Großleinwand auf dem Stortorget, dem großen Platz am Rathaus, ansehen. Hier eilen viele Menschen vorbei, die nahegelegene Einkaufsstraße säumen Geschäfte. „Der Papst ist mir völlig egal“, sagt Bitte Ahlnar, die mit ihren Enkelkindern auf dem Weg ins Kino ist. Wie eine „Rockoper“ sei das heute in Lund, sagt sie.

„Kirche hat hier keinen großen Stellenwert“

Polizisten in neongelben Westen, zu Fuß, zu Pferde, auf Motorrädern bestimmen das Bild in der sonst so ruhigen Stadt. Es sollen sogar mehr sein als beim Besuch des US-Präsidenten Barack Obama 2013. Erst in den vergangenen Tagen fiel den Menschen auf, dass plötzlich mehr internationale Besucher die Straßen in Lund füllten.

„Ich habe das Gefühl, dass sich die Deutschen, die hier leben, viel mehr dafür interessiert haben als die Schweden“, sagt die 22-jährige Mathe-Studentin Hannah Klinkhammer. Sie und ihr Kommilitone Niklas Sauter aus Ulm waren überrascht, dass der Papst überhaupt nach Schweden kommt. „Kirche hat hier keinen großen Stellenwert“, sagt der 25-jährige Sauter. Am Reformationstag aber bekommt zumindest das Treffen der Kirchenvertreter einen großen Stellenwert - über die Grenzen von Schweden hinaus.