Erhobenen Hauptes, den Blick nach vorn gerichtet, ein leichtes Lachen in den Augen - so kennt man Hubertus Schwinge im Ort. Foto: factum/Granville

Hubertus Schwinge hat die Bürgerstiftung initiiert und prägt die Jugendmusikschule nach wie vor. Aus Anlass seines 75. Geburtstags bereichert er die Stadt erneut.

Ditzingen - Er ist einer der Ruhigen, ein lautes Wort ist von Hubertus Schwinge nicht in der Öffentlichkeit zu hören. Dabei hat er sich in den vergangenen Jahren mit seinen Ideen ein um andere Mal durchgesetzt, sei es bei der Rathausverwaltung oder in den Schulen. Nie verbissen, vielmehr charmant argumentierend setzte er um, was er sich vorgenommen hatte. „Ich war immer von dem überzeugt, was ich wollte“, sagt der Ditzinger, der heute seinen 75. Geburtstag feiert.

So war er authentisch, „man hat mir abgenommen, was ich sagte“, wie er es selbst zurückhaltend formuliert. Im Ort heißt es, irgendwann lasse sich jeder, den Schwinge direkt anspricht, anstiften, sich für die Gesellschaft zu engagieren. Begründen können es die Angestifteten allerdings nicht. „Ein Rezept, wenn es denn eines gäbe, kann ich nicht verraten“, sagt er selbst.

Doch aufgrund seiner Berufserfahrung, zuletzt als Prokurist einer Versicherung, weiß auch der Privatmensch Schwinge mit Menschen umzugehen. In Führungsseminaren, die er gab, lernte er, „auf Situationen einzugehen, die ich nicht gekannt habe“. Dies wandte der gebürtige Breslauer in Ditzingen an, wo er nach vielen Stationen heimisch wurde. Dort engagierte er sich, vor allem im Ruhestand: ob zunächst als Elternbeiratsvorsitzender, dann als Initiator der Bürgerstiftung und nach wie vor Vorsitzender der Jugendmusikschule (JMS). Das sei ihm mehr wert gewesen, als eine weitere berufliche Karriere, sagt Schwinge. Denn in diesem Umfeld hatte er die Möglichkeit auf Strukturen Einfluss zu nehmen, mitzugestalten. Gemeinsam mit dem Leiter der Jugendmusischule brachte er so den Rhythmik – und Instrumentalunterricht an die Schulen; als landesweit erste Einrichtung setzten sie dabei auf Streichunterricht.

Die Musikschule ging überzeugt ihren Weg, die Stadt beobachtete zunächst, habe sie aber finanziell nicht lange allein gelassen, lobt Schwinge, der im Jahr 2011 mit der Bürgermedaille der Stadt geehrt wurde. Die Schüler seien mit Freude dabei, beobachtet der 75-Jährige. Darauf legt er wert, dass sie Freude empfinden, die sich so sehr unterscheidet vom kurzen, oberflächlichen Spaß, der die Gesellschaft prägt.

Er packt vieles an, zielorientiert, auch mal in der Ungewissheit einer dauerhaften Finanzierung. Er fand noch immer Menschen, die ihn und damit häufig die Schwächeren der Gesellschaft unterstützen. „Ich kann die Welt nicht ändern“, sagt er. Doch statt zu lamentieren, versuche er, Schwierigkeiten aus dem Weg zu räumen.

Doch selbst in Situationen, in denen er etwa als Elternbeiratsvorsitzender andere Positionen vertreten musste als ein Schulleiter, brachten ihm die Gesprächspartner immer auch eine Wertschätzung entgegen, die die Ämterzeit überdauerte, weil sie dem Menschen Schwinge galt – und gilt. Dergestalt von den Bürgern eines Orts begleitet, scheint es, als lasse Schwinge sich tatsächlich von Goethes Wort leiten, die ihm der einstige Schulleiter Ulrich Warnke, vor fünf Jahren auf den Weg mitgab. „Unter Gesundheit verstehe ich nicht ‚Freisein von Beeinträchtigungen’, sondern die Kraft, mit ihnen zu leben.“ Schwinge kann nicht mehr Klavier spielen, wie er es gewohnt war, auch komponiert er nicht mehr. Doch er hadert nicht damit. Fünf Kompositionsblöcke – „meine fünf geistigen Kinder“ – sind fertig und wurden „so, wie ich mir das vorgestellt habe“. Drei davon wurden in Ditzingen aufgeführt, die Uraufführung des vierten ist für nächstes Jahr geplant. Auszüge daraus werden schon früher erklingen. Und natürlich freut es ihn, dass die Pianistin Diana Brekalo seine Werke inzwischen in den großen Konzertsälen dieser Welt interpretiert. Viele seiner eigenen Konzertbesuche sind hingegen virtueller Natur, Internet und Youtube sei dank.

Eben weil er der Musik nach wie vor intensiv verbunden ist, begleitet er mit dem Ditzinger Musikschulleiter ausgesprochen meinungsstark auch die Entwicklung des Schulfachs Musik. Aus seiner Kritik am Fach Menuk, dem 2004 an Grundschulen eingeführten Fächerverbund Mensch, Natur und Kultur, machte er nie einen Hehl, weil dort die Musik nur eine Rolle spielte, wenn der Lehrer eine Affinität dazu habe. Umso mehr begrüßt er es, dass Musik wieder als eigenständiges Fach Einzug in die Schulen hält. Weil aber zuletzt keine Musiklehrer mehr ausgebildet wurden, werden wohl verstärkt die Pädagogen der Jugendmusikschule angefragt. Für die Pädagogen seiner JMS ist es ihm nicht bang. Sie sind das Unterrichten in der Klasse gewohnt. Dass sie sich einst so umfassend darauf einließen, dafür zollt er ihnen immer noch Respekt. Dass er sie dazu angestiftet hat, sagt er freilich nicht.