Stefan Karbach sagt über Papst Franziskus: „Ich erlebe einen neuen Frühling.“ Foto: Judith A. Sägesser

Ende des Jahres tritt Stefan Karbach seinen Dienst als Priester der katholischen Filder-Gemeinden an. Ihre Mitglieder können sich auf einen offenen Menschen freuen – und auf einen interessanten Werdegang.

Filder - Die Adventszeit dürfte einer dieser Knotenpunkte werden. Das sind die Begebenheiten in Stefan Karbachs Leben, an denen sich im Nachhinein betrachtet die Weichen gestellt haben. Im Advent beginnt der 55-Jährige seinen Priesterdienst auf den Fildern; er ist der neue Pfarrer für die Katholiken in den Stadtbezirken Degerloch, Birkach, Plieningen und Sillenbuch.

 

Dass aus Stefan Karbach ein Priester werden würde, war nicht von Anfang an klar. Er ist mit 46 Jahren geweiht worden – was recht spät ist. Die Dinge haben Zeit gebraucht, um sich zu fügen. Zunächst zog es ihn in eine andere Richtung: Musik und Theater hatten es ihm angetan. Als er seinen Zivildienst – „als Junge für alles“ – bei der katholischen Pfarrgemeinde Sankt Maria in Stuttgart begonnen hat, war dies zunächst vor allem Mittel zum Zweck. Er wollte unbedingt nach Stuttgart – in die Nähe der Oper.

Dort hat er bei zwei Produktionen hospitiert: bei Hoffmanns Erzählungen sowie bei Tristan und Isolde. Was er vorher wohl nicht erwartet hätte: Damals kamen ihm die ersten Zweifel, ob die Theaterwelt wirklich die seine ist. Die mitunter angespannte Atmosphäre unter den Künstlern schreckte ihn ab, „und wie wenige eine Chance bekommen“.

Zufällig zum Knabenchor

Während Stefan Karbach gedanklich in seine Vergangenheit reist, schaut er immer wieder aus dem Fenster in die Ferne. Er sitzt in seinem Büro in Wernau am Neckar; seit fünf Jahren arbeitet der Priester dort als Diözesan-Jugendseelsorger. Aus heutiger Sicht weiß Karbach, dass die Zivi-Zeit ein Knotenpunkt gewesen ist. Sein Job in der Kirchengemeinde hat ihm immer mehr zugesagt; in ihm wuchs ein tieferes Verständnis, vielleicht sogar die Ahnung, wohin in sein Weg führen sollte. Das Gefühl war stark genug, um katholische Theologie zu studieren, in Tübingen und in Salzburg. Den ganz großen Schritt hin zum Leben eines Priesters wagte er mit Mitte 20 derweil noch nicht. „Ich wollte damals noch keine Entscheidung über die Lebensform für das restliche Leben treffen. Dafür habe ich keine innere oder äußere Notwendigkeit gesehen.“

In der Rückschau ist die katholische Kirche schon lange Stefan Karbachs Begleiterin. Wenn auch eine eher unscheinbare. Er sagt, er sei in keinem sonderlich religiösen Elternhaus aufgewachsen. Es war mehr das Drumherum. Geboren in Mainz, ist er als Schuljunge nach Rottenburg am Neckar gezogen, eine kleine, beschauliche Hochburg des Katholizismus. Im Alter zwischen zehn und 20 Jahren hat er dort im Knabenchor gesungen, nicht aus innerem Drang, sondern um Anschluss zu finden. „Das war die zufällig erste Möglichkeit“, sagt er. Und dennoch hat ihn sein Hobby geprägt. Wieder so ein Knotenpunkt.

Offen für Neues

Im Laufe des Theologie-Studiums hat Stefan Karbach die Antwort auf eine für ihn wichtige Frage gefunden, eine Frage, die arg kompliziert daherkommt, aber den Kern trifft: Ob der Glaube dem Verstand gegenüber bestehen kann? Ob die Ratio dem Glauben hinterher nicht vielleicht doch ein Schnippchen schlägt? In seinem Fall trat dies nicht ein. Was nicht bedeutet, dass sich Stefan Karbach nicht kritische Gedanken über seine Kirche erlaubt. Er gibt sich aufgeschlossen gegenüber Reformbewegungen. Über den mutigen Papst Franziskus sagt er: „Ich erlebe einen neuen Frühling.“ Aber er weiß, dass Geduld vonnöten ist. „Einen so großen Tanker zu einer Kursänderung zu bewegen, das dauert.“

Die Katholiken auf den Fildern dürfen sich also auf einen Priester einstellen, der Neuem aufgeschlossen gegenübersteht. Der sagt: „Das System katholische Kirche schleppt den Ballast und die Schätze von zwei Jahrtausenden mit.“ Und beides sei nicht getrennt von einander zu haben.

Seine neue Stelle bringt Herausforderungen mit sich. Mit Degerloch, Hohenheim, Heumaden und Sillenbuch sind Kirchengemeinden zusammengewürfelt worden, die das gar nicht alle so wollten. Vorgegeben durch den „Aufbrechen“-Prozess des katholischen Stadtdekanats. Was auf dem Papier rasch vollzogen ist, braucht in den Herzen deutlich mehr Zeit. Dass das gleich auf Anhieb funktioniert, „das finde ich nicht erwartbar“, sagt Karbach. Doch er ist guter Hoffnung, nach seinen bisherigen Besuchen an seiner neuen Wirkungsstätte. „Die Begegnungen waren ermutigend.“