Ein Zuwanderer könnte versucht sein, mit diversen Hilfsarbeiten – etwa auf dem Bau – Geld zu verdienen. Foto: dpa

Der Linzer Schattenwirtsexperte Friedrich Schneider warnt: Eine drastisch angehobene Untergrenze des Mindestlohns könnte vor allem in Ostdeutschland den Anreiz verstärken, Flüchtlinge illegal zu beschäftigen. Und im Südwesten?

Stuttgart - Die Schattenwirtschaft richtet zwar weiterhin hohen Schaden an. Doch machen sich die gute Verfassung der Konjunktur und die glänzende Arbeitsmarktlage positiv bemerkbar. Die Bereitschaft der Menschen zur illegalen Beschäftigung sinkt. Somit geht Schwarzarbeit etwas zurück. Dennoch lauern zwei Gefahren: die Zuwanderung und die baldige Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns.

Bisher wirkt sich die Lohnuntergrenze von 8,50 Euro in prosperierenden Ländern wie Baden-Württemberg, Bayern oder Hessen alles in allem kaum negativ aus. Vielmehr wächst die Kaufkraft der Niedriglöhner – und der Druck, weitere (irreguläre) Jobs anzunehmen, schwindet. Anders in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg oder Sachsen-Anhalt: dort erweist der Mindestlohn in vielen Bereichen als Hürde für die Wirtschaft. Die benachbarten Polen zum Beispiel sind nicht weit und bieten ihre Arbeitskraft auch für fünf Euro pro Stunde an. Folglich ist dort die Bereitschaft der Arbeitgeber größer, in Schwarzarbeit auszuweichen. „Im Westen hat der Mindestlohn kaum einen nennenswerten Effekt auf die Schwarzarbeit – im Osten hat er sie im Umfang von 500 bis 800 Millionen Euro erhöht“, sagt der Wissenschaftler Friedrich Schneider, der sich an der Universität Linz seit Jahren mit der Schattenwirtschaft beschäftigt. Weil diese naturgemäß nicht messbar ist, legt er für seine Zahlen „plausible Annahmen“ zugrunde – was Kritiker jedoch für angreifbar halten.

Schwarzarbeitvolumen wird kaum vergrößert

Sollte der Mindestlohn bald maßvoll zum Beispiel auf 8,80 Euro erhöht werden, wird sich aus seiner Sicht an der Situation prinzipiell wenig ändern. Anders, wenn die von Linkspartei oder Gewerkschaftern geforderte starke Anhebung erfolgt: „Wenn man den Mindestlohn flächendeckend auf 9,50 Euro erhöht, steigt in Ostdeutschland der Anreiz, Flüchtlinge illegal zu beschäftigen“, versichert der in Konstanz aufgewachsene Schneider, der an diesem Donnerstag bei der IHK Region Stuttgart referiert. Dann betrage die Differenz zwischen der gesetzlichen Untergrenze und dem real gezahlten Lohn schon mehr als vier Euro.

In drei Szenarien hat er errechnet, was es bedeutet, wenn eine bestimmte Anzahl von Flüchtlingen zum Beispiel für fünf Euro in der Stunde schwarz arbeitet – dies wiederum 20 Stunden in der Woche. Demnach käme ein Zuwanderer auf ein Salär von 4800 Euro im Jahr. Dies ergäbe ein zusätzliches Schwarzarbeitvolumen von 720 Millionen Euro bei 150 000 Flüchtlingen, von 1,44 Milliarden Euro bei 300 000 Menschen und von 2,4 Milliarden Euro bei 500 000 Zuwanderern. Dies sei bei einem Gesamtwert der Schattenwirtschaft von geschätzt 339,6 Milliarden Euro für das vorige Jahr allerdings „ein Tropfen auf den heißen Stein“, sagt Schneider, der auch eine Forschungsprofessur am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat.

Vor allem Osteuropäer sind gefährdet

Generell verdrängen Zuwanderer aus seiner Sicht keine einheimischen Arbeitskräfte. „Die Wirkung auf die Beschäftigung von Deutschen ist minimal“, sagt er. „Auf EU-Bürger aus Osteuropa ist der Effekt jedoch beträchtlich.“ Gefährdet sieht er speziell Bulgaren, Rumänen, teilweise Ungarn oder Kroaten – sie alle könnten von Syrern, Irakern oder Nordafrikanern unterboten werden. „Da könnte jeder Vierte bis Zweite verdrängt werden“, schätzt der Linzer Ökonom. Weshalb er auf eine Lockerung des Beschäftigungsverbots dringt: „Bei einer berechtigten Aussicht auf Asyl würde ich eine sofortige Arbeitserlaubnis erteilen, damit der Betroffene nicht in die Schwarzarbeit abwandert.“ Dies fördere letztendlich auch die Integration der Fremden.

Für die Schwarzarbeit kommen eine Reihe von Hilfsarbeiten in Betracht, bei denen Sprachkenntnisse nebensächlich sind: im Putz- und Reinigungsgewerbe, auf dem Bau oder in der Küche der Gastronomie. Es gebe genügend Jobs, die Deutsche nicht mehr machen wollen und bei denen die Zuwanderer sofort einsetzbar seien, sagt Schneider. Zwar bestehe für sie dann das Risiko der Entdeckung und der Ausweisung aus Deutschland – wegen der Illegalität zudem eine große Abhängigkeit vom Arbeitgeber. Doch „viele Flüchtlinge wollen nicht nur herumsitzen, sondern notfalls auch schwarz arbeiten“ – dies schon zur Stärkung der eigenen Identität.