Die Schwestern Karin (links) und Susanne (rechts) Mooser betreiben das Haus in der achten oder neunten Generation, auch die Schwägerin Barbara Mooser (Mitte) hilft mit. Links hängt ein Gemälde des Herzogs Karl Eugen. Gerüchte besagen, er sei der Vorfahr der Mooser-Schwestern. Foto: Caroline Holowiecki

Das Gasthaus Hirsch in Echterdingen feiert 2023 seinen 250. Geburtstag. Der Ortshistoriker Hans Huber hat sämtliche Skandale und Begebenheiten um die Wirtschaft aufgearbeitet. Dabei geht es auch um adeliges Blut.

Die Gastwirtschaft Hirsch in Echterdingen feiert 2023 ihr 250-jähriges Bestehen. Den runden Geburtstag hat der 96-jähriger Ortshistoriker Hans Huber aufgedeckt und in einem langen Bericht aufgearbeitet. Demnach hat der Bau der Wirtschaft 1772 begonnen. „Im Mai 1773 war das Haus im Großen und Ganzen fertig“, schreibt er. Ob das große Fachwerkgebäude an der Hauptstraße mit den bunten Glasfenstern und dem goldenen Hirsch über der Tür damit das älteste Gasthaus am Ort sei? „Kann man sagen“, sagt Hans Huber. Der Ochsen sei „theoretisch drei Ecken älter“, das historische Gasthaus sei im Laufe der Zeit allerdings umgezogen, erklärt er.

 

Besonders interessant ist laut seiner Recherchen, was sich in all den Jahrhunderten rund um den Hirsch abgespielt hat. So soll der Herzog Karl Eugen – bekannt für seine Liebeleien – die Tochter des Echterdinger Schultes Johann Ludwig Stäbler geschwängert haben. „Aber der Herzog zeigte sich erkenntlich, wie übrigens bei all seinen Affären, bei denen er gegenüber den Kindern fürsorglich war und die Mütter immer großzügig versorgte“, schreibt Hans Huber in seinem Bericht. Demnach sei der Deal des Herzogs mit dem Schultheiß gewesen, das verwaiste Wirtshaus Bären und ein Haus daneben aufzukaufen, beides abzubrechen und auf der Fläche ein größeres Gasthaus zu errichten – den Hirsch. „Das Eichenholz, damals das Teuerste am Bauen, durfte der Schultheiß kostenlos aus dem herzoglichen Schönbuch beziehen.“ Zudem führte der Herzog der geschwängerten und skandalisierten Schultheißen-Tochter den Plieninger Hirsch-Wirtssohn Fritz Bayha als Ehemann zu. Damit schaffe der Herzog nach Hans Hubers Recherchen zwei Dinge: Die Familie war befriedigt, und an der wichtigen Verbindungsstraße stand ein leistungsfähiges Wirtshaus, denn „der große Saal des Hirsch war ohne Zweifel damals der größte im ganzen Land“.

Die Liste der Persönlichkeiten ist lang

In 250 Jahren hat der Hirsch viel Prominenz gesehen. Der wohl berühmteste Gast: Johann Wolfgang von Goethe. Aber auch darüber hinaus ist die Liste der Persönlichkeiten, die Hans Huber aufzählt, lang und reicht vom Aufklärer Friedrich Nicolai über den Schriftsteller und Philosophen Johann Caspar Lavater bis hin zum Bildhauer Bertel Thorvaldsen. 1807 habe Justinus Kerner sein Lied „Wohlauf noch getrunken den funkelnden Wein“ im Hirsch niedergeschrieben. Vieles im Haus erinnert an frühere Zeiten. Etliche alte Fotos gibt es, etwa eines von 1908. Es zeigt eine Menschentraube rund ums Wirtshaus – eine große Spendensammlung für den Grafen Ferdinand von Zeppelin, dessen Luftschiff in Echterdingen notgelandet war. Der Astronaut Robert Lee Gibson hat im Hirsch Krautwickel gegessen, erzählen die heutigen Wirtinnen.

Das prominenteste Bild und auch das älteste hängt im großen Saal im Obergeschoss des Gasthauses. Das Ölgemälde zeigt den Herzog Karl Eugen von Württemberg. Die heutige Hirsch-Wirtinnen, die Schwestern Karin (66) und Susanne Mooser (60), sind direkte Nachfahrinnen der damaligen Wirtsfamilie Bayha – und damit laut Hans Huber mit dem Adeligen verwandt. „Alle Indizien sprechen dafür“, sagt er. Und was sagen die Frauen dazu? Achselzucken. „Die These existiert schon immer. Der Herzog war kein Kind von Traurigkeit“, sagt Susanne Mooser.

Das Flair eines alten Hauses

Die Gästezimmer unterm Dach gibt es seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr, bis heute aber gilt der Hirsch als beliebte Adresse für gut bürgerliche Küche. „Es wird noch richtig gekocht“, betont Karin Mooser. Die Arbeit in so einem alten Haus habe Vor- und Nachteile. Sie spricht von einem „Fass ohne Boden“, was die Instandhaltung angehe, auch ziehe es durch die Fenster, „dafür hat es mehr Flair“. Die Schwestern Mooser führen den Hirsch in der achten oder neunten Generation. Wie es nach ihnen weitergeht, ist indes unklar. Kinder haben beide Frauen nicht, und auch sonst habe sich aus der Verwandtschaft bisher keiner vorgewagt.

Der Hirsch als Poststation

Hut des Posthalters
Das Wirtshaus Hirsch war im 19. Jahrhundert zwischenzeitlich eine Poststation. Bis heute weisen ein historisches Posthorn und der Hut des Posthalters in der Stube darauf hin. 1845 wurde die offizielle Posthalterei in Waldenbuch aufgehoben, hat der Ortshistoriker Hans Huber recherchiert, weil sie dem gesteigerten Verkehr nicht mehr gewachsen war. Dafür wurden je eine Poststation in Dettenhausen und eben Echterdingen eingerichtet.

Täglich zwei Postfahrten
Der vierte Hirsch-Wirt Christof Friedrich Bayha wurde zusätzlich Posthalter. Täglich gingen zwei Postfahrten nach Dettenhausen, vierspännig, und eine dreispännige nach Stuttgart, jeweils hin und zurück. Um dies und mehr zu bewältigen, hatte der Wirt 14 Pferde in den Stallungen hinter dem Gasthof.