An der Kuppel ist zu erkennen, dass es sich hier um den Innenhof des Marstalls handelt, 1942 fotografiert Foto: Stadtarchiv

Heute zählt das Marstall-Areal an der unteren Königstraße zu den Filetgrundstücken der Stadt. Vor dem Krieg herrschte im begrünten Innenhof eine fast ländliche Idylle. Unsere Serie mit dem Stadtarchiv blickt auf das Jahr 1942.

Stuttgart - Das Wort Marstall hat einen althochdeutschen Ursprung. Es setzt sich zusammen aus Marah oder Mähre (Pferd) und dem Stall. Der Marstall war mal die Bezeichnung für den Pferdestall eines Fürsten, Herzogs oder Königs, als es diese führenden „Berufe“ in Deutschland noch gab. Im Jahr 1803 hat Friedrich I. – da war der spätere König von Württemberg (seit 1806) noch Kurfürst – beschlossen, den Marstall von der Solitude näher an sein Hauptschloss umzusiedeln. Seine Pferde wollte er unweit seines Wohnsitzes haben – nicht unpassend für eine Stadt, die auf den Stutengarten zurückgeht, auf die Pferdezucht in der sumpfigen Talaue.

 

In den Zwanzigern Umbau für Läden und ein Hotel

Friedrich I. ließ an der Stelle des ehemaligen Siechenhauses einen Steinbau errichten. Der Marstall war 300 Meter lang und nahm etwa 400 Pferde auf. Was wir heute als Fußgängerzone kennen, war damals die Pferdezone der Residenzstadt. 1810 ließ der Herrscher – nunmehr König – von seinem Hofbaumeister Nikolaus Friedrich von Thouret ein Königstor unweit seines Marstalls errichten, als Abschluss der unteren Königstraße, die seit 1811 diesen Namen trägt. Der Torbogen wurde 1922 abgerissen,weil man ihn als Verkehrshindernis sah, unweit des neu eröffneten Hauptbahnhofs. Nach und nach hatten die Pferde des Königs weichen müssen – und 1918 schließlich der letzte König auch.

Von 1922 bis 1924 wurde der Marstall mit der Kuppel für Ladengeschäfte und ein Hotel umgebaut. Im Innenhof entstanden die Palast-Lichtspiele mit fast 1200 Sitzplätzen. Draußen war die Einkaufsstraße der Großstadt, drinnen im Hof sah es ländlich aus dank Fassadenbegrünung kleiner Häuser. August Daub, ein Filmpionier, hatte das große Kino 1923 im einstigen Pferdestall mit Stummfilmen eröffnet. Für die Neugestaltung des Marstall-Geländes wurden nach den Kriegszerstörungen die Palast-Lichtspiele verdrängt. Sie zogen um in den Metropol-Palast an der Bolzstraße, um dort – wie schon die 35 Jahre zuvor — die führende Rolle im Filmleben Stuttgarts zu übernehmen. Einstöckige Provisorien für den Handel entstanden nach dem Krieg. 1960 baute schließlich Hertie auf dem einstigen Pferdehofgelände sein Kaufhaus.

Erneut steht ein Umbau des Marstall-Areals an

Jetzt steht eine weitere Umgestaltung in der langen Geschichte des etwa 19 000 Quadratmeter umfassenden Marstall-Areals bevor. Die Landesbank Baden-Württemberg will als Eigentümerin die Gebäude Königstraße 1–3 aufwerten. Nicht zuletzt aus Gründen des Brandschutzes sei dies notwendig. An Abriss und Neubauten ist gedacht. Die Bank hat Architekturbüros um Vorschläge gebeten. Für das Entree zur Königstraße begrüßen die Fraktionen im Gemeinderat überwiegend eine Neugestaltung, wollen aber mitentscheiden, was dort geht und was nicht. Auch die Nutzung für Oper und Philharmonie stand mal zur Diskussion.