Vor der US-Botschaft in Teheran verbrennen Iraner die amerikanische Flagge. Foto: imago

Nach dem Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen mit dem Iran eskaliert die Lage im Nahen Osten. Im syrisch-israelischen Grenzgebiet entladen sich die seit Wochen wachsenden Spannungen zwischen dem Iran und Israel.

Teheran - Schockiert und konsterniert sind weltweit die Reaktionen auf die Entscheidung von US-Präsident Donald Trump ausgefallen, aus dem internationalen Atomvertrag mit dem Iran auszusteigen. Denn die Folgen dieses amerikanischen Alleingangs sind unkalkulierbar – vor allem für den Nahen und Mittleren Osten. Was bedeutet die spektakuläre Zäsur für diese Region, die zu den instabilsten und gewalttätigsten der Welt gehört? Vier Fragen, vier Antworten.

Droht eine direkte militärische Konfrontation zwischen Israel und Iran?

Israels Führung beunruhigt neben dem Atomthema vor allem die massive iranische Militärpräsenz im Nachbarland Syrien. Rund 3000 Revolutionäre Garden hat Teheran derzeit im Einsatz, die dort offenbar auf Dauer stationiert bleiben sollen. Hinzu kommen mindestens 10 000 von dem Iran rekrutierte und bezahlte Milizionäre, überwiegend Iraker und Afghanen. Seit Monaten führt Israel bereits einen unerklärten Krieg gegen diese iranische Militärmacht, der in nächster Zeit dramatisch eskalieren könnte.

Nur 36 Stunden nach der Trump-Rede bombardierten 28 israelische Kampfjets zahlreiche Stellungen der Revolutionären Garden in Syrien, nach Angaben aus Armeekreisen eine der massivsten Militäroperationen während der letzten Jahre. Zuvor waren die Golanhöhen von syrischem Territorium aus mit etwa zwanzig Raketen beschossen worden.

Israels Premierminister Benjamin Netanjahu reiste am Mittwoch nach Moskau zu Wladimir Putin, der beide Seiten zur Zurückhaltung und zum Dialog aufrufen ließ. Trotzdem könnte dem Kreml Netanjahus aggressiverer Kurs durchaus gelegen kommen, weil er den iranischen Ambitionen in Syrien Grenzen setzt.

Die Hisbollah verfügt angeblich über ein Raketenarsenal von mehr als 100 000 Geschossen

Wie wird sich die Schiitenmiliz Hisbollah verhalten?

Eine große Unbekannte in den neu heraufziehenden regionalen Turbulenzen ist die Hisbollah. Die Schiitenmiliz, die als der wohl kampfstärkste Verband in der arabischen Welt gilt, verfügt angeblich über ein Raketenarsenal von mehr als 100 000 Geschossen, die auch Tel Aviv erreichen können. Sollte es wegen des iranischen Nuklearprogramms zu direkten Luftangriffen Israels auf die Islamische Republik kommen, könnte die Hisbollah als langjähriger Statthalter Teherans in der arabischen Welt ihrerseits das Feuer auf Israel eröffnen. Doch dies wird sich die Führung der radikalen Miliz sehr genau überlegen. Denn Israel drohte im Falle eines solchen Angriffes mit einer breitflächigen Zerstörung der libanesischen Infrastruktur.

Wie hoch ist die Gefahr eines atomaren Wettrüstens am Golf?

Einen Vorgeschmack darauf gab bereits der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman. Saudi-Arabien wolle keine Atombombe besitzen, versicherte er, „wenn der Iran aber eine baut, werden wir, ohne jeden Zweifel, so schnell wie möglich nachziehen“. Wie die Islamische Republik besitzt auch Saudi-Arabien Uran, das sich auf ein waffenfähiges Niveau anreichern ließe, einer der beiden technischen Wege zur Bombe. 16 Atommeiler will das Königshaus in den nächsten beiden Jahrzehnten bauen lassen.

Dabei will Riad weder auf die Uran-Anreicherung verzichten noch auf eine Wiederaufarbeitung, bei der Plutonium anfällt – der andere Weg zur Bombe. Die Saudis sträuben sich mit Verweis auf Ankara und Kairo, die ihre künftigen Atomkraftwerke bei den Russen kaufen. Beide lehnen jede Einschränkung bei Anreicherung oder Wiederaufarbeitung ab – und Moskau ist das egal. In der Vergangenheit hat Riad bereits internationale Atomregeln verletzt. So finanzierte das saudische Königshaus das Atomprogramm von Pakistan, das sich wie Indien und Israel bis heute dem internationalen Atomwaffensperrvertrag entzieht.

Irans Hardliner frohlocken, ihnen war der Atomvertrag ein Dorn im Auge

Was bedeutet Trumps Paukenschlag für das Machtgefüge im Iran?

Irans Hardliner frohlocken, ihnen war der Atomvertrag von Anfang an ein Dorn im Auge. Sie haben an dem Sanktionsregime prächtig verdient. Ihre Vertreter setzen nun auf eine Schwächung des moderaten Lagers unter Präsident Hassan Rohani und eine Stärkung der eigenen Machtposition.

Den Obersten Revolutionsführer Ali Khamenei, der das Abkommen anfangs begrüßte, wissen sie an ihrer Seite. Dieser machte am Mittwoch in einer ungewöhnlichen Rede an die Adresse der eigenen Regierung klar, er werde das Gleiche tun wie Trump, falls Rohani von den drei europäischen Mächten Frankreich, Großbritannien und Deutschland keine „eindeutigen Garantien“ erhalte, dass sie die nach 2015 geknüpften Wirtschaftsbeziehungen weiterführen. „Ich bezweifle, dass ihr das erreichen könnt“, fuhr Khamenei fort. „Dann aber können wir nicht so weitermachen wie bisher.“