Der Beginn einer wunderbaren Beziehung: Rike (Klara Deutschmann) und Jacomo Foto: ARD

Der Zweiteiler „Reiterhof Wildenstein“ erzählt von zarter Liebe und brutaler Dressur. Es geht nicht um Ponyhofkitsch, sondern um die Beziehung zwischen Mensch und Tier.

Stuttgart - Eine Blondine im kleinen Schwarzen donnert im dicken Auto über endlose Landstraßen. Laut telefonierend – „Flug . . . morgen . . . New York“ – macht sie klar, dass sie ihrem Ziel nur ungern entgegenfährt: aufs Land, zum Reiterhof Wildenstein, wo sich neben dem nächsten Funkloch gleich die Abgründe eines Familienclans auftun werden.

Huch. Was so Freitagsfilm-typisch anfängt, auf so ausgelatschten Wegen, kann ja nur in der vollgeschmalzten Heugasse enden. Blondie wird im ARD-Zweiteiler „Reiterhof Wildenstein – Die Pferdeflüsterin“ wohl so lange umhergeschubst werden, bis sie geläutert in den starken Armen ihrer alten Liebe aus Schulzeiten versinkt. Dazwischen ein bisschen Koppel, Pferde, andere Verwandte – und fertig ist ein modernisiertes Immenhof-Märchen. Volle Befriedigung für die insularen Gefühle von Mädchen, für die das Leben nicht mehr als ein Ponyhof ist.

Weg von der Peitsche

Viel mehr als das Zupackende hat die Frau mit dem blonden Haar, Rike (Klara Deutschmann), aber nicht gemein mit Dick und Dalli, den Mädels vom Immenhof. Rike ist vor 13 Jahren nach Arizona abgehauen, um fernab der peitschentreibenden Dressurschule Wildenstein mit Wildpferden zu arbeiten.

Der tyrannische Vater wird beerdigt; nur deshalb ist Rike, das „einzige Pony, das sich nicht dressieren lassen wollte“, zurückgekehrt zur Mutter und den zwei Brüdern. Zur unnahbaren Mutter Elsa (Ulli Maier). Zu dem einen Bruder, Jesper (Florian Maria Sumerauer), mit Pferdehaarallergie, der sich aus allem raushält. Zu dem anderen Bruder, Ferdinand (Shenja Lacher), dem sein Vater das eigene Verhalten eingeprügelt hat. Kurzum: Das verstorbene Familienoberhaupt hat Haus, Hof und die Familie zum Sanierungsfall gemacht.

Alles und jeden soll jetzt der prachtvolle Dressurhengst Jacomo retten. Mit Gewalt. So will es Ferdinand. Mit so liebevoller Zuwendung, dass jedes Tierfreundeherz Volten schlägt. So will es Rike. Aber weil die 13 Jahre lang in Arizona einen auf Winnetou gemacht hat, Pferdeyoga betreibt und Streicheln keine Rechnungen bezahlt, würde Ferdinand seine Schwester am liebsten wie den räudigsten Hund vom Hof jagen. Wie soll das bloß weitergehen? Und wann wird Rike sich endlich raushalten und in den Armen ihres ehemaligen Klassenlieblings aufgeben?

So viele Hengste!

Der Regisseurin Vivian Naefe („Die wilden Hühner“) gelingt es, Klischees, die auf einem Reiterhof so haufenweise drohen wie Pferdeäpfel, im Dressurritt zu umtänzeln. Sie füttert ihre Geschichte mit humorvollen Dialogen genauso wie mit erschreckend echten Sätzen zwischen Mutter und Kind. Und sie setzt mit Recht auf Rike, die nur, wenn es um Tiere geht, weich und knautschig wird wie eine Pferdeschnauze.

Rike hat sich in Jacomo verliebt. Das ist kaum überraschend, weil wegweisend für die weitere Handlung. Schließlich heißt der zweite Teil am kommenden Freitag „Kampf um Jacomo“. „Die Pferdeflüsterin“, „Kampf um Jacomo“ – man würde diese Etiketten dann doch so gern wegreißen wie die Ehrenschilder, die Zuchtwunderlinge am Ohr festgetackert wurden. Weil es so plump zusammenfasst, was im Film nicht hufeklappernd, sondern sanft und berührend erzählt wird: was Wunderbares sein kann zwischen Mensch und Tier. Dass da was ist. Und was da ist.

Gegen den Strich

Jacomo hat allerdings mächtig Konkurrenz: Um Rike scharwenzeln viele zweibeinige Hengste herum, darunter dann doch auch die alte Schulliebe Christian (Alexander Khuon). Aber noch bevor das so recht kitschig werden kann, gönnt sich Rike auch schon ein Schäferstündchen mit ihm. Überhaupt stellt sie Sachen an, die Frauen auf diesem Sendeplatz eigentlich nicht wagen: Fahren ohne Führerschein. Fiese Rache üben. Oder eben Christian zu lieben, obwohl der Frau und Kind hat und in Arizona ihr Geliebter auf sie wartet.

Vivian Naefe striegelt ihr Reiterhofmärchen liebevoll gegen den Strich. Wie es in Teil zwei am kommenden Freitag weitergehen könnte? Keine Ahnung. Allein das schon zeichnet den Zweiteiler aus.

Ausstrahlung: ARD, 10. Mai 2019. Teil zwei am 17. Mai. Weitere Fortsetzungen laut ARD nicht ausgeschlossen.